# taz.de -- Ungerechte Corona-Billionen in den USA: Konzentration auf die Katas… | |
> Mit seinem Billionen-Hilfspaket für Konzerne inszeniert sich Trump als | |
> Patriot und Krisenmanager. Die US-Bundesstaaten lässt er im Stich. | |
Bild: Emergency Room in Las Vegas: Studierende wollen Obdachlose auf eine Coron… | |
NEW YORK taz | „Bleib gesund“, wünschen sich FreundInnen und Verwandte in | |
diesen Tagen in den USA, wenn sie telefonieren, texten, skypen, zoomen oder | |
facebooken. Aus ihrem verordneten „social distancing“ heraus verflucht die | |
eine Hälfte des Landes Donald Trump, dessen Schlingerkurs die Epidemie noch | |
unberechenbarer und gefährlicher macht, als sie ohnehin ist. | |
Unterdessen verehrt die andere Hälfte den Präsidenten, der von morgens bis | |
abends mit Lügen, Verharmlosungen und persönlichen Attacken im Fernsehen zu | |
sehen ist, wie einen Helden. | |
Aber in einem Punkt sind sich fast alle in dem tief gespaltenen Land einig: | |
Nachdem [1][mehr als 124.000 nachweislich Infizierte] die USA zum meist | |
betroffenen Land der Welt und einem Katastrophengebiet gemacht haben, ist | |
Joe Biden kein Thema mehr. | |
Der Spitzenkandidat der Demokratischen Partei, der im November Trump | |
ablösen will, ist von der Bildfläche verschwunden. Mit ihm ist auch der | |
Vorwahlkampf, der noch bis Anfang des Monats die Schlagzeilen beherrschte, | |
in Vergessenheit geraten. | |
## Billionen-Paket für die Wirtschaft | |
Dabei hat mehr als die Hälfte der Bundesstaaten noch gar nicht gewählt. Von | |
ihnen haben drei Bundesstaaten auf Briefwahl umgestellt. Mindestens 13 | |
weitere, darunter New York, haben ihre Vorwahlen verschoben. | |
Die Konzentration auf die Katastrophe, die alle anderen politischen Themen | |
verdrängt, hat ihren bisherigen Höhepunkt Ende vergangener Woche erreicht, | |
als beide Kammern im US-Kongress das größte je dagewesene Rettungspaket der | |
US-Geschichte verabschiedeten. | |
[2][Es sieht 2,2 Billionen Dollar] (rund 2 Billionen Euro) vor, um die | |
US-Wirtschaft in den nächsten Wochen und Monaten über Wasser zu halten. Es | |
ist ein Bekenntnis zum Status quo. Besonders großzügig bedenkt das Paket | |
die Säulen des US-Kapitalismus. | |
Für große Konzerne sind Hilfen in Höhe von 500 Milliarden Dollar | |
vorgesehen. Massive Steuererleichterungen für Konzerne kommen hinzu. Über | |
die Verteilung dieses Geldsegens hat der Kongress nur minimale Kontrolle. | |
## Die große Welle kommt erst noch | |
Für kleine Unternehmen sind Hilfen in Höhe von 377 Milliarden Dollar | |
vorgesehen. Die große Mehrheit der individuell betroffeneren | |
US-AmerikanerInnen hingegen bekommen in dem Paket nur rund 560 Milliarden | |
Dollar. Unter anderem enthält diese Summe eine einmalige Zahlung von | |
maximal 1.200 Dollar pro Person. Sowie die Möglichkeit, die Rückzahlung von | |
Studienschulden in bestimmte Fällen vorübergehend auszusetzen. | |
Für die schon jetzt mehr als 3,2 Millionen Beschäftigten, die in den | |
zurückliegenden Tagen ihre Arbeit verloren haben, stehen für eine | |
Übergangszeit je 600 Dollar pro Woche zusätzlich zu anderen Leistungen | |
bereit. | |
Aber für den öffentlichen Gesundheitssektor sieht das Gesetz nur 153,5 | |
Milliarden Dollar vor, davon 100 Milliarden für Krankenhäuser. Dabei fehlt | |
es in den Krankenhäusern an fast allem: von den nötigen Bettenkapazitäten – | |
insbesondere Intensivbetten – über Beatmungsgeräte bis hin zu Masken und | |
Schutzkleidung für das medizinische Personal. | |
In den USA hat der Andrang von Schwerkranken auf die Krankenhäuser gerade | |
erst begonnen. In den bislang am schwersten betroffenen Bundesstaaten, | |
darunter New York, Louisiana und Kalifornien, wird die große Welle von | |
Schwerkranken erst in den nächsten Tagen und Wochen in die Krankenhäuser | |
kommen. | |
## Ungerechte Verteilung | |
Bevor das Paket in aller Eile geschnürt wurde, hatte Trump wochenlang den | |
