# taz.de -- Vorläufiges Endergebnis: SPD gewinnt Bundestagswahl | |
> Nach vorläufigem Endergebnis landen die Genossen mit 25,7 Prozent knapp | |
> vor der Union (24,1). Beide wollen die Regierung anführen. Maaßen | |
> scheitert in Thüringen. | |
Bild: Als erster durchs Ziel: Die SPD mit Olaf Scholz wird erstmals wieder stä… | |
BERLIN rtr/dpa | Die SPD hat die Bundestagswahl knapp gewonnen. Nach dem | |
vorläufigen Ergebnis wurden die Sozialdemokraten mit [1][Olaf Scholz] am | |
Sonntag stärkste Partei. Die CDU/CSU stürzte nach 16 Jahren Regierung von | |
Kanzlerin Angela Merkel mit Armin Laschet auf ein Rekordtief. Trotzdem | |
reklamierte am Wahlabend nicht nur Scholz, sondern auch Laschet den Auftrag | |
zur Regierungsbildung für sich. Beide streben eine Koalition mit Grünen und | |
FDP an. Die wollen jetzt erst einmal untereinander reden. | |
Nach dem vorläufigen Ergebnis verbessert sich die SPD auf 25,7 Prozent | |
(2017: 20,5). Sie schafft damit einen steilen Aufschwung, noch im | |
Frühsommer hatte sie in Umfragen mit rund 15 Prozent auf Platz drei | |
gelegen. Die Union dagegen erlebt ein historisches Debakel, sie kommt nur | |
noch auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen erzielen mit [2][Kanzlerkandidatin | |
Annalena Baerbock] ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, bleiben mit 14,8 | |
Prozent (8,9) aber hinter den Erwartungen zurück. Die FDP verbessert sich | |
auf 11,5 Prozent (10,7). | |
[3][Die AfD], bisher auf Platz drei, kommt nur noch auf 10,3 Prozent | |
(12,6). In Thüringen und Sachsen wird sie aber stärkste Partei. In beiden | |
Ländern steht die AfD im Visier des Landesverfassungsschutzes, in Thüringen | |
wird sie als „gesichert extremistisch“ eingestuft und seit dem Frühjahr | |
beobachtet. [4][Die Linke rutscht] auf 4,9 Prozent ab (9,2). Da sie aber | |
drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigt, kann sie trotzdem wieder | |
entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen. Das | |
legt die Grundmandatsklausel fest. | |
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit erheblich. Die | |
Sitzverteilung sieht so aus: SPD 206 (2017: 153), CDU/CSU 196 (2017: 246), | |
Grüne 118 (67), FDP 92 (80), AfD 83 (94), Linke 39 (69). Der | |
Südschleswigsche Wählerverband, als Partei der dänischen Minderheit von der | |
Fünf-Prozent-Hürde befreit, zieht mit einem Abgeordneten in den Bundestag | |
ein. Die Wahlbeteiligung lag mit 76,6 Prozent auf dem Niveau der | |
vergangenen Wahl (76,2). | |
## Schwierige Regierungsbildung | |
Deutschland steht nun vor einer schwierigen Regierungsbildung. Einzig | |
mögliches Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD | |
noch Union wollen. Deshalb dürfte es zum ersten Mal seit den 50er Jahren | |
ein Dreierbündnis im Bund geben. | |
Scholz sieht einen klaren Auftrag für die SPD. Viele Wähler hätten deutlich | |
gemacht, dass sie einen „Wechsel in der Regierung“ wollten und der nächste | |
Kanzler Olaf Scholz heißen solle, sagte er. Und mit Blick auf die Union: | |
Einige Parteien hätten Zuwächse erzielt – andere nicht. „Auch das ist eine | |
Botschaft.“ Es gilt als wahrscheinlich, dass der bisherige Vizekanzler und | |
Finanzminister ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP anstrebt, wie es in | |
Rheinland-Pfalz seit 2016 regiert. | |
Aber auch [5][Laschet will trotz seiner Niederlage] versuchen, sich mit | |
Grünen und FDP auf eine Koalition zu verständigen. Die CDU/CSU werde alles | |
daran setzen, eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden, sagte der | |
CDU-Chef. „Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land | |
modernisiert.“ CSU-Chef Markus Söder sagte: „Wir glauben fest an die Idee | |
eines Jamaika-Bündnisses.“ Im Wahlkampf hatte er noch massive Bedenken | |
dagegen geäußert, dass die Union wieder den Regierungsanspruch erhebt, wenn | |
sie nicht stärkste Kraft wird. Nun sagte er: „Wir wollen gemeinsam in diese | |
Gespräche gehen mit dem klaren Ziel, den Führungsauftrag für die Union zu | |
definieren, dass Armin Laschet dann der Kanzler der Bundesrepublik | |
Deutschland wird.“ | |
## Lindner bekräftigt Jamaika-Präferenz | |
FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte am Abend seine Präferenz für eine | |
Koalition mit Union und Grünen. „Die inhaltliche Nähe zwischen Union und | |
FDP ist die größte“, sagte er. Zugleich betonte er, demokratische Parteien | |
sollten Gespräche nie ausschließen. | |
Die Bildung eines Jamaika-Bündnisses, wie es in Schleswig-Holstein regiert, | |
war 2017 im Bund an der FDP gescheitert. Diesmal dürften eher die Grünen | |
