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# taz.de -- Leichtathletin in der Olympiapause: Drüberspringen und drübersteh…
> Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch ist eine nachsichtige Kämpferin
> gegen Rassismus. Die Olympia-Verschiebung nutzt sie für ihr Studium.
Bild: Absprung mit Verzögerung: Marie-Laurence Jungfleisch macht 2020 eine Wet…
Als Anfang Mai die ersten Lockerungen für Spitzensportler nach dem
generellen Corona-Shutdown in Kraft getreten waren, hat es Marie-Laurence
Jungfleisch hinaus ins Freie getrieben. Auf einem Kunstrasenplatz neben dem
Olympiastützpunkt Stuttgart machte die Hochspringerin leichte
Koordinationsläufe.
Für die siebenfache deutsche Hochsprungmeisterin war es nicht nur wegen der
Coronapause [1][der dringend herbeigesehnte Neubeginn]. Im vergangenen Jahr
hatte die EM-Dritte von 2016 wegen Schmerzen an der Achillessehne ihre
Saison vorzeitig abbrechen und den Start bei der Weltmeisterschaft in Doha
absagen müssen.
Dass die [2][Olympischen Spiele in Tokio] um zwölf Monate auf 2021 verlegt
wurden, kommt der 29-Jährigen somit nicht ungelegen. Auch wenn sie sagt:
„Wir trainieren vier Jahre auf Olympia hin. Wenn dann plötzlich gesagt wird
‚Olympia fällt aus‘, dann ist das schon hart für uns.“ Doch nach der
Verschiebung kann sich die Leichtathletin des VfB Stuttgart ohne Zeitdruck
auf ihre zweite Olympiateilnahme – 2016 belegte sie mit 1,93 Metern Platz
sieben – vorbereiten. Und um nichts zu riskieren, wird sie in diesem Sommer
gar keinen Wettkampf bestreiten.
Nicht nur im sportlichen Bereich hat Marie-Laurence Jungfleisch auf die
Olympiaverlegung reagiert, sondern auch in ihrem Studium der Sozialen
Arbeit an der FH Esslingen. Um mehr Zeit fürs Training zu haben, hatte sie
den Einsatz beim Studium reduziert, doch im Frühjahr kurzfristig ihren
Stundenplan wieder aufgestockt. „Ich kann ja nicht ewig auf Sparflamme
studieren“, sagt die gelernte Erzieherin, „irgendwann muss ich fertig
werden.“
Neben dem vermehrten Training und dem intensivierten Studium war
Marie-Laurence Jungfleisch noch aus einem anderen Grund viel beschäftigt.
In der Debatte um Rassismus war sie eine gefragte [3][Interviewpartnerin],
weil sie klar Stellung bezieht. Denn die schwarze Sportlerin – der Vater
stammt aus Martinique, die Mutter aus Baden-Baden – kann auch über eigene
Negativerlebnisse berichten.
## Prägende Diskriminierungserfahrungen
„Als ich zehn oder elf Jahre alt war, wurde ich in der Schule wegen meiner
Hautfarbe gemobbt“, erzählt sie. Das sei hart gewesen, denn damals sei sie
sehr unsicher gewesen. Um Unterstützung zu bekommen, habe sie die Lehrerin
darüber informiert. „Die hat leider nicht darauf reagiert“, berichtet sie.
Mit ihren Eltern hat sie nicht über diese Probleme gesprochen. „Das habe
ich ganz allein mit mir ausgemacht“, sagt sie. Gelöst wurde das Dilemma
durch einen Schulwechsel, weil in der Folge ihre Leistungen schlechter
geworden seien.
Ihren damaligen Mitschülern macht sie wegen der Anfeindungen keine
Vorwürfe. „Ich glaube nicht, dass dies bewusst passierte“, sagt sie,
„Kinder wissen eben nicht, dass sie damit jemanden verletzen.“ Es sei mehr
ein gesellschaftliches Problem, dass ihnen dies so vermittelt werde. Die
1,81 Meter große Springerin findet es generell schlimm, jemanden wegen
seiner Haut- oder Haarfarbe, Größe oder seines Gewichts zu mobben. Und
deswegen war die 29 Jahre alte Zwei-Meter-Springerin nach eigenen Angaben
auch kürzlich in Stuttgart auf einer Demonstration gegen Rassismus.
Besonders schlimm ist rassistische Hetze in den sozialen Medien. Auf
Instagram bekommt Marie-Laurence Jungfleisch ab und zu Nachrichten von
„Fans“, die etwas in diese Richtung andeuten. Doch ihre Erfolge im Sport
haben ihr geholfen, dass sie diese Kommentare nicht mehr persönlich
treffen. „Ich bin durch den Sport viel selbstbewusster geworden“, sagt sie.
Wenn man seine eigenen Stärken nutze, dann werde man selbstbewusster und
komme mit solchen Situationen besser klar. Klipp und klar sagt sie heute:
„Ich weiß, wer ich bin, was ich bin. Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf,
was ich bin.“
## Einfach drüber reden
Mit diesem Selbstbewusstsein und den selbst gemachten Erfahrungen ist sie
auch als Erzieherin den Kindern im Kindergarten begegnet. Und mit
Offenheit. „Viele Kinder, die noch nie eine dunkelhäutige Person gesehen
haben, sind lange vor mir gestanden und haben mich einfach angeschaut“,
erzählt sie. Danach habe sie ganz normal darüber gesprochen und anhand
ihrer Geschichte erklärt, dass es unterschiedliche Hautfarben und auch
unterschiedliche Nationalitäten gibt.
„Und wenn die Kinder Fragen dazu hatten, habe ich diese einfach
beantwortet“, sagt Jungfleisch. Sie versteht dies als Wertschätzung, als
Achtung gegenüber anderen Menschen. Ihr Credo: „Man soll die Menschen so
akzeptieren und tolerieren, wie sie sind.“ Nach ihren klaren Statements
gegen Rassismus möchte sich Marie-Laurence Jungfleisch wieder dem zuwenden,
was ihre eigentliche Herzensangelegenheit ist – dem Sport.
Die Höhenjägerin sagt: „Olympia bleibt mein großes Ziel, daran hat sich gar
nichts geändert.“
11 Jul 2020
## LINKS
[1] /Profi-Leichtathletik-nach-Olympia-Absage/!5672671
[2] /Verschobene-Sommerspiele-in-Tokio/!5670725
[3] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.marie-laurence-jungfleisch-vfb-ho…
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
## TAGS
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