| # taz.de -- Tarifverhandlungen: Infrastruktur in Gefahr | |
| > Zum Auftakt der Verhandlungen warnt Verdi: Ohne gerechte Löhne ist dem | |
| > Personalmangel im öffentlichen Dienst nicht beizukommen. | |
| Bild: Muss dringend der Inflation angepasst werden: Tarifvertrag für den öffe… | |
| Berlin taz | Bei den kommenden Tarifverhandlungen geht es nicht nur um | |
| gerechte Löhne, sondern um die Zukunft der Infrastruktur der Stadt – so | |
| lässt sich die Kernbotschaft einer Verdi-Pressekonferenz zusammenfassen, | |
| die die Dienstleistungsgewerkschaft am Mittwochvormittag in ihrer Zentrale | |
| abhielt. Anlass waren die Verhandlungen um den Tarifvertrag für den | |
| öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), die am Donnerstag starten. | |
| Martina Breitmann, Leiterin einer Kindertagesstätte, teilt ihre Erfahrungen | |
| als Beschäftigte im Sozialbereich auf der Pressekonferenz. Seit Jahren | |
| fehle es aufgrund der schlechten Bezahlung und [1][der hohen Belastung | |
| ihrer Mitarbeiter*innen ständig an Personal]. Die Ausfälle erhöhten | |
| den Druck auf die übrigen Mitarbeitenden, die dann wiederum kündigten – ein | |
| Teufelskreis. Unter den überwiegend weiblichen Erzieher*innen gibt es | |
| eine der höchsten Burn-out-Quoten bundesweit, so die Kita-Leiterin. | |
| Die Situation belaste die Förderung der Kinder, welche die eigentliche | |
| Aufgabe von Kindertagesstätten sei: „Ich muss es ehrlich sagen: Wir | |
| bewahren die Kinder nur noch auf. Für Bildung oder Vorbereitung auf die | |
| Schule ist schlicht keine Zeit und kein Personal da“, klagt Breitmann. | |
| Dabei sei gerade nach der Zeit der Pandemie der individuelle | |
| Betreuungsbedarf bei vielen Kindern gestiegen. Doch statt neue Fachkräfte | |
| zu finden, ist es angesichts dieser Zustände sogar schwer geworden, selbst | |
| langjährige Mitarbeiter*innen zu halten. | |
| Martina Breitmann ist sich sicher, dass [2][die Eltern den Tarifkampf | |
| unterstützen werden]. Immerhin hängt deren Berufstätigkeit von der | |
| kommunalen Betreuung ab, angesichts der Inflation mehr als zuvor. „Die | |
| Eltern sind gerade sehr an unserer Seite und werden sicher mit uns auf die | |
| Straße gehen“, sagt sie. | |
| ## Einmalzahlungen nicht ausreichend | |
| Mehr Investition in den Nachwuchs und in gute Mitarbeiter*innen | |
| wünschten sich auch Mirko Ückert, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der | |
| Technischen Universität, und Louis Leary, studentischer Beschäftigter an | |
| der Humboldt-Universität. Leary berichtet, dass viele seiner | |
| Kolleg*innen angesichts der Bezahlung von 13 Euro pro Stunde [3][nicht | |
| mehr an der Uni arbeiten wollen], sondern sich andere Stellen suchen | |
| würden. „Dabei halten wir den Laden am Laufen“, sagt er. Für Studierende | |
| seien Tutor*innen wichtige Ansprechpersonen. „Von der Verwaltung bis zu | |
| den Beratungsstellen fehlt Personal, um den Studierenden gerecht zu | |
| werden“, ergänzt Mirko Ückert. Dabei hängt es im Zweifel von dieser | |
| Betreuung ab, ob Studierende ihre Ausbildung fortsetzen oder das Studium | |
| abbrechen. | |
| Im Stadtstaat Berlin betrifft der Tarifvertrag viele Beschäftigte in der | |
| kommunalen Infrastruktur, für die in anderen Bundesländern der Tarif des | |
| öffentlichen Dienstes TV-ÖD gelten würde. Das sind nicht wenige: In den | |
| Landes- und Bezirksverwaltungen, in den Kita-Eigenbetrieben des Landes | |
| Berlin und den Hochschulen arbeiten insgesamt rund 124.000 Beschäftigte und | |
| 63.000 Beamte. | |
| In der Tarifrunde will die Gewerkschaft Verdi ihre Forderungen gegenüber | |
| der Arbeitgebervereinigung „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“, vertreten | |
| durch den Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), durchsetzen. Die | |
| Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung um mindestens 10,5 Prozent. | |
| „In der Krise hat sich für viele gezeigt, dass Einmalzahlungen keine | |
| tatsächliche Absicherung darstellen, sondern eine Angleichung an die | |
| Inflation und auch die steigenden Mieten im Tarif verankert werden müssen“, | |
| sagte der Pressesprecher von Verdi, Kalle Kunkel. Die sogenannte | |
| Coronaprämie sei vielfach nicht bei den Beschäftigten angekommen, sondern | |
| von Arbeitgeberseite als freiwillige Zahlung verstanden worden. „Für ihre | |
| Forderungen werden die Beschäftigen auf jeden Fall auf die Straße gehen. Es | |
| wird auch Streiks geben, sollte es von Arbeitgeberseite keine Bewegung | |
| geben“, warnt Kunkel. | |
| 26 Oct 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lisa Bor | |
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