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# taz.de -- Folgen des Lockdowns in China: Expats raus, Inländer rein
> Chinesen dürfen ihr Land kaum verlassen, während immer mehr Ausländer der
> Volksrepublik frustriert den Rücken kehren.
Bild: Lockdown in Peking: In diesem Viertel gibt es nur noch Essen zum Mitnehmen
Peking taz Auf den ersten Blick führt Anna Eschbach eine
Bilderbuch-Existenz: In Peking mischt die Kuratorin seit acht Jahren die
Kunstszene auf. Mit ihrem australischen Ehemann hat sie zwei Töchter,
gemeinsam leben sie in einer hellen Altbauwohnung im Diplomatenviertel.
Doch jetzt ist Eschbach froh, ihre hart aufgebaute Existenz hinter sich zu
lassen: „Es war eine schwere Entscheidung. Aber wir haben festgestellt,
dass sich die Lage hier auf absehbare Zeit nicht ändern wird.“
Damit meint sie Chinas Lockdown-Politik in der Coronapandemie. Während der
Rest der Welt allmählich seine Pforten öffnet, macht das Reich der Mitte
weiter zu: [1][In Shanghai sitzen Millionen Bewohner seit über anderthalb
Monaten in ihren Wohnungen gefangen]. Nun droht in Peking ein ähnliches
Schicksal. Es kam deshalb schon zu Panikkäufen.
Insbesondere für Familien wie die von Eschbach ist die derzeitige Situation
eine extreme Belastung. Wegen der Grenzschließungen konnte die gebürtige
Tübingerin schon bei zwei Todesfällen in ihrer Familie in Deutschland nicht
zur Beerdigung reisen.
Vor allem die Ereignisse in Shanghai gaben bei ihr den Ausschlag: Zu Beginn
des anhaltenden Lockdowns wurden infizierte Kleinkinder unter Zwang von
ihren Eltern getrennt und auf unbestimmte Zeit in Quarantänespitäler
abgeführt.
## China verlassen, um „meine Freiheit“ zurückzubekommen
„Als ich die Bilder sah, wollte ich nur noch ins nächste Flugzeug
springen“, sagt Eschbach. Dass sie in Deutschland wieder von null anfangen
muss, hält sie nicht von ihrem Umzug ab: „Ich bin bereit, das Risiko
einzugehen – um meine Freiheit wiederzuhaben.“
Mit dieser Entscheidung steht sie nicht allein da. Eine am Donnerstag
erschienene Blitzumfrage der deutschen Handelskammer bestätigt den
[2][Exodus der Expats]. 28 Prozent der befragten Firmen gaben an, dass
ausländische Mitarbeiter derzeit beabsichtigen, China zu verlassen. Ein
Drittel davon möchte das sogar noch vor Ende des Arbeitsvertrags tun.
„Der Grund ist klar: die aktuelle Covid-Politik“, sagt Kammerpräsident Jens
Hildebrandt. Persönliche Treffen seien in Peking längst schwierig: Die
Büros sind geschlossen, Restaurants und Cafés auch.
## Ausgereiste internationale Mitarbeiter „kaum zu ersetzen“
Daten zum Vergleich mit vor der Pandemie kann die Kammer nicht liefern,
auch gibt es nur Schätzungen zur Zahl in China lebender Deutscher. Doch für
die Unternehmen sind die Entwicklungen alarmierend: „Es wird absolut
schwer, die internationalen Mitarbeiter unter den jetzigen Gegebenheiten zu
ersetzen“, sagt Hildebrandt.
Visa würden zwar inzwischen wieder ausgestellt, doch gebe es kaum noch
qualifiziertes Personal, das sich trotz fürstlicher Löhne und komfortabler
Extras nach China entsenden lassen will.
Vielmehr tauschen sich Expats in WeChat-Gruppen über Ausreisemöglichkeiten
aus. Letzte Woche verließ der Vizedirektor einer internationalen Schule
geradezu fluchtartig Peking – ohne Personal oder Schüler vorher zu
informieren. Offenbar wollte er eine Strafzahlung wegen Vertragsbruchs
vermeiden.
„Meine Familie kommt zuerst. Ich risikiere nicht, dass wir im Fall einer
Quarantäne getrennt werden“, erklärte er später in sozialen Medien.
Zeitgleich hat Chinas Regierung inzwischen für ihre Staatsbürger eine
De-facto-Ausreisesperre verhängt. Schon zuvor war es in der Pandemie fast
unmöglich geworden, einen abgelaufenen Reisepass erneuert zu bekommen.
## Keine Besserung in Sicht: Fußballturnier für 2023 abgesagt
Nun dürfen Chinesen offiziell nur noch mit „essenziellem“ Grund das Land
verlassen. Etliche klagen, ihre Pässe seien nach ihrer Rückkehr in die
Volksrepublik von Grenzbeamten zerrissen worden.
Begründet wird die faktische Ausreisesperre mit Pandemieschutz. Doch ist
sie Teil einer alarmierenderen Entwicklung: Die Regierung unter Xi Jinping
versucht, die internationalen Verbindungen urbaner Bevölkerungsschichten zu
trennen.
Dass es so bald keine Öffnung des Landes geben wird, zeigt auch Pekings am
Wochenende bekannt gewordene Absage der nächsten
Asien-Fußballmeisterschaft. Für das im Juli 2023 geplante Turnier waren im
ganzen Land bereits zehn neue Stadien gebaut worden.
16 May 2022
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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