# taz.de -- Nachruf auf Bruno Ganz: Der schweizerische Freund | |
> Er hatte bis zuletzt eine Größe der entrückten Art: der am Samstag | |
> gestorbene Schauspieler Bruno Ganz aus „Der Himmel über Berlin“ und „D… | |
> Untergang“. | |
Bild: Jetzt heißt es Abschied nehmen. Bruno Ganz 2011 beim Filmfestival in Loc… | |
Am Anfang war die Stimme. Die sagte: „Als das Kind Kind war, …“, in diesem | |
seltsam weich rollenden, zugleich abgeklärten Singsang. Leicht und schwer | |
in einem, klang diese Stimme wie die eines alten Manns, die da immer wieder | |
zwischendurch auf der Platte mit der Filmmusik von Wim Wenders' „Der Himmel | |
über Berlin“ von 1987 sprach. Fast überraschend war es, wenig später den | |
Mann auf der Leinwand zu sehen, zu dem diese Stimme gehörte. Bruno Ganz, | |
der in Wenders‘ damals unwissentlichem Abgesang auf das geteilte Berlin den | |
Engel Daniel spielt und aus dem Off regelmäßig Peter Handkes „Lied vom | |
Kindsein“ rezitiert, war da gerade mal 46 Jahre alt. | |
Schauspieler war der 1941 in Zürich geborene Sohn eines Schweizer | |
Fabrikarbeiters und einer italienischen Mutter aber schon seit fast drei | |
Jahrzehnten. Seine erste Filmrolle hatte er 1960 in der Krimikomödie „Der | |
Herr mit der schwarzen Melone“ seines Landmanns Karl Suter übernommen. | |
Gleichzeitig lernte er am Zürcher Bühnenstudio. | |
Bevor er mit seiner internationalen Filmkarriere als Schauspieler sich | |
unter anderem in der Rolle des Adolf Hitler in Oliver Hirschbiegels | |
Führerbunkerdrama „Der Untergang“ von 2004 ins öffentliche Gedächtnis | |
einbrannte, machte er sich zunächst als Theaterschauspieler einen Namen. | |
Nach Stationen in Göttingen, Bremen und am Zürcher Schauspielhaus kam Bruno | |
Ganz 1970 zum Ensemble der Berliner Schaubühne. Ab dieser Zeit arbeitete er | |
mit Regisseuren wie Peter Zadek, Peter Stein, Claus Peymann oder Luc Bondy | |
zusammen. Die Liste seiner Ehrungen und Preise, die er für seinen | |
Bühnenspiel erhielt, ist fast so lang wie die seiner Spielfilmrollen. | |
Erste internationale Bekanntheit erlangte er dann durch seinen Part in „Der | |
amerikanische Freund“, seiner ersten Zusammenarbeit mit Wim Wenders 1977. | |
An der Seite von Dennis Hopper spielte Ganz den Hamburger Rahmenmacher | |
Jonathan Zimmermann. Ein stiller, in sich gekehrter Typ, in dessen | |
undurchdringlichem Blick sich Freundlichkeit, Skepsis und Traurigkeit | |
unlösbar mischten – sich dann aber im nächsten Augenblick unversehens zu | |
einem Ausdruck kindlich-unschuldiger Begeisterung wandeln konnten. Wie Ganz | |
überhaupt eine Impulsivität hatte, die stets hinter seiner gesammelten | |
Erscheinung zu schlummern schien. | |
## Schrullige Herzlichkeit | |
Bruno Ganz' Blick hatte auf der Leinwand gern etwas | |
Distanziert-Abgeklärtes. Man konnte viel Freundlichkeit darin sehen, wie er | |
überhaupt vielen seiner Figuren eine schrullige Herzlichkeit verleihen | |
konnte, so auch bei seiner Erfolgsrolle als eloquenter Kellner Fernando | |
Girasole in Silvio Soldinis „Brot und Tulpen“ (2000). Oder er blickte | |
zugewandt-furchtsam, etwa in Werner Herzogs „Nosferatu – Phantom der Nacht�… | |
(1979) als Jonathan Harker, der beim Titelhelden zunächst lediglich zu Gast | |
ist, zum Schluss aber dessen würdige Nachfolge antritt mit den fast | |
geflüsterten Worten „Und bringt mir mein Pferd“, nachdem er selbst zur | |
blass-bedrohlichen, diskret kontrollierten untoten Erscheinung geworden | |
ist. | |
In späteren Jahren überzeugte Ganz immer wieder in Rollen als | |
Autoritätsperson. Sei es als der distinguierte, in seiner überlegten | |
Klugheit umso unheimlichere „Rasterfahndungs“-BKA-Präsident Horst Herold in | |
Uli Edels „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008) oder, in einer seiner letzten | |
Rollen, in Matti Geschonnecks Romanverfilmung „In Zeiten des abnehmenden | |
Lichts“ (2017) nach Eugen Ruge. Hier gab Ganz den überzeugt-geradlinigen | |
DDR-Funktionär Wilhelm Powileit mit brüchiger Verbohrtheit, als einer, den | |
das auf Anpassung optimierte System innerlich ausgehöhlt hat. | |
Auch am Ende war wieder die Stimme. Sie sagte häufig „Jack“, mit leichtem | |
Spott und dem für Bruno Ganz typischen staunend-zurückgelehnten Tonfall. | |
Das war in Lars von Triers „The House That Jack Built“ von 2018, wo er in | |
der Rolle des „Verge“ neben Matt Dillon als dem serienmordenden Titelhelden | |
spielt und über die längste Strecke des Films ausschließlich aus dem Off zu | |
hören ist. | |
Erst im Finale des Films durchquert das ungleiche Paar eine Dantesche | |
Hölle, Bruno Ganz dabei gelassen wie jemand, den auch die infernalischen | |
Abgründe nicht mehr schrecken können. Am Samstag ist Bruno Ganz, dessen | |
Krankheit im vergangenen Sommer bekannt geworden war, im Alter von 77 | |
Jahren in seinem Haus in Zürich gestorben. | |
17 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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