# taz.de -- WDR-Doku über Dannenröder Forst: Unversöhnliche Parallelwelten | |
> 2020 kämpften AktivistInnen gegen die Rodung des Dannenröder Forsts. Der | |
> WDR hat darüber eine aufwühlende Doku gemacht. | |
Bild: Kahlschlag für den Ausbau der mittelhessischen Autobahn A 49 | |
Die Kamera ist dabei, wenn „Umana“, „Schornsteinfeger“ und „Fugue“ … | |
Baumhäusern in schwindelerregender Höhe Wind und Wetter trotzen. Wenn sie | |
sich in ihren provisorischen Unterkünften mit Tee aufwärmen, über Funk ihre | |
MitstreiterInnen vor „Klettercops“ und Polizeihubschraubern warnen. Sie | |
haben Bäume besetzt und Zeltlager aufgebaut, tragen Fantasienamen und leben | |
im Wald. | |
Im Winter 2020 prägen Kampfszenen zwischen Polizei und KlimaaktivistInnen | |
aus dem [1][Dannenröder Forst] die Nachrichtensendungen und Talkshows. Die | |
Rodung von 85 Hektar Wald für den umstrittenen Lückenschluss der | |
mittelhessischen Autobahn A 49 steht beispielhaft für den Kampf der neuen | |
Klimabewegung um die Ressourcen des Planeten. Die in der ARD-Mediathek | |
verfügbare Dokumentation „Die Autobahn – Kampf um die A 49“ hat die bunte | |
Szene der KlimaaktivistInnen und ihre Auseinandersetzung mit der Polizei | |
über Monate hinweg begleitet. Die AktivistInnen wissen, dass sie Gesetze | |
brechen, aber „es geht doch um die Zukunft von uns allen“, sagt | |
Pressesprecherin „Lola Löwenzahn“. Die jungen Leute sind entschlossen die | |
Vernichtung des tausend Jahre alten Waldes aufzuhalten, der dem | |
Lückenschluss der Autobahn im Weg steht. „Danni bleibt!“ – diese Parole | |
steht für die nicht immer friedlichen und spektakulären | |
Auseinandersetzungen im Kampf gegen die Zerstörung des Planeten. | |
Die Kamera begleitet die jungen Menschen, wenn sie sich von Brücken auf | |
Autobahnen abseilen, die die Polizei deshalb sperren muss. Sie trauern um | |
„Grandma“, eine dreihundert Jahre alte Buche, die schon früh gefallen ist. | |
„I am Grandma, You are killing me and my Children“, steht auf dem Banner | |
auf dem abgesägten Baumriesen. Es sind emotional ergreifende Bilder, wenn | |
Bagger und Kettensägen ihre kleine alternative Lebenswelt, „fern vom | |
Konsumzwang“, zertrümmern, wenn die Baumhäuser fallen. | |
In der Dokumentation kommen auch Menschen aus der Region zu Wort, die das | |
Autobahnprojekt begrüßen. „80 Prozent sind dafür“, sagt ein | |
Kommunalpolitiker. Ein „Segen für die Region“ nennt sein Nachbar den | |
Lückenschluss der Autobahn, weil dann die 20.000 Autos täglich nicht mehr | |
vor seinem Wohnzimmerfenster vorbeifahren. Vor fünfzig Jahren wurde das | |
Projekt erstmals geplant, seitdem ist es umstritten. So kämpfen seit ihrer | |
Parteigründung vor vierzig Jahren die hessischen Grünen gegen die als | |
unsinnig und ökologisch schädlich erkannte Planung. Doch weder in der | |
rot-grünen Regierungszeit in Hessen von 1991 bis 1999 noch in der | |
schwarz-grünen Koalition seit 2013 vermochten sie den Prozess aufzuhalten. | |
Auch als die Partei im Bund mitregierte, wurde der entscheidende | |
Verkehrswegeplan nicht geändert. Ausgerechnet ein grüner Verkehrsminister | |
amtiert in Hessen, als die hessische Landespolizei in dem größten | |
Polizeieinsatz des Jahrzehnts den „Danni“ räumt. | |
Wir erleben diesen Landesminister, [2][Tarek Al-Wazir], in streitbarer | |
Diskussion mit Demonstranten. Dem Lückenschluss der A 49 hatten die Grünen | |
2013 in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU unter der Bedingung | |
zugestimmt, dass der Bund ihn durchfinanziert. Er habe jetzt nach Recht und | |
Gesetz keine andere Wahl, als die von Parlamenten beschlossene und von | |
Gerichten bestätigte Planung umzusetzen, sagt Al-Wazir. Von seinem | |
Dienstsitz aus kann der Politiker die militanten Parolen lesen, die | |
Unbekannte auf die Wand der Grünen-Landesgeschäftsstelle gesprüht haben: | |
„Wir kriegen Euch alle!“ Seit seiner Wahl in den hessischen Landtag vor 20 | |
Jahren habe er gegen dieses Projekt gekämpft, jetzt werde er mit Bolsonaro | |
verglichen, sagt Al-Wazir. „Ich ärgere mich furchtbar darüber, dass | |
ausgerechnet die Grünen jetzt für manche das Feindbild sind.“ Dann fügt er | |
hinzu: „Die Geschichte ‚Grüner lässt Wald roden für Autobahn, die er fr�… | |
immer bekämpft hat‘, die ist einfach geiler als ‚Scheuer lässt Autobahn | |
bauen‘.“ | |
Scheuer, zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung im „Danni“ | |
Bundesverkehrsminister, erklärt im Interview ohne jeden Selbstzweifel, | |
warum die Räumung des Waldes rechtens ist. Der Kahlschlag durch ein | |
intaktes Waldgebiet, gegen massiven Widerstand, ist für ihn die Umsetzung | |
von geltendem Baurecht. Die Motive der Baumbesetzerinnen? „Über die Leute | |
mache ich mir keine Gedanken!“, sagt der Bauherr des Milliardenprojekts. | |
Dem Interview setzt die Doku Bilder von der Verwüstung nach der Räumung | |
entgegen; da sind die heiklen Szenen, wenn die Polizisten BaumbesetzerInnen | |
gegen deren Willen aus großer Höhe abseilen, oder frierende Menschen, die | |
sich in Decken gehüllt den Wasserwerfern entgegenstellen, sich schließlich | |
aus dem Wald tragen lassen. Die Dokumentation wühlt auf und eröffnet | |
Einblick in unversöhnliche Parallelwelten. Eine eigene Antwort auf die | |
Zukunftsfragen kann sie nicht geben. | |
13 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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