# taz.de -- Sondervollmachten in Ungarn: Orbán braucht EU nicht zu fürchten | |
> Seit Montag kann Ungarns Premier Viktor Orbán per Verordnung regieren. | |
> EU-Abgeordnete wollen ihn davon abbringen – mit einer Petition. | |
Bild: Ungarns Parlament stimmt seiner eigenen Entmachtung zu. Viktor Orbán (Mi… | |
BRÜSSEL taz | Dass [1][Viktor Orbán machtversessen] ist, war längst | |
bekannt. „Hallo Diktator“, rief der frühere EU-Kommissionschef Jean-Claude | |
Juncker schon 2015 aus, wenn er den ungarischen Regierungschef traf. Damals | |
lachte ganz Brüssel über die Anrede – es war ja nicht ernst gemeint. Doch | |
nun, fünf Jahre später, ist der EU das Lachen vergangen. Denn Orbán meint | |
es ernst, verdammt ernst sogar. | |
Der rechtsnationale Fidesz-Politiker hat sich vom ungarischen Parlament mit | |
umfassenden Sondervollmachten ausstatten lassen, die an eine Diktatur | |
erinnern.Ein Notstandsgesetz wird es ihm fortan ermöglichen, auf dem | |
Verordnungsweg zu regieren, am Parlament vorbei. Begründet wird es mit der | |
Coronakrise, doch viele Maßnahmen – wie das Verbot von Wahlen und die | |
Einschränkung der Pressefreiheit – zeugen eher von Orbáns Wunsch, | |
missliebige Kritiker und Konkurrenten auszuschalten. | |
Dergleichen hat es in der EU noch nie gegeben – und es sollte eigentlich | |
auch nicht möglich sein. Schließlich hat sich Ungarn wie alle anderen | |
Mitgliedsstaaten verpflichtet, europäische Grundwerte wie Demokratie und | |
Rechtsstaat zu achten. Auch die Meinungs- und Pressefreiheit ist in Europa | |
ein hohes, geschütztes Gut. | |
## Von der Leyen windet sich | |
Doch wer nun erwartet hatte, dass die EU-Kommission scharf gegen Orbans | |
„Ermächtigungsgesetz“ (so nennt es die ungarische Opposition) protestiert, | |
sieht sich getäuscht. Junckers Amtsnachfolgerin Ursula von der Leyen | |
reagierte erst gar nicht – und veröffentlichte dann eine windelweiche | |
Erklärung wie von Radio Eriwan. | |
„Alle Notstandsmaßnahmen müssen auf das, was notwendig ist, begrenzt und | |
streng verhältnismäßig sein. Sie dürfen nicht unbegrenzt dauern“, sagte d… | |
CDU-Politikerin am Dienstag in Brüssel. Doch den Namen Orbán erwähnte von | |
der Leyen nicht. Und von möglichen Sanktionen gegen Ungarn sprach sie schon | |
gar nicht. Alles geschehe „im Geiste der Kooperation“, versprach von der | |
Leyen. | |
Genauso gut hätte sie erklären können, dass sie Orbán vertraut und weiter | |
ganz eng mit ihm zusammenarbeiten möchte – wie schon bei ihrer Nominierung | |
zur Kommissionspräsidentin im Sommer 2019. Schon damals war die | |
CDU-Politikerin auf Orbáns Stimme angewiesen. Und schon damals vermuteten | |
Kritiker im Europaparlament, dass von der Leyen es mit Demokratie und | |
Rechtsstaat nicht so genau nehmen werde. | |
Nun wählen einige Europaabgeordnete einen ungewöhnlichen Weg, um sie doch | |
noch zum Eingreifen zu zwingen. Der Grüne Daniel Freund, der Liberale Guy | |
Verhofstadt und die SPD-Politikerin Gabi Bischoff haben eine Petition auf | |
der Online-Plattform change.org lanciert. Unter der Überschrift | |
[2][„Verteidigt unsere Demokratie in der Corona-Krise“] fordern sie unter | |
anderem, die Direktzahlungen von EU-Hilfen an die Regierung in Budapest | |
auszusetzen. | |
Am Geldbeutel werde sich Orban noch am ehesten packen lassen, glauben viele | |
in Brüssel. Im künftigen EU-Budget ab 2021 soll es auch einen | |
entsprechenden neuen Hebel geben. Doch bisher konnten sich die 27 | |
EU-Staaten noch nicht darauf einigen. Orban darf weiter abkassieren, der | |
„Diktator“ hält die EU mehr denn je zum Narren. | |
31 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Europaeischen-Gerichtshof-und-Ungarn/!5669816 | |
[2] https://www.change.org/p/european-commission-verteidigt-unsere-demokratie-i… | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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