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# taz.de -- US-Forscher über Rassismus im Sport: „Genetischer Reduktionismus…
> Warum sind schwarze Athleten in einigen Sportarten so erfolgreich? Keiner
> weiß es, sagt John Hoberman. Aber die Antworten darauf hätten oft mit
> Rassendenken zu tun.
Bild: Schwarze im Vorteil? Die Jamaikaner Usain Bolt (Gold, Mitte) und Yohan Bl…
taz: Herr Hoberman, Ihr Buch „Darwin’s Athletes“ sorgt in den USA für
Furore: Sie warnen vor dem stereotypen Verständnis erfolgreicher schwarzer
Athleten, das dazu führt, Sporterfolge als das Einzige zu sehen, worin
schwarze Menschen gut seien, im Gegensatz zu „Weißen“. Damit ärgerten Sie
sowohl ultrarechte als auch schwarz-nationalistische Zirkel. Wie kamen Sie
dazu, dieses Buch zu schreiben?
John Hoberman: Ich wuchs in segregierten Umständen auf. Als ich in Berkeley
studierte, wurde ich vom afroamerikanischen Sportsoziologen Dr. Harry
Edwards beeinflusst. Er sagte, dass Sport den Afroamerikanern Menschen
nicht geholfen habe. Edwards Einfluss führte direkt zu den berühmten 1968er
Protesten in Mexiko City. Da ich selber Leichtathlet war, kannte ich damals
selber militant-politisch aktive Athleten. 1993 lehrte ich zum ersten Mal
einen Kurs an der Universität in Austin, Texas, über „Rasse und Sport im
Afroamerikanischen Leben“. Zum ersten Mal hatte ich dabei auch viele
afroamerikanische Studenten, was für einen „weißen“ Universitätsprofessor
eher ungewöhnlich ist. Es entstanden viele Gespräche aufgrund dieses
Kurses.
Wie kam es zur Dominanz des Rassendenkens beim Sport?
Für uns alle, die in der westlichen Gesellschaft aufgewachsen sind, gilt
eine starke rassistische Tradition. Diese Tradition behauptete, dass weiße
Europäer und Afrikaner als Rassen an verschiedenen Polen ständen: an der
Spitze die Europäer, ganz unten die Afrikaner. Das imperiale Zentrum
erwartete, dass eine relativ kleine Gruppe „weißer Europäer“ eine viel
größere Anzahl von Menschen anderer Hautfarbe dominieren solle. Die
„colonial masters“ sollten am besten an einer Eliteschule physisch
ausgebildet sein, um körperlich den Menschen mit dunklerer Hautfarbe
überlegen zu sein.
Aber am Ende des 19. Jahrhunderts, nach Abschaffung der Sklaverei, begannen
in den USA Wettkämpfe zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Männern. Ein…
„Schwarzen“ begannen die „Weißen“ zu besiegen, was für manche zu einer
Krise ihres Selbstbewusstseins führte. Sie argumentierten daraufhin, dass
wenn ein afrikanischstämmiger Mann über einen europäischstämmigen im Sport
gewinne, beweise es, dass afrikanischstämmige Menschen zu einer
primitiveren Kategorie gehörten. Hier sind wir also beim
Evolutionsrassismus gelandet, der behauptet, die „schwarze“ Rasse
entwickelte sich langsamer als die angeblich überlegene „weiße Rasse.“
Das führt dann direkt zu Berlin 1936, als der schwarze US-Amerikaner Jesse
Owens vier Goldmedaillen gewann?
Generell wird behauptet, dass dieser Triumph dem Dogma der Nazis
widersprach. Das mag sein, aber dazu gibt es auch noch eine andere nicht so
bekannte Variante. In 1939 erschien ein Artikel mit der Überschrift „Sport
und Rasse,“ der argumentierte, „schwarze Athleten“ hätten einen ungerech…
Vorteil, weil sie evolutionär primitiver und näher zum Tierreich als
„Weiße“ seien. Ein Jahr später, 1940, gab es dann ein interessantes
Gespräch zwischen Hitler und Speer, das man im Nachlass von Albert Speer
nachlesen kann. Die beiden waren sich einig, dass aufgrund des „ungerechten
Vorteils“ Afrikaner nicht mehr an Olympischen Spielen teilnehmen dürften,
sondern es nur noch weiße Spiele geben sollte.
Das ist jetzt aber 76 Jahre her, und es wurde nie umgesetzt.
Was ich in „Darwins Athleten“ behaupte, ist, dass solch fundamentale Ideen
auch heute noch existieren. Ein Beispiel sind die vielen Jahre des
ununterbrochenen Rassismus gegenüber afrikanischstämmigen Spieler im
Fußball. In Osteuropa geht es hierbei schlimmer zu als in Westeuropa. Im
Gegenteil dazu herrscht eine große Akzeptanz schwarzer Sportler und
Athleten in bestimmten Sportarten. Es ist also nicht so, als ob man nicht
Sieger mit dunklerer Hautfarbe feiern könne. Im Gegenteil. Aber auf einer
tieferen Ebene laufen noch Vorurteile über die angeblichen Unterschiede
zwischen „schwarzen“ und „weißen“ Menschen. So beklagte der französis…
Rechtsextremistenführer Jean-Marie Le Pen 1996 den großen Anteil von
Fußballspielern mit nichtfranzösischem Hintergrund in der
Nationalmannschaft.
