# taz.de -- Politischer Protest bei den Spielen: Armbänder statt Fäuste | |
> Vor vierzig Jahren haben amerikanische Sportler schon einmal die | |
> olympischen Spiele für politische Statements genutzt. Die heutigen | |
> Athleten wollen nur subtil protestieren. | |
Bild: Will in Peking höchstens mit Darfur-Armband protestieren: Amerikanische … | |
BERLIN taz Jessica Mendoza ist seit 2004 Olympiasiegerin. Im | |
Softball-Finale gegen Japan schlug sie gar den entscheidenden Ball zum | |
Sieg."Das war ein Moment, den man immer wieder anschaut", sagt Mendoza, | |
doch sie meint gar nicht ihren Olympiasieg. Die 28-jährige US-Amerikanerin | |
spricht über ein Ereignis, das zwölf Jahre vor ihrer Geburt stattfand: den | |
Protest von Tommie Smith und John Carlos bei der Siegerehrung des | |
200-Meter-Laufs bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968. | |
"Das war ein effektives Nutzen ihrer Zeit im Rampenlicht", bescheinigt | |
Mendoza den beiden. Sie meint das mit aktuellem Bezug: Was sollen | |
engagierte Sportler in Peking machen? Mendoza gehört zum Team Darfur, einer | |
Sportlerinitiative für Menschenrechte, und über den effektiven Protest bei | |
der Siegerehrung hat sie auch schon nachgedacht. "Zuerst haben wir Gold zu | |
gewinnen, um diese 15 Minuten zu bekommen", sagt sie, "dann müssen wir | |
weitersehen." | |
Dem Protest von Smith und Carlos war, wie jetzt in Peking, eine | |
Boykottdiskussion vorausgegangen. "Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für | |
schwarze Menschen um aufzustehen", fragte der Sportsoziologe Harry Edwards | |
im November 1967, "um zurückzuweisen, dass wir wie Tiere für eine kleine | |
Extraportion Hundefutter vorgeführt werden?" Es schien der richtige | |
Zeitpunkt zu sein. Dem "Olympic Project for Human Rights" (OPHR), wie sich | |
die Sportlerbewegung nannte, schloss sich auch Martin Luther King an. Sie | |
forderten unter anderem die Entfernung des amerikanischen IOC-Präsidenten | |
Avery Brundage, dem sie Rassismus und Antisemitismus vorwarfen und den sie | |
"Slavery Avery" nannten sowie den Ausschluss Südafrikas und Rhodesiens von | |
den Olympischen Spielen. Als Anfang April 1968 Martin Luther King | |
erschossen wurde, erklärten sich 63 Athleten zum Olympia-Boykott bereit. | |
Brundage erkärte daraufhin, wenn die schwarzen Sportler fehlten, würde sie | |
niemand vermissen. | |
Etwa fünf Wochen vor Beginn der Spiele, blies Harry Edwards den Boykott | |
zunächst ab. Doch als es zehn Tage vor Eröffnung der Spiele in Mexiko zum | |
Massaker auf dem Platz der drei Kulturen kam - etwa 500 demonstrierende | |
Studenten wurden von der Polizei zu Tode geprügelt und erschossen - | |
verstärkte sich der Wille der meisten OPHR-Sportler zum Protest. Der sah | |
bei der berühmten Siegerehrung mit Tommie Smith und John Carlos so aus: die | |
Faust gereckt, den Blick gesenkt, um die US-Fahne nicht grüßen zu müssen, | |
nur auf Socken, um auf die Armut in weiten Teilen der USA hinzuweisen und | |
die Hände in schwarzen Handschuhen, um beim Shakehands nicht Brundages Haut | |
berühren zu müssen. | |
Es war nicht der einzige Protest in Mexiko. Die Männer der | |
400-Meter-Staffel trugen bei der Siegerehrung schwarze Baretts, die Fäuste | |
zum Black-Power-Gruß reckten sie nach der Siegerehrung, als sie das Stadion | |
verließen. Auch Ralph Boston, Dritter im Weitsprung, ging ohne Schuhe zur | |
Siegerehrung. Sie alle wurden bestraft. Smith und Carlos wurden die | |
Akkreditierungen und Visa abgenommen, sie mussten sofort das Land | |
verlassen. Beide wurden mittlerweile rehabilitert und in die Hall of Fame | |
der Leichtathletik aufgenommen. Mit Blick auf Peking 2008 sagt Tommie | |
Smith: "Ich glaube, dass Athleten, die protestieren, bestraft werden. | |
Vielleicht sogar mehr als wir." | |
Der amerikanische Sportjournalist Dave Zirin sieht die heutigen | |
amerikanischen Proteste kritisch. Er findet, dass ein Amerikaner | |
unglaubwürdig werde, wenn er sich um China, Tibet oder Darfur kümmere, aber | |
nicht gegen die US-Kriege in Irak und Afghanistan protestiere. "Es gibt von | |
vielen Sportlern berechtigte Kritik an den Arbeitsbedingungen in China", | |
sagt Zirin, "aber nicht daran, wie ihre eigenen Sponsoren diese Bedingungen | |
ausnutzen." | |
Jessica Mendoza, die in Peking aus Solidarität mit Darfur ein Armband | |
tragen will, sagt: "Ich betreibe einen Mannschaftssport, und ich will nicht | |
die Aufmerksamkeit von dem erhofften Erfolg meines Teams nehmen." | |
5 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Black Lives Matter | |
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