# taz.de -- Urteil gegen Greenpeace: Signalwirkung gegen die Meinungsfreiheit | |
> Eine Jury in North Dakota verurteilt Greenpeace dazu, 660 Millionen | |
> Dollar an eine Ölfirma zu zahlen. Die Umweltorganisation will sich | |
> wehren. | |
Bild: Gegner der Pipeline verlassen das „Oceti Sakowin“-Protestlager in Can… | |
Washington taz | Eine Jury im US-Bundesstaat North Dakota hat die | |
Umweltschutzorganisation Greenpeace zu einer Geldstrafe von mehr als 660 | |
Millionen Dollar verurteilt. Die Niederlage vor dem US-Gericht am Mittwoch | |
könnte Greenpeace nicht nur finanziell ruinieren, sondern auch eine | |
Signalwirkung haben, die laut Rechtsexperten sowohl die Meinungsfreiheit | |
als auch die Protestbewegungen in den Vereinigten Staaten nachhaltig | |
beeinträchtigen könnten. | |
Die Jury hatte es als erwiesen angesehen, dass Greenpeace in den Jahren | |
2016 und 2017 die Proteste gegen ein umstrittenes Pipeline-Projekt in North | |
Dakota rechtswidrig koordiniert haben soll. Der Kläger im Fall, die Ölfirma | |
Energy Transfer, soll laut Anklage dadurch sowohl eine Rufschädigung als | |
auch finanzielle Schäden in Millionenhöhe davongetragen haben. Greenpeace | |
bestreitet die Vorwürfe und will Berufung gegen das Urteil einlegen. | |
„Ich möchte nicht übertreiben, aber der Klimawandel ist das wichtigste | |
Thema unserer Zeit. Und wenn es nicht möglich ist, darüber in der | |
mächtigsten Volkswirtschaft der Welt zu sprechen, dann ist das eine sehr | |
schlechte Nachricht nicht nur für Greenpeace USA, sondern für den gesamten | |
Planeten“, sagte Greenpeace Anwalt Daniel Simons im Gespräch mit taz. | |
Er fügte hinzu: Wenn selbst eine international bekannte Organisation wie | |
Greenpeace mit einer solchen Klage an den Rand ihrer Existenz gedrängt | |
werden könne, dann würden andere, kleinere Organisationen und Aktivisten | |
zweimal darüber nachdenken, ob sie gegen ein Projekt demonstrieren. | |
## Pipeline könnte Trinkwasser gefährden | |
[1][Das Pipeline-Projekt, welches unter dem Namen Dakota Access Pipeline | |
für Schlagzeilen sorgte, ist seit 2017 im Betrieb]. Der Grund für die | |
Proteste, die im Jahr 2016 starteten, waren Bedenken, dass die Pipeline die | |
Trinkwasserversorgung der indigenen Bevölkerung der Standing Rock Sioux | |
Tribe gefährden könnte. Auch beklagte die indigene Gemeinschaft damals, | |
dass sie nicht genau über das Bauvorhaben und die möglichen Risiken | |
informiert wurden. Das im texanischen Dallas ansässige Unternehmen Energy | |
Transfer bestreitet diesen und weitere Vorwürfe. | |
Fast acht Jahre nach der Fertigstellung ist die Pipeline eine zentrale | |
Komponente der amerikanischen Ölförderung. Die USA sind unter Ex-Präsident | |
Joe Biden zum größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen. Durch die Dakota | |
Access Pipeline fließen pro Tag mehr als fünf Prozent der täglichen | |
Ölproduktion im Land. | |
Energy Transfer selbst bezeichnete die Entscheidung der Jury als einen Sieg | |
für alle Amerikaner, die den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung | |
und Gesetzesbruch verstehen. | |
„Wir sind zwar erfreut, dass Greenpeace für sein Vorgehen gegen uns zur | |
Verantwortung gezogen wurde, doch dieser Sieg gilt in Wirklichkeit den | |
Menschen in Mandan und ganz North Dakota, die täglich Schikanen und | |
Störungen, durch die von Greenpeace finanzierten und ausgebildeten | |