Aber die französische Mannschaft wurde doch gefeiert.
1998 gab es dann den glorreichen Sieg des multikulturellen französischen
Nationalteams bei der Fußball-WM. Aber dann kam Südafrika 2010: Das
französische Team ist „noch schwärzer“ und beschwerte sich über den
inkompetenten „weißen Coach.“ Die gesamte politische Klasse beschimpfte das
Team als schlechte Franzosen. Hier noch ein Fall aus Deutschland: 1996
behauptete Berti Vogts, dass die Zukunft des Fußballs schwarz sei. Heute
wissen wir, dass er nicht recht hatte. Vogts wurde offensichtlich mit
tarzanähnlichen Ideen von Menschen schwarzer Hautfarbe und deren Evolution
und physischen Fähigkeiten indoktriniert.
Trifft das auch auf die Art und Weise zu, wie Chinesen diesmal bei Olympia
angesehen werden?
Chinesische englischsprachige Medien sind voll mit Anschuldigungen gegen
westliche Vorurteile bezüglich eines angeblichen Dopingverdachts. Aber es
ist nicht dasselbe. Hier wurden Chinesen nicht als Rasse angegriffen,
sondern Anschuldigungen bezüglich Doping gemacht.
Rassendenken gibt es auf beiden Seiten, sagen Sie, nicht nur auf der
„weißen“.
Man sollte nie generalisieren, aber es ist klar, dass einige
afroamerikanische Menschen sehr stolz sind bezüglich der Fähigkeiten
einiger afroamerikanischer Athleten. Die Frage ist, ob sie es als
athletisches Können sehen, oder – wie viele „Weiße“ es tun – als Kön…
aufgrund von Rassenzugehörigkeit. Michael Johnson, der ehemalige
400-Meter-Champion, behauptete in einem Dokumentarfilm in Großbritannien
erst vor einigen Monaten, dass durch die schreckliche Sklaverei eine
Selektion von Menschen stattfand, welche Generationen später zu
dominanteren Athleten geführt habe. Mit anderen Worten: Die Starken
überleben und die Schwachen sterben. Diese Erklärungen sind immer noch sehr
populär. Sie sind sehr potent und mit emotionalen Gefühlen verbunden:
schreckliches Leid, Sadismus, Massenmord, der schrecklichste Rassismus, und
am Ende dieses Leidenstunnels kommt dann diese Fantasie der
außergewöhnlichen Fähigkeit. In diesem Fall ist der Träger dieser Theorie
einer der größten afroamerikanischen Athleten unseres Zeitalters.
Gibt es aber nicht tatsächlich geografisch determinierte Eigenschaften
unter Menschen?
Hier basiert noch viel auf Spekulation. Ich habe gezeigt, dass es dazu
keine guten wissenschaftlichen Untersuchungen gibt. Also was ist los? Hier
ist ein Vorschlag: Man kann im Internet innerhalb von Minuten eine Liste
der tausend besten 100-Meter-Läufer erstellen. Hier findet man sehr wenige
Menschen, welche die moderne Welt als „weiß“ klassifiziert. Diese Daten
stehen für sich. Aber was genau sie bedeuten, weiß ich nicht. Es gibt
eigentlich niemanden, der es weiß.
Jon Entine hat in seinem Buch „Tabu: Warum schwarze Athleten im Sport
dominieren“ von geografisch bedingten Adaptionen gesprochen, die sich in
Gene umwandelten.
Ich fand dieses Buch sehr amateurhaft, es ist meiner Meinung nach kein
seriöses Buch der Wissenschaft. Dennoch erhielt „Taboo“ große Schlagzeile…
weil es öffentlich politisch unkorrekt war. Es gibt Menschen, die sich sehr
für Fantasien über das menschliche Genom interessieren, weil sie einfache
Antworten geben. Was die Wissenschaft hingegen aussagt, ist, dass
genetischer Reduktionismus einfach falsch ist. Viele Menschen wollen
Erklärungen wie „Wir wissen dass weiße Menschen solche Gene haben und
schwarze Menschen solche, und deshalb gibt es Unterschiede.“
Hat sich irgendwas durch Barack Obama geändert?
Obama zeigte der Welt die Führungskapazität afrikanischstämmiger Menschen.
Diese hatte man ihnen immer abgestritten, etwa um eine Armee zu führen oder
ein modernes Flugzeug zu fliegen. Obama und jeder als „schwarz“
bezeichneter Mensch in Führung ist ein Schritt des Fortschritts in eine
humanere Welt. Aber sogar als professioneller Beobachter der Diskussionen
ums Rassendenken bin ich sehr überrascht, wie intensiv die rassistische
Gegenreaktion auf Obama heutzutage ist. Ob es da auch eine athletische
Verbindung gibt sei dahingestellt. Einer der Wege, wie Obama sich im
Wahlkampf menschlicher machte, war Basketball. Als er vor den Wahlen die
US-Truppen in Kuwait besuchte und man ihm einen Basketball gab, da warf er
ihn aus 20 Metern Distanz genau in den Korb. Ich verstand in diesem Moment,
dass er die Wahlen gewinnen würde.
9 Aug 2012
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
Daniel Zylbersztajn
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Basketball
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