# taz.de -- UN-Resolution zum Nahostkonflikt: Neue Positionsbestimmung | |
> Der Sicherheitsrat beschließt eine Resolution, die eine Pause in den | |
> Kampfhandlungen und eine Freilassung der Geiseln fordert. Die USA | |
> enthalten sich. | |
Bild: Nicht alle Hände: Abstimmung im Sicherheitsrat am 15. November über die… | |
BERLIN taz | Mit 12 Ja-Stimmen bei 3 Enthaltungen hat der | |
[1][UN-Sicherheitsrat] in der Nacht zum Donnerstag eine [2][Resolution zum | |
Gazakrieg verabschiedet] – die erste seit dem Massaker der Hamas an | |
israelischen Zivilist*innen am 7. Oktober. | |
In dem kurzen Text werden drei Dinge gefordert: Erstens sollen alle | |
Kriegsparteien davon absehen, die Zivilbevölkerung von lebensnotwendiger | |
Versorgung abzuschneiden. Zweitens humanitäre, mehrtägige Feuerpausen bei | |
gleichzeitiger Einrichtung von sicheren Korridoren für Hilfs- und | |
Versorungslieferungen. Und drittens die sofortige und bedingungslose | |
Freilassung der von der Hamas verschleppten [3][Geiseln]. | |
In der Resolution wird das Massaker der Hamas vom 7. Oktober nicht | |
verurteilt, wie es die USA gefordert hatten. Mit dieser Begründung | |
enthielten sich die USA und Großbritannien bei der finalen Abstimmung über | |
die von Malta eingebrachte Vorlage – sahen aber davon ab, sie durch ein | |
Veto zu blockieren. | |
Russland hatte zu Beginn der Sitzung noch einen Zusatz in die Resolution | |
aufnehmen wollen. Damit sollte ein dauerhafter Waffenstillstand gefordert | |
werden, ganz so, wie es auch in der [4][Ende Oktober mit großer Mehrheit | |
von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Resolution] formuliert ist. | |
Dafür plädierte auch der Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde, | |
die – genau wie Israel – zwar nicht Mitglied des Sicherheitsrats ist, aber | |
zur Sitzung geladen wurde. Palästina ist zwar nicht UN-Mitglied, die | |
Autonomiebehörde hat aber seit 2012 einen Beobachterstatus bei den | |
Vereinten Nationen. | |
Der Sicherheitsrat, sagte der palästinensische Vertreter Riyad Mansour, | |
„hätte den Ruf der Vereinten Nationen und aller Hilfsorganisationen der | |
Welt nach einem humanitären Waffenstillstand aufnehmen müssen. Zumindest | |
hätte er sich die Forderung der Generalversammlung nach einer sofortigen | |
und dauerhaften humanitären Waffenruhe mit dem Ziel der Einstellung der | |
Feindseligkeiten“ zu eigen machen müssen, sagte Mansour. | |
Dafür fand sich im Sicherheitsrat allerdings keine Mehrheit, die Vetomacht | |
USA stimmte dagegen – demonstrativ enttäuscht enthielt sich daraufhin auch | |
Russland bei der schlussendlichen Abstimmung. | |
## Feuerpausen, kein Waffenstillstand | |
Die geforderten humanitären Feuerpausen unterscheiden sich von einem | |
Waffenstillstand dadurch, dass sie lediglich für eine bestimmte Zeit auf | |
einem bestimmten Gebiet Schutz bieten, während ein Waffenstillstand, so | |
vereinbart, in der Regel den Weg zu Verhandlungen über Modalitäten eines | |
dauerhaften Kriegsendes ebnen soll. | |
Resolutionen des Sicherheitsrats sind formell sofort völkerrechtlich | |
bindend. Nur heißt das nicht viel, wenn es keine allgemeine Bereitschaft | |
gibt, auf die betroffenen Staaten oder Kriegsparteien auch Druck auszuüben. | |
Grundsätzlich wären jetzt alle UN-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alles | |
dafür zu tun, dass die Resolution auch umgesetzt wird. So forderten es am | |
Donnerstag auch humanitäre Organisationen. | |
