| # taz.de -- Staatsdoping in Russland: Serienreife Saga | |
| > Das Finale einer irren Geschichte um Sportkriminalität: Das IOC | |
| > entscheidet, ob Russland für die Olympischen Spiele 2018 gesperrt wird. | |
| Bild: Ob dieser russische Skeletonfahrer 2018 in Pyeongchang am Start sein wird? | |
| Berlin taz | Am Dienstagabend entscheidet das Internationale Olympische | |
| Komitee über die sportliche Zukunft Russlands. Darf das Land, in dem ein | |
| Dopingsystem installiert worden war, von dem mehr als 1.000 Athleten | |
| profitiert haben sollen, Sportler zu den Olympischen Winterspielen 2018 | |
| nach Pyeongchang schicken? | |
| Das Exekutivkomitee des IOC wird am Dienstag verkünden, ob es die größte | |
| Kollektivbestrafung in der Geschichte des Sports geben wird. Die | |
| Welt-Anti-Doping-Agentur hat versucht, die irre Geschichte von vertauschten | |
| Urinproben, toten Dopinganalysten, mutigen Whistleblowern, einem Kronzeugen | |
| und Steroidcocktails nachzuvollziehen. Es ist eine Netflix-reife Story in | |
| die der Sport da hineingeraten ist. Die höchste Instanz des IOC muss nun | |
| seine Schlüsse ziehen aus all dem Wahnsinn. | |
| Schon das Personal dieser Real-Life-Doping-Serie hat es in sich. Die | |
| Dopingjäger stützen sich auf die Aussagen eines Kronzeugen aus Russland. | |
| Grigori Michailowitsch Rodtschenkow war lange Jahre Leiter des | |
| Dopinganalyselabors in Moskau. Dass er in dieser Funktion nicht unbedingt | |
| im Sinne des sauberen Sports handelte, ahnte man schon lang. 2011 flog auf, | |
| dass er zusammen mit seiner Schwester Dopingmittel vertickt hat. | |
| Nach einem Suizid-Versuch rappelte er sich wieder auf und war wohl selbst | |
| am meisten davon überrascht, dass er ungestraft im Amt bleiben durfte, | |
| während seine Schwester zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. | |
| Rodtschenkow blieb sich und seinem Staat treu und war fortan der | |
| Protagonist im Dopingsystem, über das die obersten Olympier nun in Lausanne | |
| zu urteilen haben. | |
| ## Auf Weisung des Sportministeriums | |
| Das Ehepaar Stepanow hat Rodtschenkow zum Kronzeugen gemacht. Ihnen gebührt | |
| die Heldenrolle in dieser Doping-Saga. Sie sind die mutigen Whistleblower, | |
| die unter Einsatz ihres Lebens Informationen öffentlich gemacht haben. In | |
| einer Dokumentation der ARD, die im Dezember 2014 ausgestrahlt wird, | |
| beschreibt Witali Stepanow, ein ehemaliger Mitarbeiter der russischen | |
| Antidoping-Agentur Rusada, wie auf Weisung des Sportministeriums positive | |
| Tests zu verschwinden hatten. | |
| Und seine Frau Julia, eine durchaus erfolgreiche 800-Meter-Läuferin, | |
| berichtet von alltäglichen Medikamentenfütterungen durch die Trainer. Die | |
| beiden lösen ein sportpolitisches Erdbeben aus. Sie fühlen sich bedroht, | |
| fliehen nach Deutschland und siedeln kurz darauf nach Nordamerika über. Ein | |
| Angriff von Hackern auf die Datenbank der Weltantidoping-Agentur Wada hatte | |
| wohl zum Ziel, an die geheim gehaltene Adresse der beiden zu kommen. Die | |
| Bedrohung ist real. | |
| Die beiden haben jede Menge Beweismaterial auf ihre Flucht mitgenommen. | |
| Darunter Gesprächsaufzeichnungen mit Grigori Rodtschenkow, in denen dieser | |
| sich über das Dopingprogramm anlässlich der Winterspiele 2014 in Sotschi | |
| auslässt. Nachdem dies bekannt wird, wechselt Rodtschenkow die Seiten. Er | |
| wird vom Fake-Dopingjäger zum Kronzeugen. | |
| In Russland gilt er als Staatsfeind, weil er der oberste Doper des Landes | |
| war, vor allem aber weil er ausgepackt hat. Leonid Tjagatschow, der | |
| ehemalige Präsident des Russischen Olympischen Komitees und immer noch | |
