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# taz.de -- Überwachung bei Olympischen Spielen: App jetzt nicht mehr frei
> Unter deutschen Olympiakadern wächst die Angst, sich Chinas Apparat zu
> sehr auszuliefern. Sie bleiben in ihrer Kritik aber indifferent.
Bild: Wachsende Befürchtungen: Ramona Hofmeister traut dem Olympiaausrichter P…
Okay, es sind die Olympischen Spiele. Aber es sind eben auch die
Olympischen Spiele in China. Immer mehr Athleten beschleicht ein mulmiges
Gefühl, wenn sie an die Reise nach Peking denken. Sie begeben sich dort in
ein geschlossenes System der Gesundheits- und Bewegungsüberwachung. All
jene, die sich den Usancen der Olympiamacher unterwerfen, Sportlerinnen,
Berichterstatter, Dienstleister, sind angeschlossen an ein digitales
System, das sich „My2022“ nennt.
[1][Laut Untersuchungen des Citizen Lab], eines Instituts an der Munk
School of Global Affairs der Uni Toronto, hat My2022 einen „einfachen, aber
gravierenden Fehler“, der sensible Informationen der Benutzer dem Risiko
eines Hackerangriffs aussetzt. Außerdem ist der App eine noch inaktive
Schlagwortliste beigefügt, die unbotmäßige Kommunikation über Tibeter,
Uiguren oder das Massaker am Tiananmen-Platz herausfiltern könnte.
Yang Shu, Mitglied des Pekinger Organisationskomitees, hat die anreisenden
Athleten schon einmal vorgewarnt, dass China bei diesen Dingen nicht spaßen
werde: „Ich bin mir sicher, dass jede Äußerung, die dem olympischen Geist
entspricht, geschützt wird“, sagte er auf einer Pressekonferenz, „jedes
Verhalten oder jede Rede, die gegen den olympischen Geist gerichtet ist,
insbesondere gegen die chinesischen Gesetze und Vorschriften, unterliegt
ebenfalls bestimmten Strafen.“ Das darf man als unverhohlene Drohung
verstehen.
## Universale Vernetzung
Athleten Deutschland hat allen Olympioniken geraten, eigene technische
Geräte – nicht aber ihren kritischen Verstand – zuhause zu lassen, das
Equipment könnte ausspioniert werden; sichere Smartphones sollen verteilt
werden. Aber wer lässt schon sein Smartphone in Deutschland? Es ist ohnehin
das Mittel der Wahl, um schnell Zugang zu Sporthallen oder dem Olympischen
Dorf zu bekommen. My2022 als Tool der universalen Vernetzung ist gekoppelt
ans Internet.
Wer mitmachen will, muss sich nicht nur dem Regime der Ringe unterwerfen,
sondern auch dem des Xi Jinping, Chinas allmächtigem KP-Chef. Sportlerinnen
wie zuletzt die Snowboarderin Ramona Hofmeister fühlen zunehmend, wie sehr
sie sich in eine Schraubzwinge des Autoritären begeben – wenngleich sie in
den vergangenen zwei Jahren in Deutschland auch ein wenig desensibilisiert
wurden. Die Mitfavoritin befürchtet nicht politische Willkür, sondern
medizinische.
Die Corona-Tests könnten von den Chinesen in beliebiger Weise manipuliert
werden. „Wir können einfach aus dem Wettkampf genommen werden“, sagt die
Wintersportlerin, die 2018 in Pyeongchang die olympische Bronzemedaille im
Parallel-Riesenslalom gewonnen hat: „Wenn wir durch einen vermeintlich
positiven Test rausgezogen werden, sind wir aufgeschmissen und können
nichts mehr machen.“
[2][Die PCR-Tests gelten zwar als „Goldstandard“] der Viruserkennung, doch
wenn die ursprünglich durch Rachenabstrich gewonnenen RNA-Fragmente zu oft
vermehrt werden, also exponentiell etwa bis zu 40-mal, dann kommt es
gehäuft zu Fehlern, falsch-positiven Ergebnissen. Die gleiche Befürchtung
äußerte neulich der Alpin-Sportdirektor Wolfgang Maier. Wenn die CT-Werte
(englisch: Cycle Threshold) so hoch seien, müsse man erwarten, dass
Athleten, die eigentlich gesund sind, in eine unnötige Quarantäne gezwungen
werden (Grüße an die deutschen Handballer!).
Maier und Hofmeister haben Recht. Ihre Kritik trifft einen wunden Punkt das
Virus-Monitoring. Ihre Einwände kommen aber reichlich spät. Denn auch
hierzulande war lange Zeit unklar und intransparent, nach welchen Kriterien
Labore vorgehen. Manche teilten Corona-Positiven die CT-Werte mit, andere
nicht. China mit großer Skepsis zu betrachten, ist wichtiger denn je. Aber
die Kritik darf nicht wohlfeil und unidirektional sein.
21 Jan 2022
## LINKS
[1] https://citizenlab.ca/2022/01/cross-country-exposure-analysis-my2022-olympi…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Polymerase-Kettenreaktion
## AUTOREN
Markus Völker
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