# taz.de -- Umgang mit Rassismus: Wenn das Gesetz nicht schützt | |
> Das Recht schützt von Rassismus Betroffene eher schlecht. Daher braucht | |
> es mündige Bürger*innen, die bei Ausfällen einschreiten. | |
Bild: Sylterin gegen Rassismus, Mahnwache am 26.5 | |
Die Sonne knallt, das Bier fließt, und es wird gegrölt und gezeigt, was | |
tief im Herzen sitzt: „Ausländer raus!“, gefolgt vom strafrechtlich | |
verbotenen Hitlergruß. Selbst im schillernden [1][Urlaubsparadies Sylt | |
brechen rassistische Gedanken hervor]. Sie fliegen wie giftige Pfeile auf | |
offene Wunden. Worte, die Alltag für Menschen mit Migrationsgeschichte in | |
Deutschland sind, zufällig aufgenommen und vervielfältigt. | |
Nur Tage später stimmen im Internat Louisenlund Schüler:innen auf | |
einer Party in den Hassgesang ein. Nach dem Hessenpokalfinale kursiert ein | |
Video, auf dem ein Fan der Kickers Offenbach den Hitlergruß zeigt. | |
Die Debatte dreht sich nun um mögliche rechtliche [2][Konsequenzen für die | |
Täter:innen]. Doch [3][wer schützt die Opfer]? Deutschland hat eines der | |
schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa. Das sogenannte | |
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll seit Jahren umfassend reformiert | |
werden. Eine Novelle war von der Ampelkoalition angekündigt, aber passiert | |
ist – nichts. Ein Gesetz ohne Zähne. | |
In Berlin existiert das Landesantidiskriminierungsgesetz, das vor | |
Diskriminierung durch den Staat schützt. Ein kleiner Lichtblick, wenn zum | |
Beispiel die Polizei diskriminiert. Aber wer schützt vor freien Gedanken, | |
die sich in giftige Worte verwandeln? Gedanken, die sich in unserer | |
Gesellschaft einnisten, werden zu Worten, die verletzen, und dann zu Taten, | |
die töten. Wir schauen zu, bestenfalls empört, oft gleichgültig. Dabei sät | |
die Gesellschaft schon seit Jahren dieses braune Unkraut. | |
Auch das Strafrecht als schärfstes Schwert des Rechtsstaats ist in erster | |
Linie kein Präventions-, sondern ein Repressionsmittel. Das Strafrecht hat | |
nicht geholfen, als die Opfer von Hanau rassistisch motiviert getötet | |
wurden. Im Rahmen des Strafrechts wurde gegen die Polizei ermittelt, aber | |
der Fall ist mittlerweile zu den Akten gelegt. | |
## Den Mund aufmachen | |
Wachsamkeit? Sicher. Aber was wir gesellschaftlich brauchen, ist die | |
Bereitschaft, die Komfortzone zu verlassen und den Kampf gegen Rassismus | |
und Antisemitismus ernsthaft aufzunehmen; den Mund aufzumachen, wenn wir | |
Ungerechtigkeit hören oder sehen; die Hand zu reichen, wenn jemand Hilfe | |
braucht. Und ja, es fängt bei uns an. Bei unseren Gedanken. Bei unseren | |
Worten. Bei unseren Taten. | |
Denn wenn wir das nicht tun, wird es auch in diesem Fall nicht bei Worten | |
und strafbaren Gesten bleiben. Wir werden weitere Taten sehen. Taten, die | |
Leben zerstören und die Gesellschaft weiterspalten. Die Zeit zu handeln ist | |
jetzt. Die Sonne knallt, Schlager laufen, und wir müssen aufstehen und | |
etwas ändern, bevor das Grölen, das tief im Herzen sitzt, ins Echo der | |
Geschichte einstimmt. | |
2 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Farnaz Nasiriamini | |
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