| dessen Ehrenpräsident, hat in einem Radiosender seinen innigsten Wünschen | |
| Ausdruck verliehen und gesagt, man solle Rodtschenkow doch einfach | |
| erschießen, so wie man es unter Stalin gemacht habe. Der Kronzeuge lebte da | |
| längst an einem gesicherten Ort in den USA. | |
| Er wird froh sein, dass er überhaupt noch am Leben ist. Zwei ehemalige | |
| leitende Mitarbeiter der Antidopingagentur Rusada sind mittlerweile tot. | |
| Kurz nachdem Gerüchte aufkamen, der ehemalige Rusada-Geschäftsführer Nikita | |
| Kamajew wolle mit dem irischen Sportjournalisten David Walsh ein | |
| Enthüllungsbuch über den russischen Sport schreiben, erlag der 52-Jährige | |
| einer Herzattacke. Kurz zuvor war Wjatscheslaw Sinew gestorben, der die | |
| Rusada von 2008 bis 2010 geleitet hatte. Im Winter 2016 war schon so viel | |
| über die Dopingpraktiken in Russland bekannt, dass die Todesfälle für | |
| Aufsehen sorgten. Sie passten ins Bild, das man sich von Russland machte. | |
| ## Bei den Paralympics 2016 gesperrt | |
| Das war auch in der Sportwelt mehr als nur angekratzt. Die Wada beauftragte | |
| im Mai 2016 den kanadischen Anwalt Richard McLaren, den Dopingkomplex | |
| aufzuklären. Im Juni legte er den [1][ersten Teil] seines Berichts vor, im | |
| Dezember den [2][zweiten]. Mithilfe Rodtschenkows und einer Vielzahl | |
| forensischer Analysen gelang es ihm, ein stimmiges Bild gehobener | |
| Sportkriminalität in Russland zu zeichnen. | |
| Die Berichte blieben nicht ohne Folgen. Bei den Paralympics 2016 in Rio de | |
| Janeiro durften keine russischen Sportler an den Start gehen, und die | |
| Leichtathleten lassen bis heute nur handverlesene Sportler, die nachweisen | |
| können, dass sie ein strenges Testregime durchlaufen können, bei | |
| internationalen Wettkämpfen an den Start. Eine Kommission unter dem | |
| Schweizer Alt-Olympier Denis Oswald prüft die Verstrickungen einzelner | |
| Sportler in das Dopingnetzwerk bei den Spielen von Sotschi. In den | |
| vergangenen drei Wochen sind nach seinen Urteilen 25 russische Sportler mit | |
| einem Olympiabann belegt worden. | |
| Eine andere IOC-Kommission, die unter der Leitung des früheren Schweizer | |
| Staatspräsidenten Samuel Schmid, muss darüber urteilen, inwieweit all das, | |
| was man über das russische Doping weiß, von staatlicher Seite orchestriert | |
| war. Witali Mutko, der langjährige Sportminister, der heute Vizepremier | |
| Russlands ist, wird diesbezüglich vom Kronzeugen Rodtschenkow schwer | |
| belastet. Er weist alle Vorwürfe weit von sich und behauptet, er würde alle | |
| Dopingsünder jagen, bis eine letzte Patrone verschossen ist. | |
| ## Auf Indizien stützen | |
| Einen Staatsplan, wie er in der DDR verfasst und mit der Zahlenkombi 14.25 | |
| in die Sportgeschichte eingegangen ist, wird Schmid nicht finden. Er muss | |
| sich auf Indizien stützen. Eines könnte die Suspendierung des | |
| stellvertretenden Sportministers Juri Nagornych im Juli 2016 sein. Warum | |
| sollte Russland einen hohen Beamten kaltstellen, wenn der Staat doch gar | |
| nicht in das Dopingsystem verstickt war. | |
| Am Dienstag muss das Exekutivkomitee des IOC eine Entscheidung treffen. | |
| Leicht wird das nicht. Vielleicht machen sich die Funktionäre mit einem | |
| Medikamentencocktail aus Rodtschenkows Giftfabrik für die Sitzung fit. Der | |
| hat unter dem Namen „Duchess“ einen Dopingdrink gemixt, der es in sich | |
| hatte. Drei Sorten von Steroiden, gelöst in Whisky für die Männer und für | |
| die Frauen in Martini. Wohl bekomm’s! | |
| 5 Dec 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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