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# taz.de -- Chinas Umgang mit Petitionsstellern: Kritiker werden verrückt gema…
> Eine Menschenrechtsorganisation wirft Chinas Behörden vor, ihre
> Kritiker weiterhin in psychiatrische Kliniken zu sperren. Dort sind
> sie rechtlos.
Bild: Tiananmen 2001: Ein mutmaßlicher Falun-Gong-Anhänger wird abgeführt
Berlin taz | Öffentlich zu protestieren, im Internet einen kritischen
Kommentar zu posten oder sich per Petition über korrupte Kader zu
beschweren kann in China ins Gefängnis führen. Oder in die Psychiatrie.
Denn Behörden sperren weiterhin ihre Kritiker*innen und die der
Regierung in psychiatrischen Kliniken ein. An dieser Praxis hätten auch vor
Jahren eingeführte Reformen nichts geändert, lautet das Fazit des
[1][Berichts „Unter Drogen gesetzt und gefangen: Chinas psychiatrische
Gefängnisse“] der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders.
Die panasiatisch arbeitende Organisation mit Sitz in Madrid hat für ihren
am Dienstag vorgelegten Bericht Gespräche mit Opfern und deren Angehörigen
untersucht, die die chinesische Organisation [2][Civil Rights and
Livelihood Watch] im Internet veröffentlicht hatte.
Dabei handelt es sich um 99 Chines*innen, meist sogenannte einfache
Bürger*innen, die zwischen 2015 und 2021 144 Mal in 109 Psychiatrien in 21
Regionen Chinas zwangseingewiesen wurden. Safeguard Defenders nennt diese
landesweiten Fälle, bei denen es sich zu 80 Prozent um
Petitionssteller*innen handelt, nur die „Spitze des Eisbergs“. Denn
der politische Missbrauch der Psychiatrie sei in China „weit verbreitet und
Routine“.
Das System, die Behörden mittels Petitionen auf Missstände unterer Stellen
aufmerksam zu machen, stammt noch aus der Kaiserzeit. Doch die gegenüber
höheren Stellen um ihren Ruf besorgten Behörden versuchen nicht selten mit
dem Wegsperren der Petenten in „schwarzen“ Gefängnissen oder aber in der
Psychiatrie deren Eingaben zu verhindern.
Diese Nutzung psychiatrischer Kliniken wird in China in Anlehnung an
psychiatrische Polizeikliniken der 1980er Jahre Ankang (wörtlich:
Sicherheit/Frieden und Gesundheit) genannt.
## Ohne Entlassungsdatum
Trotz ab 2010 eingeführter Reformen, wonach Einweisungen in die Psychiatrie
nur nach Zustimmung von Ärzt*innen und unter juristischer Kontrolle
stattfinden dürfen, dauere die alte Praxis an, stellt Safeguard Defenders
fest. Die Betroffenen hätten dabei keine Chance, jemals mit einem Anwalt zu
sprechen oder ein Gerichtsverfahren zu erhalten.
Ein Betroffener erklärte, die größte Härte im Unterschied zu einer
regulären Haftstrafe sei, dass es gar kein festgelegtes Entlassungsdatum
gebe. Und nach einer Freilassung seien die Betroffenen durch die
Falschdiagnose einer psychischen Erkrankung gesellschaftlich weiter
stigmatisiert.
In manchen der geschilderten Fälle wurden die Betroffenen mehrfach in diese
psychiatrischen Gefängnisse gesperrt (in einem Drittel der Fälle mindestens
zweimal), teilweise aber für mehrere Jahre, in neun Fällen gar mehr als
zehn Jahre.
In den Kliniken selbst sei der Missbrauch von Psychopharmaka wie
psychischer und physischer Zwang verbreitet. „Patient*innen“ würden an
Betten gefesselt, mit Elektroschocks behandelt oder total isoliert.
Die beteiligte Ärzt*innen und Kliniken würden oft gezwungen, mitzumachen,
oder aber, so der Vorwurf von Safegaurd Defenders, würden kollaborieren und
Opfer ohne medizinische Rechtfertigung zwangseinweisen und gegen deren
Willen medikamentös behandeln. Eine Anfrage der Agentur AFP beim
Gesundheitsministerium zum Bericht blieb zunächst unbeantwortet.
China hatte das System, Oppositionelle einfach für verrückt zu erklären, in
den 1950er Jahren aus der Sowjetunion der Stalin-Zeit übernommen. In der
Kulturrevolution sollen dann sogar mehr Menschen aus politischen Gründen in
Psychiatrien eingeliefert worden sein als aus medizinischen, stellte der
britische Sinologe Robin Munro fest.
Er hatte Anfang der 2000er Jahre das Ankang-System erforscht. Mit der
Unterdrückung der Falun-Gong-Sekte nach 1999 erlebte das System eine
Renaissance. Dabei wurde es inzwischen weniger gegen sogenannte
Dissident*innen angewendet, sondern gegen einfache Bürger*innen.
Internationaler Druck, zu dem Munros [3][Forschungen] beitrugen, führte
offenbar nur zu oberflächlichen Reformen.
17 Aug 2022
## LINKS
[1] https://safeguarddefenders.com/sites/default/files/pdf/DRUGGED%20AND%20DETA…
[2] https://msguancha.com/
[3] http://jaapl.org/content/jaapl/30/2/266.full.pdf
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
China
Menschenrechte
Psychiatrie
Umerziehungslager
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