# taz.de -- Sportpolitik in Russland: Für Staat und Sport | |
> Oleg Matyzin ist neuer russischer Sportminister. Er soll sein Land auf | |
> die Bühne des Weltsports zurückbringen und beginnt wie sein Vorvorgänger. | |
Bild: Oleg Matyzin (l.) wird von Dmitri Tschernyschenko als Sportminister einge… | |
Nach dem Rücktritt der russischen Regierung in der vergangenen Woche hat | |
eine der Schlüsselfiguren des russischen Dopingsystems den Zugang zur Macht | |
im Kreml verloren. Witali Mutko, der langjährige Sportminister, seit 2016 | |
stellvertretender Ministerpräsident der Russischen Föderation, wird der | |
neuen Regierung unter Michail Mischustin nicht mehr angehören. | |
Sportminister ist nun der in der olympischen Welt gut vernetzte | |
Sportpädagoge und Multifunktionär Oleg Matyzin. | |
Der russische Sport stellt darüber hinaus auch wieder einen | |
stellvertretenden Regierungschef. Dmitri Tschernyschenko, der Chef der | |
multinationalen, in Russland verankerten Profi-Eishockey-Liga KHL, ist auch | |
im olympischen Sport kein Unbekannter. Er war der in Russland gefeierte | |
Organisationschef der Olympischen Winterspiele von Sotschi 2014. | |
Die Aufgabe der beiden auf internationalem Sportparkett dürfte klar sein. | |
Es wird darum gehen, gegen den [1][Beschluss der Welt-Antidopingagentur] | |
Wada, Russland als Sportnation von den großen internationalen Wettbewerben | |
auszuschließen, vorzugehen. Nachdem die Wada festgestellt hatte, dass die | |
zur Aufklärung des russischen Staatsdopingskandals, der zur Zeit der | |
Olympischen Spiele von Sotschi seinen Höhepunkt hatte, angeforderten | |
Datensätze aus dem Dopinganalyselabor in Moskau manipuliert worden sind, | |
möchte die Wada nur noch erwiesen saubere Einzelathleten aus Russland bei | |
großen Wettkämpfen wie Weltmeisterschaften sehen. | |
Die russische Fahne soll dabei nicht wehen. Außerdem sollen vier Jahre lang | |
keine Großereignisse in Russland mehr stattfinden. Die Russen kämpfen gegen | |
die Entscheidung unter anderen vor dem Internationalen Sportschiedsgericht | |
in Lausanne. | |
## Olympisches Netzwerk | |
Die Stadt im Schweizer Kanton Waadt ist dem neuen russischen Sportminister | |
Oleg Matyzin nicht nur vertraut, weil sie neben dem CAS auch das | |
Internationale Olympische Komitee beherbergt. Auch der [2][Internationale | |
Hochschulsportverband Fisu], dessen Präsident Matyzin ist, hat in der Stadt | |
seinen Sitz. Als Fisu-Chef ist er ganz nah dran an der olympischen | |
Bewegung. Matyzin ist zudem Mitglied der Olympic Education Commission, die | |
sich mit so schönen Dingen befasst wie der Verbreitung der Werte des Sports | |
in der Jugend der Welt. | |
Als Fisu-Chef ist der ehemalige Tischtennisspieler unmittelbar vom | |
drohenden Sportbann Russlands betroffen. Die Sommeruniversiade 2023 soll | |
eigentlich im russischen Jekaterinburg stattfinden. Nach dem Wada-Verdikt | |
müsste sich das Event eine neue Ausrichterstadt suchen. Matyzin hat schon | |
vor seiner Berufung ins Kabinett klargemacht, dass er es für „unmöglich“ | |
hält, der Stadt am Ural das Event wieder wegzunehmen. Alle relevanten | |
Verträge seien unterzeichnet, hatte Matyzin im November des Vorjahres | |
gesagt. | |
Auch zu einem weiteren Punkt der Wada-Empfehlungen hat er sich im November | |
geäußert. Die Wada fordert nach den Vorkommnissen im russischen Sport, dass | |
in den internationalen Sportverbänden keine Vertreter der Regierung der | |
Russischen Föderation mehr sitzen sollten. Als Matyzin 2015 Fisu-Chef | |
wurde, hatte er kein Staatsamt inne. Darauf hat er im November ausdrücklich | |
hingewiesen. | |
Das hat sich nun ja geändert. Doch seinen Posten als Präsident des | |
Internationalen Hochschulsportverbands will er erst einmal behalten. „Ich | |
will meine Arbeit fortsetzen“, wird er von der Nachrichten-Agentur | |
Ria-Novosti zitiert. Witali Mutko, sein Vorvorgänger im Amt, hat das ebenso | |
gehandhabt. Für ihn war es nie ein Problem, der Regierung anzugehören und | |
gleichzeitig den Russischen Fußballverband zu führen. | |
In Russland starten die sportlichen Kabinettsmitglieder erst einmal mit | |
Vorschusslorbeeren ins Amt. Die Eishockey-Legende der 1980er und 1990er | |
Jahre Wjatscheslaw Fetisow, dessen [3][Karriere als Sportfunktionär] von | |
Mutko einst ausgebremst worden war, hofft darauf, dass die guten | |
Beziehungen, die Matyzin zur olympischen Familie pflegt, dazu beitragen | |
können, das Ansehen des russischen Sports in der Welt zu verbessern – eine | |
Herkulesaufgabe. | |
23 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Antidoping-Sanktionen-gegen-Russland/!5645078 | |
[2] https://www.fisu.net/ | |
[3] /Russische-Reaktionen-auf-Doping-Strafe/!5646401 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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