# taz.de -- „Tatort“ aus Berlin: Der Wahn und der Sinn | |
> Die Spur führt zu einem Lager samt Leiche. Der Mieter ist eine | |
> Filmproduktionsfirma. Ihr Film hat, Überraschung, Premiere auf der | |
> Berlinale. | |
Bild: Zwei echte SchauspielerInnen, die in diesem Fall aber KommissarInnen sind… | |
Am Ende sind sie nur etwas verdellt: Mit blutigen Schrunden und kaputtem | |
Arm sitzen Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) im | |
Berliner Kommissariat. Sie wurde überfahren, er erstochen, erschossen. Sie | |
haben’s überlebt, ist ja ein Film. | |
Dieses Überspitzen gehört zur neuen „Tatort“-Folge unbedingt dazu. Eben | |
damit alle merken: Hallo, ein Film darf das. Und was für einer – „Meta“ | |
eben. Schon der Titel bringt das Hirn zum Klingeln, und in der Tat: Diese | |
90 Minuten Fernsehkrimi sind ein einziges rauschendes Spiegelkabinettstück. | |
Zum Mitschreiben: Im Kommissariat landet ein Päckchen, darin ein | |
abgehackter Finger. Die Spur führt zu einem Lagerraum samt Leiche. Der | |
Mieter: eine Filmproduktionsfirma, die nur einen Film gemacht hat – „Meta�… | |
Der hat, Überraschung, Premiere auf der Berlinale. Ab da überschlagen sich | |
die Ebenen. Karow und Rubin sehen in dem Film Kommissare, die ein Päckchen | |
mit einem abgehackten Finger zugeschickt bekommen. Und so schaut irgendwann | |
der Film-Kommissar auf der Kinoleinwand dem Film-im-Film-Kommissar dabei | |
zu, wie der im Kino einen Film schaut, in dem ein Kommissar ins Kino geht, | |
um einen Film über einen Mord anzuschauen. Was für ein herrlich | |
durchgeknalltes Zeug! | |
Keine Bange, diese Späße – bis hin zum Regisseur, auf dessen Werkliste ein | |
Titel namens „Hard-boiled Cops“ steht – sind kein nerviger Zierrat. Sie | |
dienen der großartigen Versuchsanordnung, die Kommissare auf der Kante | |
zwischen Wahn und Sinn den Brosamen des Film-Films nachstolpern zu lassen. | |
Gerade weil der Rest so schön normal bleibt, ohne Schu-huu-Momente. Rubin | |
ist wie üblich zu spät dran, wirft ihrem Sohn morgens ein Croissant an den | |
Kopf, Karow macht Liegestützen, knallt Türen, scheißt Kommissaranwärterin | |
Anna Feil (Carolyn Genzkow) zusammen. Will sagen: Auch ohne die | |
Selbstreferentialität wäre die Folge top. | |
Dass sich mit Autor Erol Yesilkaya und Regisseur Sebastian Marka ein | |
perfektes Duo gefunden hat, ist seit dem überragenden Abschieds-„Tatort“ | |
von Joachim Król „Am Ende der Straße“ von 2015 sonnenklar. Es ist, als ob | |
ihre Genrespielereien in all ihren Wiesbaden-Folgen zwingend zu diesem | |
Berlinale-„Tatort“ führen mussten. | |
Zwar kommt „Meta“ nicht an die Mega-Meta-Folge „[1][Wer bin ich?]“ mit | |
Ulrich Tukur ran, die auf unabsehbare Zeit das Maß ist im „Tatort“-Kosmos. | |
Doch welche Wucht „Meta“ entfaltet, zeigt schon das Intro. Ja, die ersten | |
Sekunden reichen, um zu wissen: Das Ding ist grandios. | |
18 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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