# taz.de -- Überwachung bei den Olympischen Spielen: Die Corona-App hört mit | |
> Bei der Olympia-App My2022 sind neue Sicherheitslücken entdeckt worden. | |
> Sie verstärken die Ängste akkreditierter Personen vor den Behörden in | |
> China. | |
Bild: Offensichtliche Überwachung: ein Sicherheitsbeamter im Medienzentrum der… | |
PEKING taz | In China werden bereits seit über anderthalb Jahren sämtliche | |
Corona-Informationen wie Impfstatus und Reiseprotokoll in einer | |
Gesundheits-App gespeichert. Diese muss man in Peking längst auch beim | |
bloßen Supermarktbesuch vorzeigen. | |
Was in China zum Alltag gehört, löst bei vielen internationalen Teilnehmern | |
der Olympischen Winterspiele Ängste aus. Sie sind dazu verpflichtet, die | |
[1][App My2022] auf ihren Geräten zu installieren. Die Olympia-Anwendung | |
fürs Smartphone enthält nicht nur relevante Informationen rund um die | |
Spiele, sondern wird auch zum Eintragen der täglichen | |
Körpertemperaturmessungen und der PCR-Testergebnisse verwendet. | |
Was zunächst harmlos klingt, wurde bereits vor über einer Woche von den | |
Forscherinnen und Forschern des renommierten Citizen Lab aus Toronto als | |
hochproblematisch angeprangert: Die Verschlüsselung der Daten sei | |
mangelhaft, Sprachnachrichten nicht sicher. | |
So könnten persönliche Daten von chinesischen Internetprovidern oder | |
Telekommunikationsunternehmen über die Wifi-Hotspots in den Hotels, | |
Flughäfen oder den olympischen Einrichtungen ausgelesen werden. Und | |
überhaupt sei ohnehin nicht transparent, wer genau über Zugriff auf die | |
Personendaten verfügt. Besonders heikel: Die App soll auch eine Liste mit | |
potenziellen Triggerwörtern enthalten, um die Zensurbehörden zu warnen – | |
darunter etwa „Xinjiang“ oder „Tibet“. | |
Laut Citizen Lab würde die App daher möglicherweise gegen die Regeln der | |
App-Stores von Google und Apple verstoßen sowie auch gegen Chinas eigene | |
Datenschutzgesetze. Das Internationale Olympische Komitee (IOK) hat die | |
mediale Kritik weitgehend als haltlos abgetan. Man habe schließlich für die | |
My2022-App die offizielle Erlaubnis der App-Stores von Google und Apple | |
erhalten. Zudem sei sie ein wichtiger [2][Bestandteil der Covidbekämpfung] | |
während der Spiele. | |
## Reserve Engeneering | |
Doch nun hat ein IT-Experte aus Texas die Smartphone-Anwendung in sämtliche | |
Einzelteile auseinandergenommen und sich auch den Code genauer angeschaut. | |
„Reverse Engineering“ nennt man das in der Fachsprache. Und was Jonathan | |
Scott während seiner Untersuchung vorfand, hat ihn laut eigener Aussage | |
dann doch „überrascht“: Die App verwende nachweislich Technologie des teils | |
staatlichen Unternehmens iFlytek, das von Washington auf die schwarze Liste | |
gesetzt wurde. | |
Denn die Firma aus dem zentralchinesischen Hefei soll aktiv dabei | |
mithelfen, Chinas Überwachung der muslimischen Minderheit der Uiguren in | |
Xinjiang zu unterstützen. Dort unterhält die Volksrepublik ein System aus | |
politischen Umerziehungslagern, das laut Schätzungen von | |
Menschenrechtsorganisationen bereits mehrere Hunderttausend Muslime – | |
möglicherweise über eine Million – durchlaufen mussten. | |
Zudem hat auch Scott nachgewiesen, dass sämtliche Audioaufnahmen der | |
Olympiateilnehmer mit der App „gesammelt und analysiert“ werden können. | |
Doch die Nutzer der App-Stores werden darauf trotz anders lautender | |
Bestimmungen nicht hingewiesen. Dies ist ein grobes Vergehen. Handelt es | |
sich dabei um Fahrlässigkeit oder absichtliche Spionagelücken? Hacker Scott | |
kann das nicht nachweisen. | |
Doch er sagt: „Die Erwartung, dass China ohnehin Spyware entwickelt, ist so | |
weit verbreitet, dass viele Journalisten und Forscher bereits abgestumpft | |
gegenüber solch schwerwiegenden Vergehen der App sind.“ Diese solle man | |
auf jeden Fall ernst nehmen. Immerhin muss, wer zu den Spielen reist, | |
Bilder des Reisepasses sowie des Personalausweises hochladen. | |
Verschiedene nationale olympische Komitees nahmen die Sache bereits ernst: | |
Die Niederlande haben ihre Athletinnen angewiesen, private Telefone für | |
Peking zu Hause zu lassen. Auch das britische Olympiateam hat die | |
Teilnehmer der Spiele davor gewarnt, eigene Geräte in Peking zu nutzen. Der | |
Deutsche Olympische Sportbund empfiehlt, die App nur im Flugmodus zu | |
nutzen. | |
28 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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