Kopf in den Sand gesteckt. Während er behauptete, „wir haben nur fünf | |
Betroffene und es wird alles großartig werden“ und „wir haben das Problem | |
total unter Kontrolle“, verloren die USA wertvolle Zeit, in der sie weder | |
auf Covid-19 testeten noch das dringend nötige Material für die | |
Krankenhäuser beschafften. | |
Erst nachdem Mitte März die New Yorker Börse abstürzte und die | |
VertreterInnen von Wall Street und Industrie im Weißen Haus vorstellig | |
wurden, ging alles ganz schnell. | |
[3][„Es ist für die Arbeiter“, sagte die Chefin des Abgeordnetenhauses, die | |
Demokratin Nancy Pelosi]. Wie andere DemokratInnen aus der Parteimitte | |
beschrieb sie das Paket als sozial gerecht. Eine Handvoll RepublikanerInnen | |
war indes gegen das Paket, weil sie befürchteten, die Entschädigungen | |
würden Beschäftigte zur Faulheit animieren. | |
Bei dem Run auf ein großes und schnell geschnürtes Paket konnten sich die | |
linken KritikerInnen der ungleichen Verteilung nur wenig Gehör verschaffen. | |
## Kritik am Hilfspaket | |
Senator Bernie Sanders, neben Biden der zweite im Rennen verbliebene | |
demokratische Präsidentschaftskandidat, verlangte vergeblich die Anhebung | |
der einmaligen Zahlung an Individuen auf 2000 Dollar und einen nationalen | |
Stopp von Räumungsklagen. Nach der Finanzkrise von 2007/08 hatten Millionen | |
von US-AmerikanerInnen ihre Häuser durch Räumungsklagen verloren. | |
Die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez beklagte, dass Abgeordnete | |
wegen der Massenarbeitslosigkeit unter extremem Druck standen, das | |
Hilfspaket anzunehmen. Aber sie nannte [4][es „eine Schande“. | |
Ocasio-Cortez]: „Es ist eines der größten Rettungsprogramme für Konzerne. | |
Und es hat die geringsten Auflagen. Das ist falsch.“ | |
Als Trump das Gesetz am Freitag unterschrieb, benutzte er seinen | |
nationalistischen Slogan „America first“. Er dankte beiden Parteien, weil | |
sie zusammengekommen seien, um „Amerika an die erste Stelle zu setzen“. | |
Aber während seiner Unterschriftzeremonie waren nur RepublikanerInnen im | |
Raum. Trumps Freunde – ausschließlich weiße und mehrheitlich männliche | |
Parteimitglieder – standen dabei in einer für die Zeiten des „social | |
distancing“ bedenklichen Nähe Schulter an Schulter hinter ihm. | |
## Trump erschwert Hilfe für Bundesstaaten | |
Gleichzeitig setzte Trump seine Attacken gegen demokratische | |
GouverneurInnen fort. An die Adresse des New Yorker Gouverneurs Andrew | |
Cuomo, dessen Bundesstaat nach Auskunft der ExpertInnen schon in dieser | |
Wochen mindestens 30.000 zusätzliche Beatmungsgeräte benötigt, um alle | |
schwerkranken PatientInnen behandeln zu können, sagte Trump, er habe das | |
„Gefühl“, New York brauche nicht so viele Geräte. | |
Am Wochenende droht er New York zusätzlich mit einer „Quarantäne“. Erst | |
nachdem Cuomo sagte, das sei [5][„lächerlich“ und „antiamerikanisch“],… | |
Trump seine Drohung zurück. | |
Auch der demokratischen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, | |
erschwerte Trump die Vorbereitung der Katastrophenhilfe. Whitmer erfuhr von | |
Lieferanten, bei denen sie Material für die Behandlung von | |
Covid-19-PatientInnen bestellt hatte, dass die in Washington angewiesen | |
worden waren, ihr „das Zeug“ nicht zu liefern. | |
In den Vorwochen, als die GouverneurInnen Washington um Hilfe anflehten, | |
hatte Trump immer wieder gesagt, nicht er, sondern sie seien verantwortlich | |
für die Ausstattung mit medizinischem Material. Sie sollten es sich selbst | |
besorgen. [6][Damit löste er einen Preiskrieg auf einem Markt mit einem | |
viel zu knappen Angebot aus]. Zusätzlich überbot dabei auch noch die | |
Bundesregierung die Gebote der GouverneurInnen. | |
## Anordnungen zu „sozialistisch“? | |
Mithilfe des Gesetzes zur Produktion von Verteidigungsgütern (Defense | |
