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# taz.de -- Black Power bei Olympia: Komitee für Korrekturen
> Olympia ist nur deshalb in der Moderne angekommen, weil es progressive
> Initiativen gab wie das „Olympische Komitee für Menschenrechte“.
Bild: Helden der Bewegung: Tommi Smith (r.) und John Carlos zeigen 1968 bei Oly…
Genug ist nicht genug, das ist die Haltung aller Pressure Groups. Ihre
Lebensaufgabe besteht darin, beständig Druck aufzubauen, denn das Erreichte
ist immer nur der eine Schritt vorm nächsten. So entsteht schnell mal der
Eindruck, dass wir nicht in Zeiten des Fortschritts, sondern der Stagnation
leben. Ein heilender Geschichtstrunk hilft meist, um die aktivistische
Symptomatik, bei der neben einer Social-Media-Blasenentzündung auch ein
fiebriger Confirmation Bias auffällig ist, zu kurieren.
Als sich im Herbst des Jahres 1967 das [1][Olympische Komitee für
Menschenrechte] in den USA formierte und daraus das Olympia-Projekt für
Menschenrechte hervorging, stand es wahrlich schlecht um den Einfluss von
schwarzen Athleten in den Vereinigten Staaten. Es ist vor allem Harry
Edwards zu verdanken, einem schwarzen Soziologen aus San José, dass damals
etwas entstand, das man als sportlichen Vorgänger der
Black-Lives-Matter-Bewegung von heute begreifen kann.
Es war eine Zeit des Aufbruchs, und allein schon die Namensgebung,
Olympisches Komitee für Menschenrechte, zeugt nicht nur vom hehren Anliegen
der Gründer, sondern auch von ihrem Selbstbewusstsein, die Missstände nun
endlich anzupacken und sich nicht mehr gängeln zu lassen. Das Komitee
bestand nur aus drei Personen und hatte nichts mit dem IOC zu tun, aber es
versuchte dennoch am großen Rad zu drehen. Sie riefen zum Boykott der
Olympischen Spiele von Mexiko auf.
## Aufruf zum Boykott der 68er-Spieler
Edwards klinkte sich mit seiner Initiative, zu der auch der später
weltberühmte Sprinter Tommie Smith gehörte, in die Black-Youth-Konferenz in
Los Angeles ein, die unter dem Motto stand: „Liberation is coming from a
black thing.“ Er versuchte, landesweit schwarze Athleten und Athletinnen
anzuschreiben, was seinerzeit gar nicht so einfach war, denn die Briefe
fielen zumeist in die Hände ihrer mehrheitlich weißen Trainer. Am 22.
November kamen über 200 Leute im Jugendraum einer Baptistenkirche zusammen
und diskutierten ihr Vorhaben.
Edwards sprach, Smith sprach, der Basketballer [2][Lew Alcindor] sagte: „We
catch the hell because we are black“, und er wolle dagegen aufbegehren. Der
Ex-Football-Spieler Dan Towler versuchte anzumerken, wie viel der
Profisport der schwarzen Gemeinschaft doch in Sachen Teilhabe gebracht
habe, aber er wurde ausgebuht. Es ging nicht um Differenzierung, sondern
nur um Durchschlagskraft. Edwards stellte mit seinen Leuten einen Katalog
von Forderungen auf.
## Massaker in Mexiko
Es kam zwar nicht zum Boykott der Spiele, was angesichts des schrecklichen
[3][Tlatelolco-Massakers], bei dem nur wenige Tage vor Beginn der
Olympischen Spiele in Mexiko-Stadt Dutzende protestierende Studenten
niederkartätscht wurden, geboten gewesen wäre, aber die Black-Power-Aktion
war nicht vergeblich, denn die Apartheidstaaten Rhodesien und Südafrika
nahmen nicht teil; Südafrika wurde 1970 sogar aus dem Internationalen
Olympischen Komitee ausgeschlossen. Und die ikonischen Gesten von Smith und
John Carlos bleiben für alle Ewigkeit.
Edwards’ Olympisches Komitee für Menschenrechte bestand nicht lang, es hat
aber einen Emanzipationsprozess angeschoben, der so einiges möglich machte:
Schwarze Olympioniken wie Mo Farah, Cathy Freeman oder Rafaela Silva wurden
in ihren Gastgeberländern zu Stars und Werbefiguren der Spiele, das
Refugee-Team des IOC wächst beständig, und mittlerweile denken die
Olympiafunktionäre sogar darüber nach, politische Meinungsäußerungen im
Rahmen ihrer Charta zuzulassen.
Nur eines hat das IOC noch immer nicht: ein eigenes Komitee für
Menschenrechte. Die Einrichtung eines beratenden Menschenrechtsausschusses
verzögert sich, heißt es. Dabei hätten die Olympiamacher doch nur abkupfern
müssen bei Edwards und Co.
19 Jun 2020
## LINKS
[1] https://globalsportmatters.com/mexico/2018/10/08/olympic-project-for-human-…
[2] https://theundefeated.com/features/lew-alcindor-kareem-abdul-jabbar-ucla-bo…
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Tlatelolco
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Black Lives Matter
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