| # taz.de -- Waffenstillstand mit Aserbaidschan: Armenien hat verloren | |
| > Paschinjan steht nun im eigenen Land mit dem Rücken zur Wand. Die | |
| > Opposition mobilisiert gegen den „Verräter“ und schreckt vor Gewalt nicht | |
| > zurück. | |
| Bild: Die Hülle einer Rakete ragt aus dem Boden in Martuni | |
| Mit dem [1][jüngsten Waffenstillstand] zwischen Armenien und Aserbaidschan, | |
| so er denn hält, gibt es erstmals eine reale Hoffnung darauf, dass der | |
| wahnwitzige Krieg um [2][Bergkarabach] ein Ende haben könnte. Denn dass | |
| nicht noch mehr Menschen sterben, [3][zu Flüchtlingen] gemacht werden und | |
| ihr gesamtes Hab und Gut verlieren, muss jetzt oberste Priorität haben. | |
| Dass ausgerechnet Russlands Präsident Wladimir Putin das Übereinkommen als | |
| eine gerechte Grundlage bezeichnet, die im Interesse der beiden | |
| Kriegsparteien sei, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus. Schließlich hat | |
| sich der Kreml in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade als | |
| Friedensstifter hervorgetan und den Konflikt weiter am Köcheln gehalten – | |
| nicht zuletzt auch durch Waffenlieferungen an Aserbaidschan. Genau aus | |
| diesem Grund ist [4][die Mission der russischen Friedenstruppen], die jetzt | |
| in die Region entsandt werden, eher mit Argwohn zu betrachten. | |
| Doch davon einmal abgesehen: Unbestrittener Sieger ist Aserbaidschan. Die | |
| sieben Regionen, die Armenien im Zuge des Krieges Anfang der 90er Jahre | |
| erobert hatte, fallen an Aserbaidschan, genauso wie ein noch unbestimmter | |
| Teil von Bergkarabach. Vor allem der Verlust der umliegenden Regionen | |
| begründete das tiefe nationale Trauma der Azeris, von den Armeniern in die | |
| Knie gezwungen worden zu sein. Dieses Narrativ dürfte, sollte demnächst ein | |
| neuer Status quo gelten, der Geschichte angehören. | |
| Aserbaidschans autokratischer Herrscher Ilham Alijew wird diesen Erfolg | |
| für sich zu nutzen wissen. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass seine | |
| Landsleute geschlossen hinter der Führung des Landes stehen. Das gilt | |
| selbst für diejenigen, die sich in Opposition zum gegenwärtigen Regime | |
| sehen und Opfer massiver Repressionen geworden sind. Deshalb dürfte der | |
| Umstand, den Erzfeind gedemütigt zu haben, Alijews Position zumindest | |
| vorläufig erst einmal stärken. | |
| In Armenien hingegen liegen die Dinge grundlegend anders. Nicht zuletzt | |
| geht es jetzt um den Kopf von Regierungschef Nikol Paschinjan – einstiger | |
| Hoffnungsträger Hunderttausender Armenier, der 2018 im Zuge der Samtenen | |
| Revolution an die Macht kam. Wohl wissend, dass das Thema Bergkarabach | |
| keine Meriten einbringt, hat auch Paschinjan keine offensiven Schritte | |
| unternommen, um eine Lösung des Konflikts zu befördern. | |
| Jetzt jedoch steht er mit dem Rücken zur Wand. Da nützt es auch nichts, die | |
| ausgehandelte Vereinbarung als Sieg zu verkaufen. Dass die Opposition zu | |
| Protesten gegen den „Verräter“ mobilisiert und dabei auch vor Gewalt nicht | |
| zurückschreckt, überrascht nicht. Besonders die Republikanische Partei, | |
| korrupt bis ins Mark und bis 2018 an der Macht, hat mit Paschinjan noch | |
| einige Rechnungen offen. Mag der Krieg um Bergkarabach auch beendet sein – | |
| in Jerewan hat der Kampf gerade erst begonnen. | |
| 11 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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