| # taz.de -- Tote und Verletzte in Khartum: Sudans Reformen in Gefahr | |
| > Sudans neue Regierung reformiert den Militärapparat der Bashir-Diktatur. | |
| > Jetzt meutern Geheimdienstler, die um ihre Jobs fürchten. | |
| Bild: RSF-Paramilitärs (im Hintergrund) sperren eine Straße in Khartum nach d… | |
| Nairobi taz | Eine unterdrückte Meuterei in zwei Kasernen des gefürchteten | |
| Geheimdienstes von Sudan (NISS) am Dienstag ist ein deutlicher Beweis, dass | |
| Sudan auch nach der Überwindung der Militärherrschaft noch einen langer Weg | |
| zu gehen hat, bevor Ruhe und Frieden gesichert sind. Die Aufständischen | |
| rebellierten gegen ihre finanzielle Abfindungen und forderten | |
| Möglichkeiten, in den Sicherheitskräften von Sudan zu bleiben. Als Teil der | |
| Umstrukturierung des Militärs wird nämich der NISS gerade reformiert. | |
| Die Meuterei begann, als NISS-Mitglieder von Wacheinheiten in den Kasernen | |
| in Kafour nördlich von Khartum und Riyadh, einem Stadtviertel der | |
| Hauptstadt in der Nähe des internationalen Flughafens, die zwei Kasenen | |
| verlassen sollten und sich weigerten. Ihre Einheit sollte aufgelöst werden, | |
| und sie haben die Wahl, entweder die Streitkräfte zu verlassen oder in die | |
| paramilitärische RSF (Rapid Support Forces) aufgenommen zu werden, die seit | |
| kurzem ein integrierter Teil der Armee ist. | |
| Das wollten sie aber nicht. Die Rebellen scheinen vor allem in die Luft | |
| geschossen zu haben. Nach amtlichen Angaben kamen drei Zivilisten und zwei | |
| NISS-Mitarbeiter ums Leben und vier wurden verletzt. Die Regierung sagt, | |
| dass die Meuterei durch Gespräche beendet wurde. | |
| Aber die Einwohner von Khartum verbrachten 15 ängstliche Stunden, während | |
| ständig Schüsse ständig zu hören waren. Der Flughafen wurde geschlossen. | |
| Khartum hat ein halbes Jahr relativer Ruhe hinter sich, nachdem voriges | |
| Jahr bei der Zuspitzung des Protestes gegen das Militär hunderte Menschen | |
| umgekommen waren. Die Demonstrationen sorgten im April 2019 für den | |
| [1][Sturz von Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir] nach dreißig Jahren an | |
| der Macht, wurden zwei Monate später [2][mit Gewalt aufgelöst] und | |
| erreichten dann nach langen Verhandlungen die [3][Bildung einer | |
| Übergangsregierung aus Militär und zivilen Politikern], die Sudan zu freien | |
| Wahlen führen soll. | |
| Als die Waffen wieder schwiegen, versicherte Premierminister Abdallah | |
| Hamdok der Bevölkerung, dass alles unter Kontrolle sei. Er twitterte: Die | |
| Vorfälle, twitterte er, „werden uns und unsere Mission nicht aufhalten, und | |
| sie sind auch kein Grund für uns, von den Zielen unserer Revolution | |
| zurückzuweichen.“ Er bekräftigte „unser Vertrauen in die sudanesischen | |
| Streitkräfteihre Fähigkeit die Situation zu kontrollieren.“ | |
| Hamdok ist ein Befürworter der Reformen der Armee, in der Hoffnung dass die | |
| Streitkräfte dann weniger Geld verschlingen. Unter Bashir floss 80 Prozent | |
| des Staatshaushaltes in das Militär. Hamdok hofft, das auf 20 Prozent zu | |
| senken. | |
| ## Zentrales Unterdrückungsinstrument | |
| Die NISS war ein zentraler Teil von Bashirs Unterdrückungsapparat. Sie war | |
| nicht nur ein Geheimdienst, sondern ein schwer bewaffneter Teil der | |
| Streitkräfte.Als im Dezember 2018 die Protestwelle gegen Bashir begann, | |
| waren es NISS-Angehörige, die im Auftrag des Staatschefs ungefähr 40 | |
| Demonstranten töteten, um die Proteste auseinanderzuschlagen – vergeblich, | |
| wie sich erwies. | |
| Die NISS stand lange unter Leitung van Salah Gosh, ein Islamist und | |
| Vertrauter von Bashir. Gosh spielte eine wichtige Rolle, als die | |
| Zentralmacht in Khartum 2003 die Janjaweed-Miliz in Darfur aufbaute, eine | |
| Reitermiliz von Hirtenvölkern, die Aufstände in Darfur brutal bekämpfte. | |
| Gosh hatte auch in den 1990er Jahren Osama bin Laden geholfen, eine | |
| Al-Qaida-Basis in Sudan aufzubauen. | |
| Es war Bashir bevorzugte Strategie der Aufstandsbekämpfung in den | |
| verschiedenen Bürgerkriegen Sudans, nicht in erster Linie die Streitkräfte | |
| sondern vor allem Milizen einzusetzen. Die wurden alle Teil der nationalen | |
| Armee, wie auch die Janjaweed unter dem Namen [4][Rapid Support Forces | |
| (RSF)] in die Armee integriert wurde. Die neuen Machthaber versuchen jetzt, | |
| das alles wieder rückgängig zu machen und die Armee neustrukturieren. Dabei | |
| stoßen sie auf erheblichen Widerstand jener Kräfte, die aus den | |
| Streitkräften ausgschlossen werden sollen, darunter eben auch die NISS. | |
| In der Armee, in der Wirtschaft und in Staatsdienst gibt es viele, die ihre | |
| Stellungen Bashir verdanken und sie jetzt nicht aufgeben wollen. Das sind | |
| keineswegs nur Anhänger der diktatorischen und islamistischen Ideologie des | |
| Bashir-Regimes. Der NISS-Aufstand zeigt, wie zerbrechlich [5][Sudans | |
| Reformkurs] ist. Premierminister Hamdok und seine Regierung müssen äußerst | |
| vorsichtig manövrieren. | |
| 15 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ilona Eveleens | |
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