# taz.de -- Sterbehilfe-Vereine zu Suizidassistenz: Hilfe auch beim Doppelsuizid | |
> Sterbehilfe-Organisationen halfen 2021 in Deutschland in 346 Fällen bei | |
> Selbsttötungen. Gesetzentwürfe mit einer Beratungspflicht lehnen sie ab. | |
Bild: Die Organisationen Dignitas und der Verein Sterbehilfe vermittelten Suizi… | |
BERLIN taz | Der französische Philosoph André Gorz, 85, und seine | |
schwerkranke Frau Dorine begingen vor Jahren gemeinsam Suizid. „Jeder von | |
uns möchte den andern nicht überleben müssen“, hatte Gorz in einem langen | |
Liebesbrief an seine Frau geschrieben, bevor beide durch selbst gesetzte | |
Giftinjektionen starben. Der Doppelsuizid, bei dem ein:e Partner:in | |
körperlich gesund ist, aber keinen Sinn im Leben mehr sieht nach dem | |
erwartbaren Tod eines oder einer schwerkranken Gefährt:in, wird in | |
Deutschland auch von [1][Sterbehilfe-Organisationen] unterstützt. | |
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) habe bereits acht | |
„Doppelbegleitungen“, jeweils Ehepaare, an Sterbehelfer vermittelt, sagte | |
am Montag in Berlin DGHS-Präsident Robert Roßbruch bei einer Bilanz der | |
drei in Deutschland tätigen Vereine. Auch die Organisationen Dignitas und | |
der Verein Sterbehilfe vermittelten Suizidhelfer an Paare, erklärten deren | |
Vertreter:innen am Montag. Insgesamt leisteten die Organisationen im | |
Jahr 2021 in 346 Fällen Suizidbeihilfe. | |
Die Hauptmotive für den Wunsch nach Sterbehilfe seien Krebs, neurologische | |
Erkrankungen, ein Mix aus verschiedenen Erkrankungen und insbesondere bei | |
Hochaltrigen „Lebenssattheit“, sagte Roßbruch. Die „Lebenssattheit“ ma… | |
etwa 16 Prozent der Fälle aus, so der DGHS-Präsident. | |
Roßbruch verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar | |
2020, laut dem keine schwere Krankheit als Motiv vorliegen müsse, sondern | |
jeder Mensch das Recht habe auf einen selbstbestimmten Tod und auch darauf, | |
dafür Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Das Motiv Lebenssattheit, wenn nur | |
einer der beiden Ehepartner mit diesem Motiv gehen will, weil der andere | |
schwerkrank ist, ist absolut legal“, betonte Roßbruch. | |
## „Entscheidungsfähigkeit“ wird abgeklärt | |
Bei der durch die DGHS vermittelten Suizidbeihilfe führen ein Arzt und ein | |
Jurist vorher jeweils getrennte Gespräche mit den Sterbewilligen, wobei die | |
„Urteils- und Entscheidungsfähigkeit“, die „Wohlerwogenheit“ und „Ko… | |
des Suizidwunsches abgeklärt werden, so Roßbruch. Der Suizid wird durch die | |
intravenöse Gabe eines Narkosemittels vollzogen, wobei die Infusion von dem | |
Sterbewilligen selbst in Gang gesetzt wird. Bei der DGHS werden an Gebühren | |
inklusive der Vorgespräche rund 4.000 Euro fällig. | |
Die Sterbehilfe-Organisationen sind umstritten. In der jüngsten | |
Vergangenheit wurden mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt, die eine | |
Beratungspflicht für die Sterbewilligen vorsehen. Der jüngste Gesetzentwurf | |
aus dem neu gewählten Parlament will die organisierte Hilfe zur | |
Selbsttötung sogar wieder unter Strafe stellen, wie es zwischen den Jahren | |
2015 bis 2020 der Fall war. Nur unter bestimmten Voraussetzungen [2][soll | |
die Suizidhilfe] nach diesem Entwurf erlaubt bleiben. | |
Die Sterbehilfeorganisationen lehnen die Gesetzentwürfe ab. „Wir sind alle | |
der Meinung, dass wir keine neue gesetzliche Regelung brauchen“, sagte | |
Jakub Jaros, Geschäftsführer des Vereins Sterbehilfe. Selbst in der | |
liberalen Schweiz ist allerdings umstritten, ob etwa körperlich gesunde | |
Ehepartner:innen eines todkranken Partners organisierte Suizidbeihilfe | |
bekommen sollen. | |
22 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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