# taz.de -- Spionagesoftware „Pegasus“: Journalisten und Aktivisten abgehö… | |
> Eine internationale Recherche enthüllt: Geheimdienste vieler Länder | |
> überwachen mit der israelischen Spionagesoftware „Pegasus“ Medien und | |
> Aktivisten. | |
Bild: Auch Hatice Cengiz, die Verlobte des ermordeten Journalisten Jamal Khasho… | |
Washington/Tel Aviv afp/dpa | Hunderte Journalisten, Aktivisten und | |
Oppositionelle weltweit sind offenbar Opfer umfassender staatlicher | |
Abhöraktionen geworden. Das ergaben Recherchen der Süddeutschen Zeitung, | |
von Zeit, NDR, WDR und 15 weiteren Redaktionen aus zehn Ländern. | |
Wie die Medien am Sonntag berichteten, sollen Geheimdienste und | |
Polizeibehörden mehrerer Länder die Spähsoftware „Pegasus“ des israelisc… | |
Unternehmens [1][NSO Group] missbraucht haben, um damit die Mobiltelefone | |
der Betroffenen anzuzapfen. | |
Die internationale Recherchegruppe konnte eigenen Angaben zufolge ein | |
Datenleak mit mehr als 50.000 Telefonnummern auswerten, die mutmaßlich seit | |
2016 zum Ziel möglicher Überwachungen durch NSO-Kunden wurden. Das | |
Recherchenetzwerk erhielt die Liste von dem in Paris ansässigen Verein | |
[2][Forbidden Stories] und [3][Amnesty International]. | |
Das von NSO entwickelte Programm Pegasus gilt unter Experten als das | |
derzeit leistungsfähigste Spähprogramm für Handys und ist als Cyberwaffe | |
eingestuft worden. Es ist demnach in der Lage, infiltrierte Mobiltelefone | |
in Echtzeit auszuspähen und die Verschlüsselung von Messenger-Diensten wie | |
WhatsApp oder Signal zu umgehen. | |
## Auch Nummern von Staatsoberhäuptern auf der Liste | |
Zu den betroffenen Telefonnummern zählen laut Bericht die Nummern von | |
zahlreichen Journalisten weltweit. Darunter sind [4][laut Guardian] auch | |
Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und AP, der Zeitungen New | |
York Times, Le Monde, El País, Financial Times und der Sender Al-Jazeera, | |
Radio Free Europe und CNN. Insgesamt konnten demnach mehr als 180 Nummern | |
von Journalisten ausgewertet werden. Nummern deutscher Journalisten seien | |
nicht darunter. | |
Wie die Washington Post berichtete, standen auf der Liste auch die Nummern | |
von Staatsoberhäuptern und Ministerpräsidenten, Mitgliedern arabischer | |
Königsfamilien, Diplomaten und Geschäftsleuten. Wer die Auftraggeber der | |
möglichen Ausspähungen waren, sei aus dem Leak nicht eindeutig | |
hervorgegangen. | |
Das Recherchenetzwerk erhielt die Liste laut Washington Post von dem in | |
Paris ansässigen Verein Forbidden Stories und Amnesty International. Dem | |
Bericht zufolge wurden nicht alle Nummern gehackt. Mit Hilfe forensischer | |
Untersuchungen seien aber in 37 Fällen versuchte oder erfolgreiche Angriffe | |
mit Pegasus auf den Handys von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten sowie | |
Geschäftsleuten nachgewiesen worden. | |
## Elf Länder besonders abhörfreudig | |
Zu den Journalisten, auf deren Handys laut Bericht Spuren erfolgreicher | |
Pegasus-Angriffe nachgewiesen wurden, zählen zwei Reporter des ungarischen | |
Investigativmediums Direkt36. Die Recherche lege den Verdacht nahe, dass | |
diese Angriffe von staatlichen Stellen in Ungarn ausgeführt wurden, | |
berichtete das Recherchekollektiv. Die ungarische Regierung habe diesem | |
Vorwurf auf Nachfrage nicht widersprochen. | |
In Frankreich wurde dem Bericht zufolge unter anderem eine bekannte | |
Reporterin von Le Monde ausgespäht. Eine Analyse der Daten und weitere | |
Recherchen sprechen demnach dafür, dass diese Angriffe von Marokko | |
ausgegangen seien. Die marokkanische Regierung teilte auf Nachfrage des | |
Recherchekollektivs mit, es sei nicht erwiesen, dass es eine | |
Geschäftsbeziehung zwischen Marokko und dem Unternehmen NSO Group gebe. | |
Zu den Betroffenen zählt laut den Recherchen auch Hatice Cengiz, die | |
Verlobte des ermordeten saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi. Ihr | |
Handy sei vier Tage nach dem Mord an Khashoggi mit der Schadsoftware | |
Pegasus angegriffen worden. | |
Allein 15.000 Nummern auf der Liste entfallen laut Washington Post auf | |
Mexiko. Unter anderem taucht auch die Nummer eines freischaffenden | |
mexikanischen Journalisten auf, der in einer Autowaschanlage ermordet | |
wurde. Sein Handy wurde nie gefunden. | |
In den Recherchen werden elf Länder genannt, die die Spionagesoftware | |
erworben haben: Aserbaidschan, Bahrain, Indien, Kasachstan, Marokko, | |
Mexiko, Ruanda, Saudi-Arabien, Togo, Ungarn und die Vereinigten Arabischen | |
Emirate. | |
## NSO weist Berichte zurück und droht mit Klage | |
Die NSO Group teilte auf Anfrage der Medien mit, sie habe „keinen Zugang zu | |
den Daten der Zielpersonen“ ihrer Kunden. Die Erfassung der Nummern könne | |
„viele legitime und vollständig saubere Anwendungsmöglichkeiten haben, die | |
nichts mit Überwachung oder NSO“ zu tun hätten. | |
NSO war bereits in der Vergangenheit vorgeworfen worden, mit der Software | |
Pegasus totalitären Regierungen bei der Ausspähung von Journalisten und | |
Dissidenten geholfen zu haben. Facebook hatte NSO 2019 in den USA verklagt. | |
Der Vorwurf in der Klage lautet, NSO habe versucht, sich über eine später | |
geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones | |
zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, | |
Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Diplomaten und Regierungsbeamte | |
gewesen. | |
NSO war auch vorgeworfen worden, seine Überwachungssoftware habe bei der | |
Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi eine Rolle gespielt. | |
Laut der Washington Post gehörten zwei der Smartphones, auf denen | |
IT-Experten von Amnesty International Spuren von Pegasus-Angriffen gefunden | |
hätten, Frauen, die Khashoggi nahestanden. | |
Das israelische Unternehmen sprach am Sonntag mit Blick auf den | |
Forbidden-Stories-Bericht von „falschen Vorwürfen und irreführenden | |
Behauptungen“. Deren Quellen hätten sie mit Informationen versorgt, die | |
keine Faktenbasis hätten. „Die Vorwürfe sind so empörend und weit von der | |
Realität entfernt, dass NSO eine Verleumdungsklage erwägt.“ | |
NSO erklärte, seine Technologie stehe „in keiner Weise mit dem | |
abscheulichen Mord an Jamal Khashoggi in Verbindung“. Seine Technologie | |
werde „ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von | |
geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch Verhinderung | |
von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten“. | |
19 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nsogroup.com/ | |
[2] https://forbiddenstories.org/pegasus-the-new-global-weapon-for-silencing-jo… | |
[3] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/07/the-pegasus-project/ | |
[4] https://www.theguardian.com/world/2021/jul/18/revealed-leak-uncovers-global… | |
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