# taz.de -- Urlaub in Zeiten der Corona-Pandemie: Die zweite Welle droht | |
> In den spanischen Touristenzentren steigen die Corona-Zahlen dramatisch | |
> an. Erste Länder haben für Spanien-Rückkehrer Quarantäne angeordnet. | |
Bild: Abstand einhalten ist kaum möglich am Strand von Barcelona | |
MADRID taz | Fächer, Hüte und andere Andenken gibt es auf der Plaza Mayor | |
von Madrid. Mehr als 30.000 Euro Miete zahlen die Händler für ihre kleinen | |
Läden auf dem großen Platz aus dem 17. Jahrhundert im Zentrum der Stadt. | |
Seit März verkaufen sie kaum etwas, die Touristen bleiben immer noch weg. | |
Ähnlich ist die Situation in Barcelona. Dort haben derzeit nur 80 Hotels | |
geöffnet, nur 25 Prozent aller Unterkünfte, und selbst die sind zu nur 20 | |
Prozent belegt. Besser dürfte es kaum werden. Mehrere Länder warnen vor | |
Reisen nach Spanien oder haben eine Quarantäne für Rückkehrer aus Spanien | |
verordnet. | |
Zunächst hatte Frankreich letzte Woche vor Reisen nach Katalonien gewarnt, | |
dann führte Großbritannien eine Quarantänepflicht von zwei Wochen für alle | |
Reisenden aus Spanien ein. Und auch in Norwegen muss sich 10 Tage lang | |
isolieren, wer aus Spanien kommt. Belgien hat seinen Landsleuten Reisen in | |
die besonders von der Pandemie betroffenen Regionen Lleida in Katalonien | |
und Huesca in Aragón verboten. | |
Die Angst, Urlauber könnten sich in Spanien anstecken und die Pandemie in | |
ihren Herkunftsländern nach der Rückkehr wieder verbreiten, ist mehr als | |
reine Panik. In 30 der 52 Provinzen Spaniens steigen die Infektionszahlen | |
wieder an, in manchen Regionen wie im katalanischen Lleida oder in | |
Saragossa und Huesca in Aragón registrieren die Behörden sogar mehr | |
Ansteckungen als im März oder April. Vergleicht man den aktuellen | |
Lagebericht des spanischen Gesundheitsministeriums mit den Meldungen von | |
vor nur zwei Wochen, ist die Entwicklung drastisch: Meldete das Ministerium | |
am 9. Juli für das gesamte Land eine Ansteckungsrate von 5,3 Neuinfektionen | |
pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, waren es am Freitag | |
23,37. | |
Besonders gravierend ist diese sogenannte kumulative Inzidenz in Aragón mit | |
160,16, in Navarra mit 79,18 und in Katalonien mit 63,14 Neuinfizierten pro | |
100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen. Zum Vergleich: Das | |
Robert-Koch-Institut hat zuletzt am Samstag für ganz Deutschland eine | |
kumulative Inzidenz von 4,0 Fällen gemeldet. | |
Epidemiologen haben vor dieser Entwicklung wochenlang gewarnt. Ildefonso | |
Hernández, Lehrstuhlinhaber für öffentliche Gesundheit an der Universität | |
von Alicante, fragt sich schon, wie er den Behörden sonst noch die | |
Bedeutung der epidemiologischen Dienste klarmachen soll. Er berichtet von | |
unzähligen Appellen an zahlreiche Regionalregierungen, doch nur wenige – | |
etwa Valencia – hätten auf ihn gehört. Nur wer die Kontakte Infizierter | |
nachverfolge, könne die Infektionsherde unter Kontrolle halten und somit | |
die Ausbreitung des Virus verhindern, unterstreicht der Mediziner. | |
## Infektionsketten werden kaum aufgeklärt | |
Dieses Tracking funktioniert in manchen Regionen katastrophal schlecht. | |
Ganze 186 Menschen sind in der Region Madrid damit beschäftigt, das ist | |
umgerechnet auf die Bevölkerung weniger als ein Angestellter der | |
Gesundheitsbehörde pro 50.000 Einwohner. Dabei sind dort den offiziellen | |
Statistiken zufolge so viele mit Covid-19 gestorben wie nirgends sonst, | |
8.450 Menschen. | |
Die katalanischen Behörden versichern, in ihrer Region verfolgten rund 800 | |
Beschäftigte die Kontakte Infizierter. Covid-19-Patienten berichten | |
hingegen, niemand habe sie nach ihrem positiven Test gefragt, mit wem sie | |
in den letzten Tagen zusammen gewesen sind. Dafür hat Katalonien einen Teil | |
der Kontaktnachverfolgung einem Infrastrukturkonzern übertragen. | |
Doch es gibt spanienweit auch große regionale Unterschiede. Einer im | |
Datenportal newtral veröffentlichten Statistik des spanischen | |
Gesundheitsministeriums zufolge wurde in Spanien zwischen dem 11. Mai und | |
dem 15. Juli nur 1 positiver Kontakt pro Infizierten festgestellt, in | |
Katalonien überhaupt keiner, in Valencia hingegen 4. Die andalusischen | |
Gesundheitsbehörden fanden 5 weitere Kontakte, die Behörden auf den | |
Kanarischen Inseln sogar 6. | |
Der spanischen Regierung sind dabei die Hände gebunden. Die Kompetenzen | |
liegen bei den Regionen, sie könnte nur eingreifen, wenn sie erneut den | |
Alarmzustand ausrufen würde, bräuchte dafür aber die Zustimmung des | |
Parlaments. Immerhin: Inzwischen lässt sie Soldaten im Tracking ausbilden. | |
Die Armee hatte bereits Altenzentren desinfiziert, womöglich übernimmt sie | |
bald doch wieder Aufgaben der überforderten regionalen Behörden. | |
Urlauber in Spanien könnten beim Blick auf solche Statistiken versucht | |
sein, sich in Andalusien oder auf den Kanarischen Inseln sicherer zu fühlen | |
als an der Costa Brava. Doch Infektionsherde werden von fast überall | |
gemeldet, und im Urlaubsmonat August erwarten die Behörden zudem die große | |
Reisewelle der Spanier. Von Diskothekenbesuchen wird allgemein abgeraten, | |
ebenso vom Aufenthalt in geschlossenen Räumen, sosehr in der Mittagshitze | |
ein klimatisiertes Restaurant mit geschlossenen Fenstern angenehmer sein | |
mag als die Tische davor. | |
Masken sind mit Ausnahme von Madrid in allen Regionen auch im Freien | |
absolute Pflicht. El País veröffentlichte am Wochenende Empfehlungen für | |
den Urlaub in Zeiten der Pandemie. Sie lassen sich unter den Stichworten | |
Masken und Belüftung zusammenfassen. In den bis auf den letzten Platz | |
gefüllten Flugzeugen sollten Reisende am besten eine FFP2-Maske tragen, | |
heißt es darin. Fahren Leute, die nicht zusammenleben, im selben Auto, | |
sollten sie Masken tragen, sie sollten die Fenster geöffnet halten und | |
weder reden noch singen. | |
26 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Hans-günter Kellner | |
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