| # taz.de -- Vor dem EU-Gipfel: Zitterpartie beim Streit in Brüssel | |
| > Bundesverkehrsminister Volker Wissing stellt sich quer beim Streit mit | |
| > Brüssel. In Zukunft werden wohl auch E-Fuels weiter genutzt. | |
| Bild: Radfahrer neben einem Mercedes mit Dieselantrieb | |
| Berlin taz | Nein, Volker Wissing scheint nicht nachzugeben beim Streit | |
| über das Verbrenner-Aus in der EU. | |
| Der Bundesverkehrsminister und seine Partei, die FDP, hatten maßgeblich | |
| darauf gedrängt, dass in Zukunft auch die sogenannten E-Fuels weiter als | |
| Kraftstoffe für Autos genutzt werden können. | |
| Vergangene Woche legte Wissing sogar noch nach. | |
| Sein Ministerium schrieb der EU-Kommission einen Brief, diese antwortete | |
| prompt und schlug einen Kompromiss vor. Dieser scheint Wissing aber wohl | |
| nicht gänzlich zu gefallen. | |
| Zumindest gibt es aus dem Bundesverkehrsministerium derzeit noch keine | |
| Zustimmung. Aber: auch keine offizielle Bestätigung dafür, dass der | |
| Minister den Vorschlag ablehnt, wie der Spiegel in Erfahrung gebracht haben | |
| will. | |
| Die Gespräche seien weit fortgeschritten, „aber die Verfahren sind | |
| außerordentlich kompliziert und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung von | |
| beiden Seiten“, hieß es von einem Sprecher aus dem Ministerium gegenüber | |
| der taz. | |
| Für den zweitägigen EU-Gipfel, der am Donnerstag startet, dürfte das aber | |
| zu knapp sein, um den Streit noch vorher auszuräumen und zu einer | |
| verbindlichen Einigung kommen zu können. | |
| ## E-Fuels durch die Hintertür | |
| Wissing und sein Ministerium hatten in ihrem Brief gefordert, dass es | |
| künftig noch einen zusätzlichen Beschluss geben soll. | |
| Die geplante finale Abstimmung zum Verbrenner-Aus solle unverändert | |
| abgesegnet werden. Aber am Ende würden Verbrenner mit E-Fuels nach 2035 | |
| trotzdem auf den Straßen zugelassen – quasi durch die Hintertür. Ein | |
| solcher sogenannter delegierter Rechtsakt gilt als juristisch umstritten. | |
| Zudem wollte die EU-Kommission mit ihrem Beschluss – hin zur E-Wende – den | |
| Verkehr eigentlich klimafreundlicher gestalten. Als Teil ihres umfassenden | |
| EU-Klimaschutzprogramms – des Green Deals. | |
| WissenschaftlerInnen sind sich nach wie vor durch die Bank weg einig, dass | |
| E-Fuels derzeit deutlich ineffizienter sind, als im Vergleich dazu mit der | |
| gleichen Strommenge in einem E-Auto auf der Straße zu fahren. | |
| ## Ein Auto mit E-Fuels verbraucht in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom | |
| wie ein E-Auto | |
| Spricht man dieser Tage mit Ingenieuren, so hört man zwar, dass man zum | |
| derzeitigen Zeitpunkt nicht eindeutig sagen könne, welche Technologie nun | |
| in zehn oder zwanzig Jahren die Zukunft sei. „Im Prinzip sind beide | |
| Technologien erst mal gleichwertig“, meint Manfred Aigner gegenüber der | |
| taz, der Professor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist. | |
| Berechnungen von Klimainstituten, aber auch dem Allgemeinen Deutschen | |
| Automobil-Club (ADAC) zeigen aber, dass der Wirkungsgrad von E-Fuels | |
| deutlich schlechter ist. | |
| Ein Auto mit E-Fuels würde in etwa fünf bis sechs mal so viel Strom | |
| verbrauchen wie ein batterieelektrisches Fahrzeug für die gleiche | |
| Fahrleistung – so die Berechnungen etwa das Potsdam-Institut für | |
| Klimafolgenforschung (PIK). | |
| Aigner glaubt aber, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der | |
| schlechtere Wirkungsgrad von E-Fuels ausgeräumt sei. Er geht davon aus, | |
| „dass spätestens bis zum Jahr 2050, die E-Fuels nahezu hundert Prozent | |
| klimaneutral seien.“ | |
| Wie viel Zeit aber bleibt für die auch von der FDP so oft angepriesene | |
| Technologieoffenheit? | |
| Der Verkehrssektor hierzulande hat gerade zum wiederholten Male seine | |
| [1][Klimaziele gerissen, wie die kürzlich vorgelegte Studie vom | |
| Bundesumweltamt (UBA) zeigt.] | |
| ## Wie viel Zeit bleibt für Technologieoffenheit? | |
| Für viele Kenner der Autobranche und auch Parteien wie die Grünen hätte | |
| das geplante Verbrenner-Aus in der EU zudem einen großen Schub nach vorne | |
| für die Elektromobilität bedeuten können. | |
| Gerade in der Autoindustrie spielt die oft auch eigens lautstark | |
| eingeforderte Planungssicherheit eine große Rolle. Denn vom Zeitpunkt des | |
| ersten Entwurfs bis hin zu dem Moment, in dem ein neues Auto schließlich | |
| vom Band läuft, vergehen oft mehrere Jahre. | |
| Laut Automobilexperten wie Stefan Bratzel zeigt sich eindrücklich bei den | |
| chinesischen E-Auto-Marktführern oder dem US-Autobauer Tesla, wie schnell | |
| die Industrie sein kann, wenn sie sich entscheidet, entweder Verbrenner | |
| oder E-Autos zu produzieren. | |
| „Wenn man jetzt zu lange an anderen Technologien festhält, verliert man | |
| einfach den Anschluss an die E-Wende“, ist Bratzel überzeugt, wie er auf | |
| Anfrage der taz mitteilt. | |
| ## Kompromiss bei Nutzung von E-Fuels scheint unausweichlich | |
| Mittlerweile sind in der EU auch weitere Länder wie etwa Italien, Polen, | |
| Bulgarien oder Tschechien auf den Kurs von Wissing eingeschwenkt. | |
| [2][Etliche der Verkehrsminister hatten sich bereits vergangene Woche in | |
| kleiner Runde in Straßburg] miteinander getroffen und ihre Blockade-Haltung | |
| weiter verfestigt. | |
| Das ursprüngliche Vorhaben, das bereits im Herbst von EU-Staaten und | |
| Europaparlament ausgehandelt wurde, ist deshalb derzeit nicht mehr | |
| mehrheitsfähig in Brüssel. Das macht den Kompromiss bei der Nutzung von | |
| E-Fuels unausweichlich. | |
| Wenn beim EU-Gipfel keine Einigung in dem Streit zwischen Brüssel und | |
| Wissing gefunden werden kann, muss dieser wohl am Sonntag im | |
| Koalitionsausschuss weiter ausgetragen werden. | |
| 23 Mar 2023 | |
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| Nikola Endlich | |
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