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# taz.de -- Doping in der russischen Leichtathletik: Jetzt hilft nur noch bette…
> Die Hochsprungweltmeisterin Marija Lassizkene darf nicht bei
> internationalen Wettkämpfen starten. Ihr Verband erweist sich als
> reformunfähig.
Bild: Neutrale Weltmeisterin: Marija Lassizkene bei der WM 2019 in Doha
Es war ein Hilfeschrei, den Marija Lassizkene da abgesetzt hat. Vor drei
Wochen verschickte die dreifache Weltmeisterin im Hochsprung einen Brief an
ihren Staatspräsidenten. Über ihren Instagram-Account machte sie das
Schreiben, das neben ihr auch die Weltmeisterin im Stabhochsprung,
Anschelika Sidorowa, und Sergei Schubenkow, seit Jahren einer der besten
Hürdensprinter der Welt, unterschrieben hatten, für die Öffentlichkeit
zugänglich. Putin, der „sehr geehrte Wladimir Wladimirowitsch“, möge
einschreiten, möge den „katastrophalen Zuständen“ in der russischen
Leichtathletik ein Ende setzen, solle die Reputation des Verbandes
wiederherstellen.
Die könnte in der Tat nicht schlechter sein. Dem Allrussischen
Leichtathletikverband droht wegen anhaltender Reformunwilligkeit sogar der
Ausschluss aus dem Weltverband World Athletics (WA). Wenn Ende des Monats
der WA Council zusammentritt, könnte es also um das Fortbestehen der
russischen Leichtathletik gehen. Am 1. Juli war eine Frist verstrichen, bis
zu der der russische Verband eine Strafzahlung von 5,5 Millionen Euro an WA
zu entrichten hatte.
Die ist Teil eines Urteils gegen die Russen, das gefällt wurde, nachdem
sich herausgestellt hatte, dass der russische Verband beim leidigen
Dauerthema Doping einmal gelogen und betrogen hat. Hochspringer Danil
Lyssenko war bei drei Dopingkontrollen nicht angetroffen worden, woraufhin
der Verband getürkte Akten vorgelegt hat, nach denen der 23-Jährige in
einem Krankenhaus behandelt worden sei, als die Kontrolleure ihn aufsuchen
wollten. Der Fake flog auf und für den Weltverband war klar, dass man all
den von russischer Seite gegebenen Versprechen, dem Dopingproblem nun
endlich Herr zu werden, nicht glauben kann.
Seit 2015 versucht World Athletics die Russen dazu zu bewegen,
ernstzunehmende Anstalten in der Dopingbekämpfung zu machen. Da waren die
[1][Machenschaften im russischen Sport] gerade aufgeflogen. Es war eine
russische Leichtathletin, Mittelstrecklerin Julia Stepanowa, die mit ihren
Aussagen die Ermittlungen zum russischen Staatsdoping ins Rollen gebracht
hatte.
## Ende der Neutralität
Russische Leichtathlet:innen dürfen seitdem nicht mehr für ihr Land an
internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Nur eine handverlesene Auswahl von
Sportler:innen, die nachweisen können, dass sie ein strenges Testregime
durchlaufen, wurden als sogenannte neutrale Athlet:innen zu Wettkämpfen
zugelassen. Als der Fall Lyssenko bekannt wurde, fiel selbst diese Regel.
Marija Lassizkene, die seit 2015 immer als Neutrale aufgetreten ist, konnte
an den Wettbewerben, die im Winter vor der coronabedingten Sportpause noch
stattgefunden haben, nicht teilnehmen. Im Januar forderte sie deshalb
erstmals Konsequenzen. Tatsächlich wurde schnell ein neuer Mann an die
Spitze des Allrussischen Leichtathletikverbands gesetzt. Doch jener Jewgeni
Jurtschenko, ein Geschäftsmann und ehemaliger Regionalpolitiker, unternahm
nichts, was der russischen Leichtathletik zu neuem Ansehen hätte verhelfen
können Anfang der Woche ist er zurückgetreten, ohne einen Grund dafür zu
nennen. Der Scherbenhaufen, den er hinterlassen hat, könnte größer nicht
sein.
Der russischen Leichtathletik bleibt derzeit nur das Bitten um Gnade.
Russlands [2][Sportminister Oleg Matyzin] hofft auf eine Übereinkunft mit
dem Weltverband und darauf, dass die „Sportler nicht zu Opfern werden“.
Viel hat er nicht zu bieten.
Schon davor hatte Lassizkene, immerhin Offizierin der russischen Armee,
öffentlich darüber nachgedacht, den Verband zu wechseln, falls sich nichts
tue. Sollte sie das tun, würde sie drei Jahre gesperrt. Ein Verband hat
sich schon gemeldet und würde sich gerne mit den Meriten der
Leichtathlet:innen aus Russland schmücken.
„Wenn sich russische Athleten an uns wenden, werden wir darüber
nachdenken“, sagte jedenfalls Wadim Dewjatowski, der Chef des
weißrussischen Leichtathletikverbands. Der ehemalige Hammerwerfer durfte
sich 2008 kurz Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Peking
nennen. Dann wurde ihm seine Plakette wieder abgenommen – wegen Doping.
16 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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