# taz.de -- UN-Menschenrechtspolitik: Bachelet in Pekings Falle getappt | |
> Der erste Besuch einer UN-Menschenrechtskommissarin seit 2005 verlief | |
> nach Pekings Geschmack: Bachelet hielt sich mit Kritik zurück. | |
Bild: Michelle Bachelet neben Außenminister Wang Yi im Videotalk mit Präsiden… | |
SEOUL TAZ Schon letzte Woche haben UN-Mitarbeiter in Hintergrundgesprächen | |
angedeutet, dass die [1][China-Reise von Menschenrechtskommissarin Michelle | |
Bachelet] wohl enttäuschende Resultate produzieren würde. Doch ihre | |
Abschlusspressekonferenz am Samstag geriet regelrecht zum Fiasko: Die | |
70-Jährige hielt sich fast ausnahmslos mit direkter Kritik an der | |
chinesischen Regierung zurück und übernahm sogar Teile der offiziellen | |
Staatspropaganda. | |
Ihr Besuch war der erste Aufenthalt einer UN-Menschenrechtskommissarin in | |
China seit 2005. Die frühere chilenische Präsidentin bereiste in der | |
letzten Woche auch die nordwestchinesische Region Xinjiang, wo | |
Hunderttausende Muslime in politischen „Umerziehungslagern“ weggesperrt | |
wurden. Dort hatte sie nach eigenen Angaben unbewachte Gespräche mit | |
Vertretern der Zivilgesellschaft und Experten. | |
Doch was Bachelet von sich gab, war in Teilen eine Wiederholung der | |
chinesischen Propaganda: Sie sprach von „Ausbildungszentren“, die der | |
Terrorismusbekämpfung dienen. Die Maßnahmen sollten überprüft werden, damit | |
sie internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen, sagte die | |
UN-Kommissarin. Mehr an direkter Kritik war von ihr nicht zu hören. | |
Für viele Angehörige eines der schwerwiegendsten Menschenrechtsverbrechen | |
der Gegenwart war der öffentliche Auftritt eine Verhöhnung. Die uigurische | |
Menschenrechtsanwältin Rayhan Esat, die mittlerweile in den USA lebt, | |
schrieb auf Twitter von einem „totalen Verrat“: „Macht sie Witze? Sie | |
übernimmt wortwörtlich Chinas Argumentation.“ | |
## Vizeminister: „Erfolg bei Entwicklung von Menschenrechten“ | |
Auch der deutsche Xinjiang-Forscher Adrian Zenz, dem zuletzt das als | |
[2][„Xinjiang Police Files“] bezeichnete Datenleck zugespielt wurde, zeigte | |
sich bestürzt: „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Bachelet die Regierung | |
von Xinjiang als einen rationalen Akteur behandelt, der seine eigene | |
Deradikalisierungspolitik überprüfen sollte.“ Die Pressekonferenz nennt er | |
„desaströs“. | |
Chinas Regierung hingegen dürfte mit Bachelets sechstägigem Besuch | |
zufrieden sein. Am Sonntag teilte Vizeaußenminister Ma Zhaoxu mit, die | |
UN-Vertreterin hatte die Gelegenheit, das „echte Xinjiang aus erster Hand | |
zu beobachten und zu erleben“. Er sprach in einer Stellungnahme von der | |
„gesamtheitlichen Demokratie“ seines Landes und von Chinas „Erfolg bei der | |
Entwicklung von Menschenrechten“. | |
Auch die Staatsmedien schlachteten die Ereignisse aus. Das Parteiblatt | |
Global Times publizierte einen Leitartikel, in dem es zu den Vorwürfen zur | |
Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang heißt: China sei „im Einklang mit dem | |
Gesetz“ gegen terroristische Aktivitäten vorgegangen und habe die | |
„Menschenrechte der Bewohner geschützt“. Mittlerweile leben und arbeiten | |
die Menschen in Xinjiang „in Glück und Frieden“. | |
Es ist geradezu zynisch, dass ausgerechnet die UN-Menschenrechtskommissarin | |
Bachelet der chinesischen Regierung eine Steilvorlage geliefert hat, um | |
ihre Politik in Xinjiang zu verteidigen. Doch ganz offensichtlich waren | |
Bachelet und ihr Team der systematischen Inszenierung Pekings nicht | |
gewachsen: Bei der Abschlusspressekonferenz etwa haben die chinesischen | |
Medien systematisch versucht, mit ablenkenden Fragen rhetorische | |
Nebelgranaten zu zünden. | |
Eine Journalistin des Staatssenders CCTV wollte etwa Bachelets Meinung zur | |
Polizeigewalt gegen Afroamerikaner und zum Schulmassaker in Texas wissen. | |
Ihre Antwort zur „furchtbaren Menschenrechtssituation“ in den USA war | |
bezeichnenderweise die offenste und ausführlichste des gesamten Abends. Für | |
die Tragödie der Uiguren fand sie nicht annähernd so deutliche Worte. | |
Internationale NGOs setzen nun ihre Hoffnungen auf einen lange erwarteten | |
Bericht über die Situation in Xinjiang, der eigentlich schon im Dezember | |
2021 hätte erscheinen sollen. Doch das UN-Hochkommissariat verschob dies | |
bis heute, offenbar auf Druck Pekings, das eine Bekanntgabe vor den | |
Olympischen Winterspielen im Februar unbedingt verhindern wollte. Wann der | |
Bericht endlich erscheint, wollte Bachelet auch am Samstag nicht sagen. | |
Für weitere kritische Fragen blieb keine Zeit, denn nach 45 Minuten hieß | |
es, man müsse nun dringend zum Flughafen. Es bleibt zu hoffen, dass sich | |
die Chilenin bald noch ausführlicher äußert. Denn ihr China-Besuch hat | |
bisher mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert. | |
29 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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