# taz.de -- Verletzung des Istanbul-Abkommens: Russland beschießt Odessas Hafen | |
> Moskau bestätigt Raketenbeschuss. Die Ukraine sieht das Abkommen über | |
> Getreideexporte gebrochen, will selbst aber daran festhalten. | |
Bild: Kein Getreide, kein Schutz: Strandbesucher in Odessa am 3. Juli | |
KIEW taz | Trotz des Raketenangriffes auf den Hafen von Odessa am Samstag | |
will die Ukraine am Export von Getreide entsprechend dem am Freitag in | |
[1][Istanbul geschlossenen Abkommen] festhalten und zeitnah damit beginnen. | |
Die ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschne spielen bei dem in | |
Istanbul geschlossenen Abkommen zur Wiederaufnahme von Getreide-Exporten | |
aus der Ukraine auf dem Seeweg eine Schlüsselrolle. | |
Russland übernahm am Sonntag die Verantwortung für den [2][Raketenangriff | |
vom Samstag]. Man habe unter Einsatz von „hochpräzisen“ | |
Kaliber-Marschflugkörpern militärische Infrastruktur zerstört, teilte die | |
Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram | |
mit. | |
Das russische Verteidigungsministerium vermeldet, man habe ein ukrainisches | |
Schiff, ein Lager mit US-amerikanischen Harpoon-Raketen sowie | |
Schiffsreparatur- und Modernisierungsanlagen der ukrainischen Marine im | |
Hafen von Odessa zerstört. | |
Gegenüber BBC erklärte der Duma-Abgeordnete Jewgenij Popow, der Schlag | |
gegen Harpoon-Raketensysteme sei keine Verletzung des Abkommens von | |
Istanbul. Gleichzeitig zitiert die Ukrajinska Prawda unter Berufung auf die | |
New York Times einen namentlich nicht genannten UN-Vertreter, der meint, | |
Russland habe mit dem Raketenangriff auf den Hafen von Odessa | |
möglicherweise nicht gegen das Abkommen von Istanbul verstoßen, da es sich | |
darin nicht verpflichtet habe, auf Angriffe auf die Teile der ukrainischen | |
Häfen zu verzichten, die nicht direkt für Getreideexporte genutzt werden. | |
Die Ukraine sieht das anders. Mit dem Angriff habe Russlands Präsident | |
Wladimir Putin UN-Generalsekretär António Guterres und dem türkischen | |
Präsidenten Recep Erdoğan ins Gesicht gespuckt, kommentierte das | |
ukrainische Außenministerium. | |
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski sind die | |
Raketenangriffe ein weiterer Beweis dafür, dass Russland seine Versprechen | |
nicht einhält. „Das zeigt nur eines: Egal, was Russland sagt und | |
verspricht, es findet immer Wege, das Versprochene nicht zu erfüllen,“ | |
zitiert das oppositionelle russische Portal Meduza den ukrainischen | |
Präsidenten. Mehrere Menschen seien bei dem Angriff verletzt worden, | |
berichtet der Chef der Militärverwaltung des Gebietes Odessa, Maxim | |
Martschenko. | |
Am Freitagvormittag hatte Selenski das in Istanbul getroffene Abkommen in | |
den höchsten Tönen als ganz im Sinne der ukrainischen Interessen gelobt. Es | |
gehe immerhin, so Selenski, um Weizen im Wert von 10 Milliarden Dollar, der | |
bisher nicht verschifft werden konnte. Außerdem habe man nun endlich die | |
Möglichkeit, eine globale Katastrophe zu verhindern, „eine Hungersnot, die | |
in vielen Ländern der Welt, insbesondere in den Ländern, die uns helfen, zu | |
politischem Chaos führen könnte“, zitierte die Ukrajinska Prawda den | |
Präsidenten. | |
Im Abkommen von Istanbul verpflichten sich die Parteien, „keine Angriffe | |
auf Frachter und andere zivile Schiffe und Hafeneinrichtungen vornehmen, | |
die an dieser Initiative teilnehmen“. Alle Parteien würden „maximale | |
Zusicherungen zu einem sicheren Umfeld für alle beteiligten Frachter | |
abgeben“. | |
Der in Odessa lebende linke Blogger Wjatscheslaw Azarov meint, dass es für | |
ein reibungsloses [3][Funktionieren des Getreidekorridors] wichtig sei, | |
dass keine militärischen Güter in die Häfen geliefert werden, aus denen | |
Getreide verschifft werden solle. | |
## Ukraine hält an Abkommen fest | |
Die Ukraine will an dem Abkommen festhalten. „Wir trauen Russland nicht, | |
aber wir vertrauen unseren Partnern und Verbündeten. Deshalb wurde die | |
Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmitteln aus | |
ukrainischen Häfen mit der UN und der Türkei unterzeichnet, nicht mit | |
Russland“, zitiert Hromadske Radio den Infrastrukturminister Oleksandr | |
Kubrakov. | |
Zunächst einmal sei es wichtig, die Einschätzungen der Türkei und der UNO | |
zu hören, erklärte Michajlo Podoljak, Berater des Chefs der | |
Präsidialverwaltung, gegenüber NV.ua. Wie Hromadske Radio berichtet, | |
bereitet die Organisation der Seehäfen der Ukraine (AMPU) in den Seehäfen | |
Odessa, Tschonomorsk und Juschne bereits die Verschiffung von Getreide für | |
den Export vor. Mehrere Schiffe sollen in einer Art Karawane durch einen | |
minenfreien Korridor aus diesen Häfen auslaufen. | |
Oleh Ustenko, Wirtschaftsberater von Präsident Selenski, rechnet aber mit | |
Problemen. Die Ukraine könnte 60 Millionen Tonnen Getreide im Lauf von acht | |
bis neun Monaten ausführen, sollte die Blockade der Schwarzmeerhäfen | |
tatsächlich aufgehoben werden, sagte er im ukrainischen Fernsehen. Sollte | |
Russland das Abkommen nicht einhalten, werde der Transport 20 bis 24 Monate | |
dauern. | |
24 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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