# taz.de -- Von Triers „The House That Jack Built“: Gemeinsam geht's durch … | |
> Die Krise der Männlichkeit als schöne Kunst betrachtet: Lars von Trier | |
> zeigt in seinem jüngsten Spielfilm „The House That Jack Built“ viel | |
> Gewalt. | |
Bild: Serienmörder als Philosoph und gequälte Seele: Matt Dillon in „The Ho… | |
Männer haben Angst, dass Frauen sie auslachen; Frauen haben Angst, dass | |
Männer sie umbringen. Dieses Zitat wird heute meist der kanadischen Autorin | |
Margaret Atwood zugeschrieben, und erfreut sich, wenn man das so sagen | |
kann, in Zeiten von #Metoo großer Konjunktur. Atwoods Formulierung stammt | |
aus den frühen 80er Jahren; der Gedanke an sich ist selbstverständlich viel | |
älter. | |
Aber erst neuerdings dringt das eigentlich Erschreckende dieser Beobachtung | |
ins Bewusstsein. Der wahre Horror nämlich liegt weniger in der abgründigen | |
Diskrepanz zwischen der Angst, ausgelacht zu werden, und der, getötet zu | |
werden, sondern darin, wie gut diese Gleichsetzung des Ungleichen letztlich | |
funktioniert, wie glatt sie von den Lippen geht, wie „logisch“, ja spontan | |
einleuchtend sie erscheint. | |
Der dänische Regisseur Lars von Trier, dessen Konjunktur anders als die der | |
fast 80-jährigen Atwood eher im Niedergang begriffen ist, liefert in seinem | |
neuesten Film, „The House That Jack Built“, dafür einen schockierenden | |
Beleg. Jack (Matt Dillon, zu dem man mit quasi sexistischer Häme bemerken | |
kann, dass von seiner einstigen jungenhaften Schönheit nur wenig geblieben | |
ist) muss zu Beginn des Films Pannenhilfe leisten. | |
Die mit ihrem Wagen liegen gebliebene namenlose Frau (Uma Thurman) steigt | |
zu ihm ins Auto – und beginnt zu reden. Und zwar darüber, dass man ja genau | |
das als Frau nicht tun sollte, zu einem Wildfremden ins Auto steigen, er | |
könne ja schließlich ein Serienmörder sein. So plappert sie in einem fort. | |
Die Szene zieht sich, es muss hin- und hergefahren werden zwischen | |
gestrandetem Auto und der einsam gelegenen Werkstatt, das Gerede der Lady | |
beginnt zu nerven, und dann wird sie auch noch hämisch und behauptet, sie | |
traue ihm, Jack, gar nicht zu, ein Serienmörder zu sein. | |
Sie macht sich lustig über ihn! Dass ein Mann wie Jack da zum „Jack“ | |
greift, wie sinnigerweise im Englischen der Wagenheber genannt wird, und | |
ihr damit eins überzieht, dass „versteht“ man als Kinozuschauer fast. | |
## Opfer einer „Punchline“ | |
In Aufbau und Timing ist die Szene gebaut wie eine Pointe. Nicht alle, die | |
an dieser Stelle unwillkürlich auflachen, sind schlechte Menschen; die | |
meisten sind schlicht Opfer einer in diesem Fall buchstäblichen | |
„Punchline“: Frauen, die Männer auslachen, werden umgebracht. | |
Lars von Trier aber geht es nicht um die Diskrepanz; ihn interessieren in | |
„The House That Jack Built“ nicht die Opfer, ihn interessiert | |
ausschließlich der Täter. Den Serienmörder Jack, dessen Haus am Schluss – | |
Achtung, Spoiler-Alarm! – aus Leichenteilen gebaut sein wird, porträtiert | |
Lars von Trier als Architekten und Künstler, als Philosophen und von | |
Zwangsneurosen gequälte Seele. | |
Es ist selbstverständlich alles irgendwie Metapher, aber zugleich auch | |
nicht. Jack ist eine fiktive Gestalt, aber Lars von Trier will Recherchen | |
angestellt und wahre Vorbilder gefunden haben. Nicht zuletzt legt er Jack | |
auch als eine Art Alter Ego seiner selbst an; zwischendurch gibt es eine | |
kurze Montage mit Szenen aus von Triers eigenen Filmen. Und auf Hitler – | |
und Mussolini, Kathedralen, Krieg und die für einen bestimmten Wein nötige | |
Edelfäule – kommt er ebenfalls zu sprechen. | |
## Auch eine Therapiesitzung | |
Das Ganze wird von einer Art Interview zusammengehalten, das auch eine | |
Therapiesitzung sein könnte. Zunächst nur aus dem Off hört man die Stimme | |
von Bruno Ganz, der Jack Fragen stellt, ohne aber etwas begreifen zu | |
wollen, denn er hat „alles schon mal gehört“. Erst im letzten Viertel des | |
Films sieht man die beiden zusammen eine Version von Vorhölle | |
durchschreiten. Das Beste, was sich dazu sagen lässt, ist, dass dann | |
endlich die Sache mit den Morden vorüber ist. | |
Denn zuvor besteht „The House That Jack Built“ aus einer Reihe von | |
unterschiedlich langen, aber sämtlich sich sadistisch hinziehenden | |
Mordszenen. In der Mehrheit sind es Frauen, denen Jack auflauert oder an | |
die er sich ranmacht. Es ist alles sehr unschön, dabei aber so emotionsarm | |
und mit einer solch übellaunigen Pedanterie erzählt, dass selbst die | |
Empörung über die Gewalt und ihre Darstellung schwerfällt. | |
Zumal Lars von Trier den üblichen kritischen Reflexen vorzugreifen | |
versucht. Einerseits durch die gewollt-elaborierten Anspielungen auf Kunst- | |
und Naturgeschichte, andererseits etwa dadurch, dass man Bruno Ganz fragen | |
hört, warum Jack alle seine weiblichen Opfer als so unheimlich dumm | |
darstelle. So wird dem Zuschauer gleichsam mitgeteilt, dass man um die | |
Misogynie des Dargestellten weiß, dass sie mithin fiktiv ist und es | |
lächerlich und/oder engstirnig ist, sich über Fiktion aufzuregen. | |
Es ist eine ganz ähnliche Strategie, wie sie die Trolle in den sozialen | |
Medien benutzen: etwas sagen, was Empörung auslöst, sich dann über die | |
Empörung zugleich empören (Meinungsfreiheit!) und lustig machen (Ironie!) – | |
und auf diese Weise den Diskurs bestimmen, ohne dass man sich auf Argumente | |
einlassen muss, weil es sich so gut auf der Aufregungswelle surfen lässt. | |
So bleibt nach „The House That Jack Built“ ein Fazit: Lars von Trier | |
gefällt sich in der Troll-Rolle. | |
29 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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