# taz.de -- Tübingens Oberbürgermeister: Palmer geht, Problem bleibt | |
> Der Parteiaustritt von Boris Palmer ist von den Grünen begrüßt worden. | |
> Für klare Haltung in der Flüchtlingspolitik braucht es mehr Courage. | |
Bild: Kundgebung in Tübingen gegen den „grünen“ Oberbürgermeister Palmer… | |
Endlich ist er weg. Die Erleichterung über den Parteiaustritt von Boris | |
Palmer ist bei vielen Grünen spürbar. Und verständlich. Viel zu oft hat der | |
wichtigste [1][Tübinger OB] der Welt mit vulgären Ausfällen und rabiater | |
Rhetorik gegen Minderheiten den politischen Diskurs vergiftet und das Image | |
der Grünen als humanitäre Vorzeigepartei beschädigt. Wenigstens damit ist | |
jetzt Schluss. | |
Mit seinem [2][Abgang] hat Palmer die Grünen von ihrem seit Jahren | |
ungelösten Problem befreit, wie sie ihr peinliches Mitglied möglichst | |
geräuschlos und gerichtsfest loswerden können. Die rote Linie hat er jetzt | |
praktischerweise selbst gezogen. Interessanterweise nicht, weil Palmer zum | |
x-ten Mal absichtlich provozierend das N-Wort rausbellte. Sondern weil er | |
die ihrerseits unangemessenen „Nazi“-Beschimpfungen durch seine Gegner | |
[3][mit einem „Judenstern“ verglich]. | |
Ein geschichtsvergessener Tabubruch, mit dem man sich in Deutschland zu | |
Recht unmöglich macht. Palmer hätte wissen müssen, dass ihn danach selbst | |
seine treuesten grünen Freunde nicht mehr verteidigen konnten. Gut, dass | |
sich Palmer jetzt eine Auszeit nimmt und professionelle Hilfe holt. | |
Für die Grünen, die ihrem ewigen Störenfried nun wie Parteichef Omid | |
Nouripour zum Abschied noch „ein gutes Leben“ wünschen, scheint der Fall | |
Palmer zwar erledigt. Doch das gibt ihnen nur eine kurze Verschnaufpause. | |
Die wahren, strukturellen Probleme für die Regierungspartei beginnen erst – | |
wenn es um die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Ampel geht. Die | |
Herausforderungen auf diesem Feld zeigen sich täglich drängender. | |
## Die Grünen brauchen Ausdauer und Mut | |
Es wirkt fast wie eine Ironie des grünen Schicksals, dass sie die Partei | |
genau an jenem wunden Punkt treffen, den Palmer mit seinen | |
ressentimentgetriebenen Tiraden gegen Geflüchtete offengelegt hat: die | |
wachsende Diskrepanz zwischen dem hehren moralischen Anspruch der Grünen | |
und realer Regierungspolitik. Selbst die grün regierte Stadt Hannover hat | |
kürzlich erklärt, keinen Platz für Geflüchtete mehr zu haben. | |
Just am selben Tag, an dem Palmer stürzte, verkündete [4][Innenministerin | |
Nancy Faeser] (SPD), dass die Ampel ab sofort verstärkt für Asylverfahren | |
schon an den EU-Außengrenzen eintrete. Die FDP fordert, man müsse | |
„irreguläre Migration unterbinden“. Was nun, Grüne? Die [5][latent | |
rassistischen Ausfälle] Palmers zu verurteilen war einfach, da war man sich | |
schnell einig. | |
Wenn sich die Grünen aber dem Begrenzungsdruck entgegenstellen möchten, | |
bräuchten sie Ausdauer, Überzeugungskraft, Geld und viel mehr Mut, als sich | |
von einem hemmungslosen Provokateur zu distanzieren, der sich selbst ins | |
Aus geschossen hat. | |
2 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Oberbuergermeisterwahl-in-Tuebingen/!5890006 | |
[2] /Tuebingens-Oberbuergermeister/!5931396 | |
[3] /Judenstern-Aeusserung-am-Rande-von-Konferenz/!5931295 | |
[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/nancy-faeser-asyl-eu-aussengrenze-zuwan… | |
[5] /Kolumne-Macht/!5587501 | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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