# taz.de -- „Spider-Man: A New Universe“ im Kino: Brustbeutel und Hausschuhe | |
> Jugendlich mit klebrigen Fingern: Der Film „Spider-Man: A New Universe“ | |
> ist ein visuell eindrucksvolles Coming-of-Age-Spektakel. | |
Bild: Teenager Miles Morales alias Spider-Man, der erste Spider-Man of Color | |
Aufmerksame Beobachter deutscher Schulhöfe mögen letzthin gehofft haben, | |
dass es mit „Spider-Man“ jetzt vielleicht doch mal genug ist. Wie viele | |
Schulranzen, T-Shirts, Federmäppchen und Karnevalskostüme mit dem | |
schwarz-roten Spinnenmuster soll man den ungebildeten Klassen denn noch | |
andrehen? Und nach drei Spielfilmen mit Tobey Maguire als Hauptdarsteller | |
und Sam Raimi als Regisseur, gefolgt von drei weiteren Spider-Man-Filmen | |
unter > anderer Regie, war die Geschichte des Nerds, der Superkräfte | |
entwickelt, nachdem er von einer radioaktiven Spinne gebissen wird, | |
scheinbar zu Ende erzählt. | |
Doch [1][beim Marvel-Verlag], der die Rechte an „Spider-Man“ hält, sieht | |
man das anders: Möglicherweise gibt es irgendwo in den Kinderzimmern dieser | |
Welt ja doch noch Hausschuhe, Kugelschreiber oder Armbanduhren, die nicht | |
die Maske der menschlichen Spinne ziert. Irgendwie muss da doch noch der | |
ein oder andere Merchandising-Deal drin sein? So ungefähr wird die Idee | |
entstanden sein, auf die „Spider-Man“-Spielfilme nun einen Animationsfilm | |
folgen zu lassen. | |
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft muss daher „Spidey“ abermals mit klebrig… | |
Fingern und persönlichen Problemen die Welt vor einem Superschurken retten. | |
Langsam entwickeln sich die Marvel-Storys so zum zeitgenössischen | |
Gegenstück des Neuen Testaments, der „Odyssee“ oder der Märchen der Brüd… | |
Grimm. | |
Sie wurden inzwischen so oft weitererzählt und dabei neu interpretiert, | |
dass jede Generation ihre eigenen Version dieser Geschichten hat und so | |
lange über sie diskutieren kann, bis Hollywood die nächste Variante dieser | |
Sagen auftischt. | |
Diesmal steckt unter dem Spinnenkostüm der Teenager Miles Morales, der in | |
den Comics nach dem Tod des Original-Spinnenmanns der erste Spider-Man of | |
Colorwurde. Irgendwie tauchen in seiner Welt durch eine Art Urknall weitere | |
Spidermänner aus Paralleluniversen auf. Einer sieht aus wie Schweinchen | |
Dick. Einer erinnert an Will Eisners schwarz-weißen „Spirit“. Eine | |
weibliche Version stammt anscheinend aus einem Manga-Comic. Und dann gibt | |
es noch eine weitere weibliche Version der Spinne in Menschengestalt, die | |
offenbar die Rolle des girl next door einnehmen soll in diesem | |
Coming-of-Age-Actionfilm. | |
## Mit allen Comicwassern gewaschen | |
Als Team zeichnen sich unsere Helden eher durch motorische Probleme aus als | |
durch sympathische Charakterzüge. Irgendwann ist es interessanter, darauf | |
zu achten, was die gesammelten Spider-Men eigentlich nicht zerstören, als | |
darauf, was sie alles in Trümmer legen. Die psychologische Unterfütterung | |
der endlosen Prügeleien wird zwar immer wieder aufdringlich betont | |
(Vaterkonflikt!), führt aber nirgendwohin. | |
Visuell ist „Spider-Man: A New Universe“ allerdings ein Triumph. | |
Superclever. Mit allen Comicwassern gewaschen. In dieser grafischen | |
Materialschlacht wird alles zitiert, was nicht rechtzeitig auf den Bäumen | |
war: die verschwommenen Farben der Zeitungsbeilagen, die die | |
„Spider-Man“-Comics aus den 50er Jahren kennzeichneten; die ungelenke | |
60er-Jahre-Fernsehversion; die Comicbooks mit ihren Rastern und | |
Schraffuren, durch die das holzhaltige Papier scheint; die digitalen | |
3-D-Räume der Gegenwart, vor denen unsere zweidimensionalen Helden | |
herumturnen. | |
Technisch ist dieser Film ein Höhepunkt des Animationsfilms – schon bevor | |
er in ein Finale mündet, das aussieht wie die Stargatesequenz aus „2001“, | |
die mit Graffitimustern aus der Sprühdose dekoriert wurde, bevor sie auf | |
eine explodierende Lavalampe plus „Tron“ traf. Und bevor der Abspann mit | |
seinen kaleidoskopischen Mustern dann die wahre, exzessive Klimax des Films | |
liefert. | |
Ein Film, auch ein Trickfilm, braucht neben technischer Virtuosität aber | |
auch eine Geschichte und eine Seele. Beides fehlt. Schade. | |
Die Handlung verbirgt sich gekonnt hinter atemberaubender Schnittfolge und | |
endlosen Kampfszenen, die irgendwann Kopfschmerzen bereiten. Oder zum | |
Wegdämmern anregen. Letztlich konnte auch die mitgeführte Zielgruppe (zwei | |
Töchter im Alter von 12 und 15 Jahren) dem aufgeregte Plot irgendwann nicht | |
mehr folgen. Warum sich Spidey eigentlich knapp zwei Stunden mit dem | |
Endgegner Kingpin herumschlagen musste, hat im Grunde niemand verstanden. | |
Egal. Ein paar Lunchboxes und Brustbeutel wird man mithilfe dieses Films | |
verkauft bekommen. Womit der Zweck der Übung erreicht sein dürfte. | |
13 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tilman Baumgärtel | |
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