Production Act) hätte Trump die Industrie dazu zwingen können, das dringend | |
nötige medizinische Material herzustellen, das weder in den USA noch auf | |
dem Weltmarkt erhältlich war. Doch er lehnte das lange ab. Argumentierte, | |
die USA seien „nicht sozialistisch“, und verwies auf die | |
Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft. | |
Erst am Samstag, als in manchen Krankenhäusern im Bundesstaat New York | |
bereits zwei schwerkranke PatientInnen sich ein Beatmungsgerät teilen | |
mussten, [7][ordnete der US-Präsident per Tweet an], dass General Motors | |
Beatmungsgeräte herstellen soll. | |
Für Trump ist das Virus eine Möglichkeit, Bundesstaaten gegeneinander | |
auszuspielen. Bislang trifft die Epidemie vor allem Großstädte und | |
Bundesstaaten mit demokratischen Regierungen, in denen er bei den Wahlen im | |
November ohnehin keine Chance auf eine Mehrheit hat. | |
In dem dünn besiedelten „Fly-Over-Country“ (deutsch etwa: Überflugland) | |
zwischen den Küsten, in dem große Teile von Trumps Basis leben und wo die | |
Informationen fast ausschließlich von Trumps bevorzugtem Sender Fox News | |
und von konservativen Talk-Radios kommen, ist die Epidemie noch nicht | |
massiv angekommen. | |
## Troll-Angriffe auf Fauci | |
Dort – und anderswo an der Trump Basis – blühen die Verschwörungstheorien. | |
In ihnen ist das Virus – wie oft von Trump behauptet – „ausländisch“ o… | |
„chinesisch“. Und in ihnen ist die Idee zentral, es sei absichtlich in die | |
Welt gesetzt worden. | |
Zuletzt ist auch Anthony Fauci ins Visier der rechten Trump-Basis geraten. | |
Der führende Immunologe und Chef des [8][National Institute of Allergy and | |
Infectious Diseases], der vor Trump sowohl demokratische als auch | |
republikanische Präsidenten beraten hat, musste in den zurückliegenden | |
Wochen immer wieder Trumps Halbwahrheiten korrigieren. | |
[9][Die New York Times hat mehr als 70 Twitter-Konten gefunden], die ihn | |
mit dem Hashtag #FauciFraud mit bis zu mehreren Hundert Tweets pro Tag | |
attackieren. Unter anderem werfen sie ihm vor, dass er Anfang des letzten | |
Jahrzehnts in einer E-Mail die damalige Außenministerin Hillary Clinton | |
gelobt hat. | |
Auf demokratischer Seite hat Spitzenkandidat Biden erklärt, er wolle das | |
Virus nicht politisieren. Aber zwischen Trumps Propagandakrieg auf der | |
einen Seite und den zahlreichen Initiativen zu tiefgreifenden Reformen im | |
Gesundheitswesen und Spendenaufrufen für Coronavirus-Betroffene seines | |
Gegenspielers Sanders auf der anderen Seite ist Biden kaum noch vernehmbar. | |
## Wahlkampf im Ausnahmezustand | |
Im Gegensatz zu Sanders, der eine weitere TV-Debatte mit ihm wünscht, will | |
Biden auch der Politisierung auf demokratischer Seite ausweichen. | |
„Wo ist Biden?“, fragen linke WählerInnen. Unterdessen bereitet der | |
ehemalige Vizepräsident schweigend in seinem Heimatbundesstaat Delaware ein | |
Duell vor, für das alle Regeln neu erfunden werden müssen. | |
Es wird ein Wahlkampf in einem Land im Katastrophenzustand. Es gibt keine | |
Versammlungen. Und der Gegner ist ein Präsident mit Notstandsvollmachten, | |
der rund um die Uhr im Fernsehen ist. | |
30 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://coronavirus.jhu.edu/map.html | |
[2] /USA-Zwei-Billionen-Dollar-gegen-Corona/!5674160&s=usa+fox+trump/ | |
[3] https://www.realclearpolitics.com/video/2020/03/25/pelosi_coronavirus_relie… | |
[4] https://www.realclearpolitics.com/video/2020/03/27/aoc_on_what_republicans_… | |
[5] https://www.inquirer.com/health/coronavirus/coronavirus-covid-trump-suggest… | |
[6] /Coronakrise-in-USA/!5670798/ | |
[7] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1243559373395410957?s=20 | |
[8] https://www.niaid.nih.gov/ | |
[9] https://www.nytimes.com/2020/03/28/technology/coronavirus-fauci-trump-consp… | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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