Demonstranten ertragen mussten“, erklärte das Unternehmen in einer | |
Stellungnahme gegenüber der Associated Press. | |
Das Urteil gegen Greenpeace trifft gleich drei verschiedene Teile der | |
Umweltorganisation. Neben dem US-Ableger Greenpeace USA wurden auch | |
Greenpeace International aus den Niederlanden und die Finanzierungssparte | |
Greenpeace Fund verklagt und für schuldig befunden. | |
## Greenpeace hat Gegenklage eingereicht | |
Die Umweltorganisation hat in Vorbereitung auf eine mögliche Verurteilung | |
in North Dakota im vergangenen Monat in den Niederlanden eine Gegenklage | |
gegen Energy Transfer eingereicht. Greenpeace wirft der US-Firma vor, dass | |
es bei dem Fall in North Dakota in Wirklichkeit gar nicht um irgendwelche | |
Rechtsverstöße gehe. Vielmehr gehe es darum, eine Organisation und | |
Aktivisten mit Anwaltskosten zu überhäufen, sie in den Bankrott zu treiben | |
und letztlich abweichende Meinungen zum Schweigen bringen. | |
[2][Diese Art von Klagen werden auch als SLAPP (Strategic Lawsuits Against | |
Public Participation)-Klagen bezeichnet.] Die von Greenpeace eingereichte | |
Gegenklage ist laut der Organisation der erste Test einer neuen | |
Anti-SLAPP-Richtlinie, die von der Europäischen Union im vergangenen Jahr | |
verabschiedet wurde. | |
„Das letzte Wort ist in diesem Kampf noch nicht gesprochen. Wir stehen erst | |
ganz am Anfang unserer Anti-SLAPP-Klage gegen die Angriffe von Energy | |
Transfer auf die Meinungsfreiheit und friedliche Proteste. Im Juli werden | |
wir Energy Transfer in den Niederlanden vor Gericht sehen. Wir werden nicht | |
nachgeben. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen“, sagte Kristin | |
Casper, Rechtsbeistand bei Greenpeace International, in einer offiziellen | |
Stellungnahme. | |
20 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Dakota-Access-Pipeline-in-USA/!5384628 | |
[2] /Orban-Kickl-Meloni-Fico-und-Le-Pen/!6038301 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
## TAGS | |
Energie | |
Greenpeace | |
fossile Energien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Greenpeace | |
Schwerpunkt Klimaproteste | |
USA | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
US-Urteil gegen Greenpeace: Gefährliche Botschaft | |
Auf das Urteil in den USA gegen die Umweltorganisation Greenpeace blicken | |
Aktivsten mit einer Mischung aus Ernüchterung und Aufruf zum Widerstand. | |
Greenpeace-Chef zur 660-Millionen-Strafe: „Wir wussten, dass uns kein gerecht… | |
Ein US-Gericht hat Greenpeace dazu verurteilt, einer Ölfirma hunderte | |
Millionen US-Dollar zu zahlen. Greenpeace-Chef Mads Christensen wehrt sich. | |
US-Urteil gegen Greenpeace: Auf das Recht ist kein Verlass | |
Greenpeace muss wegen Rufschädigung eines Erdölkonzerns eine happige Strafe | |
zahlen. Der Fall zeigt die Risiken des Rechts für die Klimabewegung. | |
Abtreibungsrechte in den USA: Vor dem Ansturm der Schwangeren | |
Im Juni könnte der Supreme Court das Abtreibungsrecht kippen. Dann werden | |
Abbrüche vielerorts unmöglich. Liberal regierte Staaten bereiten sich vor. | |
Umweltschutz in den USA: Die Radikal-Christin | |
Die US-Aktivistin Jessica Reznicek ist gläubig, will die Umwelt bewahren | |
und sabotiert eine Pipeline. Jetzt muss sie in Haft. | |
Nach Aus für US-Pipeline: Zwischen Jubel und Frust | |
Der Stopp der Keystone XL-Pipeline bringt US-Präsident Biden Pluspunkte bei | |
Indigenen und AktivistInnen. Für manche kommt er aber zu spät. |