bremsen. Vor allem in der Finanz- und der Klimapolitik sind die Differenzen | |
zwischen Grünen und FDP groß. | |
Lindner schlug vor, dass sich die Liberalen vorab mit den Grünen treffen, | |
um Schnittmengen und Streitpunkte auszuloten. Grünen-Chef Robert Habeck | |
hielt seiner Partei alle Optionen offen. Man habe „gute Chancen, stark in | |
die nächste Regierung zu gehen“, sagte er. „Wir wollen regieren.“ Baerbo… | |
sagte: „Es geht ja nicht um die Mittel, sondern es geht um das Ziel, was am | |
Ende erreicht werden muss.“ | |
Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. In der Geschichte | |
der Bundesrepublik gab es aber auch Fälle, dass die zweitstärkste Partei | |
den Kanzler stellte. Willy Brandt wurde 1969 Kanzler einer sozialliberalen | |
Koalition, obwohl die SPD nur auf Platz zwei gelandet war. Genauso war es | |
bei Helmut Schmidt 1976 und 1980. | |
Für die Union ist das Ergebnis zum Ende der Ära Merkel ein schwerer Schlag | |
– auch für Söder, der sich im April einen heftigen Machtkampf mit Laschet | |
um die Kanzlerkandidatur geliefert hatte. Nach Auszählung aller Wahlkreise | |
stürzt die CSU auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 bei einer | |
Bundestagswahl. Sie erreicht in Bayern nur noch 31,7 Prozent (2017: 38,8), | |
das entspricht 5,2 Prozent bundesweit. | |
Dem neuen Bundestag wird eine Rekordzahl von Abgeordneten angehören. Laut | |
vorläufigem Endergebnis der Bundestagswahl wird das Parlament 735 | |
Mitglieder haben. Bisher waren es 709 – das war bereits die bis dahin | |
höchste Zahl von Bundestagsabgeordneten. Der neu gewählte Bundestag wächst, | |
aber nicht so stark wie von Experten vor der Wahl befürchtet. | |
## Scholz vor Baerbock, Maaßen scheitert | |
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat den Wahlkreis Potsdam als | |
Direktkandidat mit deutlichem Vorsprung für sich entschieden. Scholz kam | |
bei der Bundestagswahl am Sonntag auf 34,0 Prozent, wie der | |
Landeswahlleiter Brandenburg mitteilte. Auf dem zweiten Platz in dem | |
Promi-Wahlkreis lag Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit 18,8 | |
Prozent. Das Ergebnis im Wahlkreis 61 (Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – | |
Teltow-Fläming II) wurde bundesweit mit Spannung verfolgt, da gleich zwei | |
Kanzlerkandidaten um ein Mandat rangen. | |
Ex-Bundesverfassungsschutzpräsident [6][Hans-Georg Maaßen] (CDU) ist mit | |
seiner Kandidatur für ein Direktmandat im Bundestag deutlich gescheitert. | |
Der umstrittene CDU-Politiker kam nach Auszählung aller Stimmen im | |
südthüringer Wahlkreis 196 auf 22,3 Prozent der Erststimmen. Sein | |
SPD-Kontrahent, der Olympiasieger und Ex-Biathlon-Bundestrainer Frank | |
Ullrich, holte das Direktmandat mit 33,6 Prozent der Erststimmen. | |
Erstmals haben die Grünen bei einer Bundestagswahl Direktmandate im | |
Südwesten erobert. Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Brantner (42) holte | |
das erste Direktmandat für ihre Partei in Baden-Württemberg am Sonntagabend | |
in Heidelberg. Im Wahlkreis Stuttgart I setzte sich Ex-Grünen-Chef Cem | |
Özdemir (55) durch. Und in Freiburg und Karlsruhe siegten die jungen | |
Kandidatinnen Chantal Kopf (26) und Zoe Mayer (26). | |
Mit Kanzleramtschef Helge Braun, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia | |
Klöckner und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verpassten | |
drei weitere CDU-Polit-Promis die Direktmandate. Klöckner erreichte im | |
Wahlkreis Kreuznach in Rheinland-Pfalz laut Landeswahlleiter nur 29,1 | |
Prozent – und verlor damit gegen den Konkurrenten von der SPD. So erging es | |
auch Braun, der in seinem hessischen Wahlkreis Gießen 29,6 Prozent der | |
Erststimmen bekam. Im Wahlkreis Saarbrücken verlor Kramp-Karrenbauer mit | |
25,1 Prozent der Stimmen. Kramp-Karrenbauer hatte das Direktmandat im | |
Wahlkreis Saarbrücken für die CDU zurückerobern wollen, nachdem dieses 2017 | |
an die SPD gegangen war. | |
Nach mehr als 30 Jahren hat die CDU bei einer Bundestagswahl nicht das | |
Direktmandat in Angela Merkels bisherigem Wahlkreis geholt. Für den | |
Wahlkreis 15 zieht nun die 27-jährige Anna Kassautzki von der SPD mit 24,3 | |
Prozent der Erststimmen in den Bundestag ein, wie auf der Homepage der | |
Landeswahlleiterin veröffentlicht wurde. Auf Platz zwei landete im | |
Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I Merkels Nachfolger als | |
CDU-Direktkandidat, der 33-jährige Georg Günther. Für ihn stimmten 20,4 | |
Prozent der Wählerinnen und Wähler. | |
27 Sep 2021 | |
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