# taz.de -- Umgang mit Geflüchteten in Coronakrise: Solidarität oder Scham | |
> Das derzeit viel bemühte Kümmern um das Wohl Anderer endet bei den | |
> Geflüchteten in Sammelunterkünften. Dabei brauchen gerade sie unsere | |
> Hilfe. | |
Bild: Infektionsgefahr im Sechsbettzimmer: Asylbewerberunterkunft in Schleswig-… | |
Eine „konsequente Einhaltung der Kontaktbeschränkungen rettet Leben“. | |
Dieser Appell prangte Anfang der Woche über einer Pressemitteilung des | |
Bundesinnenministeriums. Von [1][Solidarität ist dieser Tage viel die | |
Rede], Abstand halten das Gebot der Stunde. Was aber ist mit Menschen, die | |
gerne Abstand halten würden – es aber nicht können? | |
Zum Beispiel, weil sie in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete leben, | |
sich zu fünft oder zu sechst ein Zimmer teilen, von Waschräumen gar nicht | |
zu reden? Auch nur eine einzige Infektion in einer solchen Einrichtung kann | |
bedeuten, dass sämtliche Bewohner*innen in Quarantäne müssen. In | |
Halberstadt betrifft das derzeit über 800 Menschen. | |
Das Virus unterscheidet nicht, heißt es. Es bedroht uns alle. Wir alle | |
müssen die Kurve niedrig halten, heißt es. Um das Gesundheitssystem nicht | |
zu überlasten. Damit nicht Kapazitäten darüber entscheiden, wer behandelt | |
werden kann und wer nicht. Wer gerettet wird. | |
Und doch sitzen in Flüchtlingsunterkünften Hunderte Menschen | |
gezwungenermaßen eng aufeinander. Teils werden nicht einmal diejenigen, die | |
zu einer Risikogruppe gehören, separiert. Stattdessen sehen sich | |
kriegstraumatisierte Menschen plötzlich Polizeibeamten gegenüber, die mal | |
in weiße Schutzanzüge gehüllt in der Unterkunft anrücken, mal Gitterzäune | |
um diese herum aufbauen. | |
Die Forderung, Sammelunterkünfte abzuschaffen und geflüchtete Menschen | |
dezentral in den Kommunen unterzubringen, ist wohl so alt wie | |
Sammelunterkünfte selbst. Nicht zuletzt weil sich in so großen Gruppen von | |
Menschen Krankheiten immer schnell verbreiten. Das Problem ist hausgemacht | |
und wurde bewusst hingenommen. | |
Jetzt muss aber schnell gehandelt werden. Im ganzen Land stehen derzeit | |
Hunderttausende Hotelzimmer leer. So viele, dass es ein Leichtes wäre, | |
Geflüchtete aus den Sammelunterkünften dort in kleineren Gruppen | |
einzuquartieren – was dazu noch den Hoteliers durch die Krise helfen | |
dürfte. | |
Was fehlt, ist der politische Wille. Das muss sich ändern, und zwar sofort. | |
Alles andere hieße: Es geht eben nicht darum, alle Menschen gleichermaßen | |
vor dem Virus zu schützen. Dass sich Geflüchtete anstecken, nimmt dieses | |
Land billigend in Kauf – solange ein Zaun sie vom Rest der Welt abriegelt. | |
Wenn aber [2][unsere Solidarität mit dem Aufenthaltstitel endet], dann | |
sollten wir uns schämen, das Wort je wieder zu benutzen. | |
2 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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