| # taz.de -- „Völkerschauen“ in Hagenbeck's Tierpark: 150 Jahre ungesühnt | |
| > Am 11. März 1874 begannen die rassistischen „Völkerschauen“ im Hamburger | |
| > Zoo Hagenbeck. Bis heute verweigert der Tierpark die Aufarbeitung. | |
| Bild: Stehen noch immer unkommentiert da: „Wilden“-Skulpturen auf dem alten… | |
| Bilder offenbaren Haltung. Sie führen Stereotype fort, wenn man sie nur | |
| prominent genug präsentiert. Deshalb ist es keine lässliche Sünde, dass die | |
| „Wilden“-Skulpturen – ein „Indianer“ und ein „Nubier“ auf dem alt… | |
| Eingangstor von Hagenbecks Tierpark – immer noch unkommentiert neben | |
| Elefantenköpfen stehen. Mehr noch: Der „Indianer“ mit | |
| „Winnetou“-Kopfschmuck wedelt mit einem Gewehr wie ein Kind, dem man | |
| dringend das gefährliche Spielzeug abnehmen muss. Sein Gebaren erinnert an | |
| schlechte Western, in denen „Rothäute“ von überlegenen Weißen erlegt | |
| werden. | |
| In der Realität des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erledigten das | |
| die Kolonialherrn, und die „Wilden“ bei Hagenbeck stehen für all jene | |
| Menschen, die man ihres Landes und ihrer Arbeitskraft beraubte. Und auch | |
| wenn Carl Hagenbeck kein Kolonialherr war, lieferte er durch seine | |
| „[1][Völkerschauen]“, die er vor 150 Jahren – am 11. März 1874 – bega… | |
| den ideologischen Unterbau. „Neben dem Grusel des vermeintlich | |
| ‚Unzivilisierten‘ holten sich die Hamburgerinnen und Hamburger … zugleich | |
| die Bestätigung der eigenen zivilisatorischen Überlegenheit. Im Zeitalter | |
| des Kolonialismus rechtfertigte dies Invasionen fremder Regionen“, sagt | |
| Historiker Jürgen Zimmerer, Chef der Forschungsstelle „Hamburgs | |
| (post-)koloniales Erbe“. | |
| In der Tat mussten sich die Menschen in den „Völkerschauen“ in primitiv | |
| inszeniertem Ambiente bei „ursprünglichen“ Tätigkeiten präsentieren. Und | |
| obwohl Hagenbeck behauptete, er wolle über fremde Kulturen „informieren“, | |
| ging es in Wahrheit um den Kick des Exotischen, auch Freizügigen – offen | |
| ihre Kinder säugende oder nackt tanzende Menschen –, mit dem er ein | |
| Millionenpublikum erreichte. | |
| ## Hagenbeck verweigert Aufarbeitung | |
| Warum die zur Schau Gestellten – großteils – freiwillig kamen, ist ungenau | |
| überliefert. Die [2][Sami, die erste Gruppe, die Hagenbeck zeigte], kamen | |
| teils aus finanzieller Not, teils war ihnen nicht bewusst, welch | |
| erniedrigende Tätigkeiten sie erwarteten. Aber Urenkel Claus Hagenbeck | |
| verweigert bis heute die Aufarbeitung, gibt keine Interviews und lässt | |
| Historiker nicht ins Firmenarchiv. | |
| Allerdings soll Hagenbeck dem NDR-Magazin „Panorama“ zufolge 2020 in einer | |
| Dokumentation gesagt haben: „Völkerschauen waren ja eine Kunstform. Es | |
| wurden ja nicht Sklaven hier nach Europa geholt, sondern es waren Gaukler, | |
| die in ihrem Heimatland gegaukelt haben.“ Und [3][auf Hagenbecks Homepage] | |
| steht: „Während heute kaum noch vorstellbarer sogenannter ‚Völkerschauen�… | |
| wurden Menschen indigener Volksstämme auch nach Deutschland gebracht und | |
| zur Schau gestellt. Auch Carl Hagenbeck organisierte Völkerschauen in ganz | |
| Europa, er engagierte Nubier, Inuit, Massai, Singhalesen und Angehörige | |
| vieler anderer Völker.“ | |
| Das klingt geschäftsmäßig, doch 1908 schrieb Carl Hagenbeck etwa über die | |
| Sami: „Schön konnte man unsere Gäste gerade nicht nennen. Ihre Hautfarbe | |
| ist ein schmutziges Gelb, der runde Schädel ist mit straffem, schwarzen | |
| Haar bewachsen, die Augen stehen ein wenig schief, die Nase ist klein und | |
| platt.“ Dies war, der damaligen Rassentheorie zufolge, Beleg einer | |
| unterentwickelten Kultur. Für all das ist die heutige Hagenbeck-Generation | |
| nicht verantwortlich. Wohl aber für Entschuldigung und Aufarbeitung. Dass | |
| beides noch nach 150 Jahren unterbleibt, ist unwürdig und inakzeptabel. | |
| 11 Mar 2024 | |
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| [1] /Exotische-Abende-im-Zoo-Leipzig/!577592 | |
| [2] /Hamburger-Ausstellung-ueber-Sami-Kultur/!5961592 | |
| [3] https://www.hagenbeck.de/de/tierpark/tierpark/historie.php | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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