| # taz.de -- Wahl in Irland und Sinn-Féin: McDonald feiert Revolution | |
| > Einst war Sinn-Féin der politische Arm der IRA. Nun hat die Partei an den | |
| > Wahlurnen Erfolg – und denkt schon über die Regierungsbildung nach. | |
| Bild: Siegesfeier in der Menge: Mary Lou McDonald in Dublin | |
| Dublin taz | „Es gibt kein Zwei-Parteien-System mehr in Irland“, sagte Mary | |
| Lou McDonald, die Präsidentin von Sinn Féin („Wir selbst“), am Sonntag na… | |
| der Wahl. Ihre Partei – ehemals politischer Flügel der inzwischen | |
| aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA) – hat bei der | |
| Parlamentswahl am Samstag nach Auszählung aller Erststimmen [1][fast 25 | |
| Prozent gewonnen], mehr als die beiden konservativen Parteien Fine Gael | |
| („Stamm der Gälen“) und Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“), die … | |
| die Regierung stets unter sich ausgemacht hatten. | |
| Wie oft ihr in ihrem Leben das kitschige [2][Liebeslied „Hello Mary Lou“] | |
| vorgesungen wurde, weiß sie nicht mehr. Sie hasst den Song mittlerweile, | |
| sagte sie im Vorfeld der Wahl. Nach dem sensationellen Erfolg ihrer Partei | |
| wird sie sich aber dran gewöhnen müssen. Sie wolle versuchen, mit Hilfe der | |
| anderen linken Parteien eine Regierung zu bilden, sagte McDonald. | |
| Das wird jedoch schwierig, weil die beiden etablierten Parteien trotz der | |
| Verluste noch zu stark sind. McDonald war vom historischen Aufschwung ihrer | |
| Partei am Samstag selbst überrascht, hatte Sinn Féin doch voriges Jahr bei | |
| den Europa- und Lokalwahlen sehr schlecht abgeschnitten. Deshalb stellte | |
| man diesmal lediglich 42 Kandidaten auf, nur halb so viele wie Fianna Fáil | |
| und Fine Gael. Dadurch hat man mindestens eine Handvoll Sitze verschenkt. | |
| Aufgrund des irischen Wahlsystems mit Stimmübertragung hätten eine Reihe | |
| von Sinn-Féin-Kandidaten, die weit mehr als die für ihre Wahl | |
| erforderlichen Stimmen gewonnen haben, einen Parteigenossen mitziehen | |
| können. | |
| Selbst der bisherige Premier Leo Varadkar von Fine Gael und der | |
| Fianna-Fáil-Chef Micheál Martin lagen in ihren Wahlkreisen deutlich hinter | |
| den Sinn-Féin-Leuten zurück. Und in der Beliebtheitsskala der Parteichefs | |
| hinkten sie bei einer Umfrage kurz vor der Wahl um mehr als 10 | |
| Prozentpunkte hinter McDonald her. | |
| ## Endergebnis lässt auf sich warten | |
| Das komplizierte Wahlsystem, bei dem man die Kandidaten in der Reihenfolge | |
| seiner Präferenz nummeriert, weshalb die Stimmzettel manchmal ein Dutzend | |
| Mal gezählt werden müssen, sorgt auch dafür, dass das Endergebnis noch | |
| lange nicht feststeht. Am Sonntagabend, als die Stimmauszählung vertagt | |
| wurde, war die komplette Auszählung aller Stimmen erst in einem Drittel der | |
| 39 Wahlkreise abgeschlossen. | |
| McDonald wurde 1969 im Dubliner bürgerlichen Viertel Rathgar geboren, lebt | |
| aber inzwischen mit ihrem Mann Martin Lanigan und den beiden Kindern im | |
| Teenageralter, Gearoid and Iseult, im Arbeiterviertel Cabra. Sie besuchte | |
| die katholische Privatschule Notre Dame des Missions und studierte danach | |
| englische Literatur am Trinity College Dublin und Europäische Integration | |
| an der Universität von Limerick. | |
| Ihre ersten politischen Erfahrungen machte sie als Beraterin beim Institut | |
| für internationale und europäische Angelegenheiten, das der Labour Party | |
| nahestand. 1999 trat sie Fianna Fáil bei, wechselte jedoch 2002 zu Sinn | |
| Féin. Im selben Jahr scheiterte sie bei der Wahl zum Parlament und auch | |
| 2007 gelang es ihr nicht, ein Mandat zu gewinnen. Allerdings wurde sie 2004 | |
| die erste Europaabgeordnete ihrer Partei. | |
| 2009 wählte sie der Parteitag zur Vizepräsidentin von Sinn Féin, und zwei | |
| Jahre später ergatterte sie im dritten Anlauf einen Sitz als Abgeordnete im | |
| Dáil, dem irischen Parlament. 2018 löste sie Gerry Adams an der Spitze von | |
| Sinn Féin ab. Er hatte die Partei 34 Jahre lang geführt und war eine | |
| entscheidende Figur im nordirischen Friedensprozess, der ins Belfaster | |
| Abkommen vom Karfreitag 1998 mündete und der Krisenprovinz relativen | |
| Frieden beschert hat. | |
| Dort ist Sinn Féin bereits an der Regierung beteiligt. Ihre Antrittsrede | |
| als Parteipräsidentin beendete McDonald mit dem IRA-Slogan: „Tiocfaidh ár | |
| lá“ – unser Tag wird kommen. Jetzt ist er da. | |
| 10 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahl-in-Irland/!5662635 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=ttMt9SHRwsM | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
| ## TAGS | |
| Irland | |
| Sinn Fein | |
| IRA | |
| Nordirland | |
| Irland | |
| IRA | |
| Irland | |
| Irland | |
| Irland | |
| Irland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neuer Streit in Nordirland: Die Quadratur des Kreises | |
| Die Unionisten wollen keine Zollgrenze – sie müssen aber mitregieren. Der | |
| Frieden in Nordirland sollte wichtiger sein als das Post-Brexit-Abkommen. | |
| Irland und das Coronavirus: Inseln haben einen Vorteil | |
| Maßnahme zum Ausbau medizinischer Infrastruktur: Irland hat private | |
| Krankenhäuser vorübergehend verstaatlicht. | |
| Politisches Erdbeben in Irland: Früher IRA-Flügel, jetzt Wahlsieger | |
| Unser Autor lebt seit über 40 Jahren in Irland. Er hat die Wandlung der | |
| Partei Sinn Féin aus der Nähe erlebt – auch durch seinen Schwiegervater. | |
| Irland nach der Parlamentswahl: Selbstblockade in Dublin | |
| Sinn Féin wird bei der Parlamentswahl überraschend stärkste Kraft. Aber die | |
| bürgerlichen Parteien verweigern sich einer Koalition | |
| Irland nach der Wahl: Alle Wetten sind offen | |
| Sinn Féin, das einstige Schmuddelkind der irischen Politik, ist durch die | |
| Wahl zum Königsmacher für die nächste Regierung geworden. | |
| Wahl in Irland: Alternativen gegen rechts | |
| Die irischen WählerInnen haben dem konservativen Pateiensystem eine Absage | |
| erteilt. Mit Sinn Féin rücken endlich soziale Themen auf die Agenda. | |
| Kopf-an-Kopf-Rennen bei Wahl in Irland: Erfolg für Sinn Fein | |
| Laut Nachwahlbefragungen haben in Irland alle drei Parteien etwa gleich | |
| stark abgeschnitten. Die linksgerichtete Sinn Fein gewann sechs | |
| Prozentpunkte dazu. |