# taz.de -- Sperrmüll-Kieztage in Berlin: Kein Recycling ohne Auto | |
> Gegen Müll im öffentlichen Raum gibt es in Berlin jetzt Sperrmüllevents. | |
> Zukunftsweisend ist das nicht, denn das Recycling funktioniert nur mit | |
> Auto. | |
Bild: Sperrmüllentsorgung auf Berliner Art: Ab auf die Straße und da bleibt e… | |
Mit dem Sperrmüll ist es in Berlin ja so eine Sache. Dem Straßenbild nach | |
zu urteilen besteht die übliche Art der Entsorgung darin, den Kram einfach | |
vor die Tür zu stellen und zu hoffen, dass er irgendwann von alleine wieder | |
verschwindet. Um diesen „illegalen Müllablagerungen im öffentlichen Raum“ | |
vorzubeugen, hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) die Kieztage ins Leben | |
gerufen, die ab jetzt zweimal im Monat pro Bezirk stattfinden sollen. | |
Das Prinzip dahinter: An wechselnden Standorten können Berliner*innen | |
Sperrmüll, Elektroschrott oder Altkleider abladen, es gibt einen Tausch- | |
und Verschenkemarkt und der Rest wird dann von der BSR entsorgt. | |
Klingt nach einer guten Sache und besser, als den alten Krempel zum | |
Recyclinghof zu fahren, ist es allemal. Kein ewiges Schlangestehen, keine | |
genervten Mitarbeiter*innen, die einem sagen, dass man dies oder das falsch | |
einsortiert und überhaupt viel zu viel Sperrmüll hat. Weshalb man am Ende | |
doch wieder Geld zahlen muss und sich insgeheim wünscht, man hätte den Kram | |
einfach wie alle anderen auf die Straße gestellt. | |
Doch nun gibt es ja die Kieztage. „Die mobilen Entsorgungsevents kommen dem | |
urbanen Lebensstil entgegen“, verspricht dann auch die BSR. Klingt toll. | |
Und urban und Event in einem Satz, was soll da schiefgehen. Aber welcher | |
Lebensstil ist hier eigentlich genau gemeint? | |
Im (noch) rot-grün-rot regierten Berlin, das sich die Mobilitätswende groß | |
auf die Fahnen geschrieben hat, bedeutet das offenbar nach wie vor, ein | |
Auto zu besitzen. Zumindest ist das weiterhin notwendig, um alles, was | |
nicht in die Mülltonne passt, umweltfreundlich entsorgen zu können. Seine | |
ausgediente Couch oder Spülmaschine kann man immerhin schwerlich mit dem | |
Fahrrad zum nächsten „Entsorgungsevent“ transportieren, das in dieser | |
großen Stadt gut und gerne ein paar Kilometer entfernt ist. | |
## Andere Städte machen vor, wie es besser geht | |
Dass das nicht so sein muss und Sperrmüllentsorgung auch Klima- und | |
Verbraucher*innenfreundlich geht, zeigt ein Blick in andere Städte. | |
In Frankfurt am Main etwa können die Bürger*innen einmal pro Monat bis | |
zu zehn Kubikmeter vor ihrer Haustür abholen lassen – und zwar völlig | |
kostenlos. Auch in Bremen ist dieser Service in den regulären Gebühren für | |
die Müllentsorgung enthalten, ebenso in Stuttgart, Wiesbaden oder Mainz. | |
Auch wenn die Abholung hier auf wenige Termine im Jahr beschränkt ist. | |
Doch Berlin müsste gar nicht in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so | |
nah: In Potsdam im benachbarten Brandenburg kann man seinen alten Krempel | |
nicht nur kostenlos abholen lassen, sondern auch so oft man will. Wenn das | |
nicht dem urbanen Lebensstil entgegenkommt, was dann? | |
Doch in Berlin, wo die Mieter*innen ohnehin schon unter hohen Mieten | |
ächzen, kostet die Abholung der ollen Matratze oder des kaputten | |
Lattenrosts satte 100 Euro für fünf Kubikmeter. Das ist zwar immer noch | |
weniger als in München, wo allein für die Anfahrt der Stadtreinigung 45 | |
Euro fällig werden und jeder Kubikmeter noch mal extra kostet (20 Euro), | |
aber weit mehr als etwa im Hamburg (35 Euro), Leipzig oder Dresden (25 | |
Euro). | |
Wer also in der Hauptstadt kein Auto und kein Geld hat, dem bleibt | |
eigentlich nichts anderes übrig, als seinen Kram auf die Straße zu stellen. | |
Und zu hoffen, dass jemand noch ärmer ist und damit noch etwas anfangen | |
kann. Nachhaltig und sozial geht anders. | |
17 Mar 2023 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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