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# taz.de -- Soziologe über Gewalt im Fußballstadion: „Eskalation durch Nich…
> Soziologe Andreas Klose über sogenannte Stadionallianzen, die den
> Konflikt zwischen Polizei und Ultras entschärfen sollen.Wie funktionieren
> sie?
Bild: Brenzlige Situation bei Eintracht Frankfurt: Im Block wird gezündelt und…
wochentaz: Herr Klose, zuletzt ist es vermehrt zu Gewalt zwischen
Fußballfans und der Polizei gekommen. Die Fronten scheinen verhärtet,
wieder einmal. Stadionallianzen sind ein Konzept, um diese
Eskalationsspirale zu beenden. Was ist die Idee dahinter?
Andreas Klose: Das Kernelement ist die Bereitschaft zu Kommunikation und
verbindlichen Planungen für die Durchführung von Spieltagen vor allem in
den ersten drei Fußballligen. Dafür finden Gespräche in Vor- und
Nachbereitung der Spiele statt.
Wer kommuniziert da miteinander?
Alle, die an der lokalen Kultur eines Spieltages beteiligt sind. Also die
Vereine, Fanbeauftragte, betroffene Polizeidienststellen, Ordnungsämter und
sozialpädagogische Fanprojekte. Von Anfang an ging es darum, ein Forum zu
finden, in dem die unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze eingebracht
werden können. Ziel der Stadionallianzen ist es, ein gemeinsames Konzept
für den lokalen Standort zu formen. Das war natürlich auch eine deutliche
Absage an die nationalen, gesetzlichen ordnungspolitischen Maßnahmen, die
sich damals viele gewünscht hatten.
Baden-Württemberg hat die Stadionallianzen 2017 als erstes Bundesland
eingeführt, Niedersachsen folgte 2020. Sie haben deren Erfolg in einer
[1][im Dezember 2022 veröffentlichten Studie] untersucht. Mit welchen
Erkenntnissen?
Durch Corona fällt die Bewertung in Niedersachsen schwer, aber für
Baden-Württemberg hatten wir drei aussagekräftige Jahre. Was wir
herausgefunden haben, ist zum einen, dass es eine extrem hohe Zustimmung
für die Stadionallianzen gibt – über alle Statusgruppen und Institutionen
hinweg, auch bei der Polizei. Zum anderen, auf einer quantitativen Ebene,
haben wir einen kontinuierlichen Rückgang der Einsatzkräfte bei
Fußballspielen in Baden-Württemberg konstatieren können. Gleichsam gab es
weniger Anzeigendelikte und Verletzte. Diese Ergebnisse haben die
vorherrschende Meinung, dass es immer weiter einschränkende Maßnahmen
braucht, etwas durchbrochen.
Weniger Einsatzkräfte und trotzdem weniger Gewalt. Es scheint, als sei das
noch nicht bei allen angekommen. Fanvertreterinnen kritisieren aktuell
einen Anstieg der Polizeipräsenz und -gewalt. Teilen Sie diese Beobachtung?
Schwer zu sagen, man müsste das über einen längeren Zeitraum beobachten.
Aber es lassen sich bestimmte Veränderungen nach Corona feststellen.
Welche sind das?
Wir sehen zum Beispiel, dass [2][vermehrt Pyrotechnik] im Fußballstadion
gezündet wird. Mit Blick auf die Vorfälle in den letzten Wochen finde ich
aber vor allem interessant, dass es bei diesen Vorfällen nicht mehr zu
Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fangruppen gekommen ist,
sondern Fans und Polizei aneinandergeraten sind. Und zum ersten Mal seit
langer Zeit passieren diese Auseinandersetzungen wieder vermehrt im
Stadionbereich. Auch das ist neu.
Vor drei Wochen auf St. Pauli drangen Beamte in den Gästeblock ein und am
letzten Wochenende kam es [3][in Frankfurt] vor dem Eingang von Block 40,
dort wo die Ultras zu Hause sind, zur Konfrontation. Beides Mal gab es
anschließend zahlreiche Verletzte. Führt die Polizei im Umfeld des Blocks
automatisch zur Eskalation?
In beiden Fällen habe ich keine Detailkenntnis, wie sich die Situationen
entwickelt haben. Aber es ist erschreckend, wie wenig scheinbar ausreicht,
um solche Eskalationen auszulösen. In Frankfurt ging es darum, dass
Menschen sich mit einer Karte für einen anderen Block Zugang zum Block 40
verschaffen wollten. Das ist jetzt nicht völlig unüblich. Es gibt dort
augenscheinlich Dinge, die besprochen werden müssen. Wann sind Blöcke
überfüllt? Wer übernimmt die Verantwortung dafür? Wer greift wie ein? Und
wer hat die Entscheidungshoheit über Regeln?
In Frankfurt sollen Fans auf Sicherheitsmitarbeiter losgegangen sein,
woraufhin diese die Polizei zur Hilfe gerufen haben. Statt einer
Deeskalation gab es anschließend über 100 Verletzte auf beiden Seiten.
Könnten Stadionallianzen das verhindern?
Ja, Grundlage der Vorbereitung auf den Spieltag wäre sicherlich, wie man
mit solchen Konflikten umgeht. Auch, dass die Polizei wie in Frankfurt ein
Spiel zum Risikospiel erklärt und weder Verein noch Fans davon wissen,
würde bei gelingenden Stadionallianzen für Irritation bei allen Partnern
sorgen.
Das Konzept lebt von der Kommunikation. Wie schätzen Sie die aktuelle
Dialogbereitschaft zwischen Fans und Polizei ein?
Wenn man sich anschaut, wie diese Eskalationen entstehen, nämlich ungeplant
und aus Nichtigkeiten heraus, dann muss es große Gegensätze geben. Dazu
gehören gegenseitige Verdächtigungen und Vermutungen, dass der andere etwas
im Schilde führt. Deswegen ist es so wichtig, sich zu verständigen und
miteinander in den Dialog zu gehen.
Unmittelbar nach solchen Vorfällen wie in Hamburg oder Frankfurt erscheint
das kaum vorstellbar.
Stadionallianzen sind ja auch kein Feuerwehrkonzept, sondern bauen sich
langsam auf. Die langfristige und erfolgreiche Arbeit findet lange vorher
statt, wenn die Ebenen dafür geschaffen werden, wie man in Krisen
miteinander umgeht.
Sind Sie optimistisch, dass sich die Eskalationsspirale nicht immer weiter
dreht?
Ja. Und zwar deshalb, weil es überhaupt keinen anderen Weg zu mehr
Miteinander gibt als den Dialog. Wenn diese Ebene verlassen würde, wäre ich
nicht mehr optimistisch. Aber ich glaube, alle Beteiligten haben
grundsätzlich ein Interesse am Austausch.
2 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.fh-potsdam.de/aktuelles-medien/news/forschungsbericht-stadional…
[2] /Zunahme-von-Pyrotechnik-in-Stadien/!5931521
[3] /Ausschreitungen-bei-Eintracht-Frankfurt/!5970321
## AUTOREN
David Kulessa
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