# taz.de -- Ukraine-Krise trifft Getreidemarkt: Die Macht des Brotpreises | |
> Die Sorge um eine Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der | |
> Ukraine treibt weltweit die Getreidepreise – mit politischen Folgen. | |
Bild: Die Preise steigen: Importiertes Korn aus Kanada in einem chinesischen Ha… | |
BERLIN taz | Lebensmittel sind aktuell so teuer wie zuletzt im Jahr 1974. | |
Damals wie heute ist das zum Teil dem Ölpreis geschuldet: 1973 verhängte | |
das Ölkartell Opec ein Ölembargo, und heute ist Öl wegen der | |
Marktturbulenzen infolge der Coronapandemie teuer. [1][Aktuell kommt noch | |
der hohe Gaspreis dazu]. | |
Dieser verteuert die Herstellung von Dünger. Zudem hat Russland für die | |
Monate Februar und März ein Exportverbot für Ammoniumnitrat verhängt, einen | |
Bestandteil von Stickstoffdünger. Dies ist besonders gravierend, weil | |
Russland bei Dünger einen Weltmarktanteil von knapp zwei Dritteln hat. Doch | |
die Preise könnten noch deutlich höher steigen, falls Russland in die | |
Ukraine einmarschiert oder eine Seeblockade verhängt. | |
In Europa dürften insbesondere Speiseöle teurer werden oder sogar knapp. | |
Die EU bezieht ein Viertel des Speiseöls aus der Ukraine. Das Land ist der | |
weltgrößte Exporteur von Sonnenblumenöl und liegt bei Rapsöl auf Platz | |
zwei. Die EU hätte hingegen keine größeren Schwierigkeiten, einen Wegfall | |
der Weizen- und Maisexporte auszugleichen. Auch hier zählt die Ukraine zu | |
den größten Exporteuren und liegt bei Weizen auf Platz drei und bei Mais | |
auf Platz vier der Weltrangliste. | |
Die EU importiert allerdings nur einen sehr kleinen Teil dieser Produkte | |
aus der Ukraine. Anders sieht das in vielen anderen Ländern aus. Der | |
Libanon importiert die Hälfte des Weizenbedarfs aus der Ukraine. Auch | |
Libyen (43 Prozent), Malaysia und Indonesien (je 28 Prozent), der Jemen (22 | |
Prozent), Bangladesch (21 Prozent) und Ägypten (14 Prozent) beziehen einen | |
großen Anteil ihres Weizens aus der Ukraine. | |
## Lieferungen aus der Ukraine haben Gewicht | |
Falls die Ukraine als Exporteur ausfallen sollte, würde davon insbesondere | |
ein Land profitieren: Russland ist der wichtigste Exporteur von Weizen | |
weltweit und könnte wohlgeneigte Länder beim Export bevorzugen. Bei Mais | |
sind zwar die USA der weltgrößte Exporteur, auf den weiteren Plätzen folgen | |
allerdings Argentinien und Brasilien, und [2][in diesen beiden Staaten | |
herrscht derzeit Dürre], was bereits für die aktuell hohen | |
Lebensmittelpreise mitverantwortlich ist. Daher wäre auch hier der Wegfall | |
der ukrainischen Exporte auf dem Weltmarkt sofort spürbar. | |
Eine russische Invasion in die Ukraine könnte so weltweit – auch wieder | |
politische – Folgen haben. Einer der Gründe für den Beginn des Arabischen | |
Frühlings im Jahr 2010 waren die damals sehr hohen Preise für Lebensmittel. | |
Sollten die aktuell schon hohen Preise noch weiter steigen, könnte es daher | |
in manchen Ländern zu Unruhen kommen. | |
In Deutschland mit 10 Prozent der Haushaltsausgaben für Lebensmittel wären | |
die Folgen weniger dramatisch. Doch auch hier sind Lebensmittel für einen | |
großen Teil der Inflation verantwortlich: Im Schnitt waren sie 2021 8,8 | |
Prozent teurer als 2020. Und der Anstieg geht weiter: Im Dezember waren die | |
Preise um 22,1 Prozent höher als im Vorjahr. Der Jahresdurchschnittswert | |
dürfte weitersteigen – auch ohne Krieg in der Ukraine. | |
15 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Müller | |
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