Aber dass etwa Katar oder der Iran nunmehr ernsthaft auf die Hamas | |
einwirken, sich nicht mehr hinter Zivilist*innen zu verstecken und ohne | |
Gefangenenaustausch die Geiseln freizugeben, ist genauso unrealistisch wie, | |
dass die USA Israel die militärische Unterstützung versagen würden, wenn | |
die Netanjahu-Regierung nicht sofort einer Feuerpause zustimmt und | |
Hilfsorganisationen und -güter im großen Stil in den Gazastreifen lässt. | |
Gleichwohl ist die Resolution eine Positionsbestimmung – was jetzt gerade | |
passiert, sagt das höchste internationale Gremium, darf so nicht | |
weitergehen. | |
Die US-Regierung, die sonst ihr Vetorecht im Sicherheitsrat fast immer | |
ausnutzt, um Resolutionen zu verhindern, die der Regierung in Israel nicht | |
gefallen, hat diese Entschließung passieren lassen. Und US-Präsident | |
[5][Joe Biden] trat am Mittwoch in Washington vor die Presse und betonte | |
die Notwendigkeit, jetzt aber wirklich für eine Zwei-Staaten-Lösung zu | |
arbeiten. | |
Man sei darüber auch mit arabischen Partnern im Kontakt, sagte Biden, ohne | |
aber detaillierter zu werden. Auch wie er sich eine Zwei-Staaten-Lösung | |
eigentlich vorstelle angesichts der Präsenz von bis zu 700.000 israelischen | |
Siedlern im Westjordanland, sagte Präsident Biden nicht. | |
Gleichwohl scheint die Notwendigkeit, sich darüber Gedanken zu machen, was | |
mit dem Gazastreifen passieren soll, wenn Israel sein Ziel, die | |
Hamas-Strukturen zu zerschlagen, irgendwann erreicht haben sollte, | |
international wieder Bewegung in die seit Jahrzehnten festgefahrene | |
Nahostdebatte zu bringen. Die Medienplattform [6][Politico ] berichtete | |
über ein kursierendes informelles Positionspapier der Bundesregierung, – | |
ein „Non-Paper“ im diplomatischen Sprachgebrauch –, in dem vorgeschlagen | |
werde, den Gazastreifen zumindest vorübergehend unter UN-Verwaltung zu | |
stellen. | |
Im Papier ist laut Politico die Rede von einer „Internationalisierung von | |
Gaza unter dem Schirm der Vereinten Nationen (und regionaler Partner)“, der | |
dann ein sorgfältig organisierter Übergang in palästinensische | |
Selbstverwaltung folgen solle, im besten Fall mit vorausgehenden Wahlen. | |
Das alles werde viel politischen Willen und sehr viel Geld kosten, vermerkt | |
das Papier. Die EU solle bei diesem Prozess eine aktive Rolle einnehmen und | |
zumal dafür sorgen, den komplett eingefrorenen Nahost-Friedensprozess | |
wiederzubeleben. | |
Israels Regierung hatte angekündigt, auf unbestimmte Zeit die Verantwortung | |
für die Sicherheit im Gazastreifen zu übernehmen. Das klang nach | |
Wiederbesetzung, und Washington warnte eindeutig vor dieser Option, genau | |
wie der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell. Nach dem Krieg müsse eine | |
palästinensische Autorität in Gaza übernehmen, sagte Borrell am Montag und | |
betonte, er habe von „einer“ palästinensischen Autorität gesprochen, nicht | |
zwangsläufig von der Autonomiebehörde. | |
16 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://press.un.org/en/2023/sc15496.doc.htm | |
[2] https://digitallibrary.un.org/record/4027698?ln=es | |
[3] /Marsch-der-Geisel-Angehoerigen-in-Israel/!5969659 | |
[4] /UN-Resolution-fuer-humanitaere-Waffenruhe/!5969956 | |
[5] /Gipfeltreffen-zwischen-USA-und-China/!5973436 | |
[6] https://www.politico.eu/article/germany-suggests-un-take-control-gaza-after… | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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