Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU kritisiert Ungarn: Unmut über Notstandsgesetz wächst
> In Brüssel wird die Kritik an Ungarns Vorgehen in der Coronakrise
> schärfer. Premier Orbán tut den Streit mit Seitenhieb auf „Brüsseler
> Blase“ ab.
Bild: Kann dank Corona per Dekret regieren: Orbán
Brüssel/Budapest afp/dpa | Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat die
Kritik der Europäischen Union (EU) an seinem autoritären Kurs in der
Corona-Krise als das Werk einer „Brüsseler Blase“ abgetan. „Womit
beschäftigt sich Brüssel? Mit uns.“, sagte er am Freitag im staatlichen
Radio. „Dabei könnte man mit Zusammenarbeit Menschenleben retten. Das täte
jetzt not.
Die ungarischen Notstandsgesetze hatten zuletzt für wachsenden Unmut in der
EU gesorgt. 14 Mitgliedstaaten warnten in einer offensichtlich auf Ungarn
bezogenen Erklärung vor nachhaltigen Eingriffen in die Grundrechte im Zuge
der Corona-Krise. 13 Mitglieder der konservativen Europäischen Volkspartei
(EVP) forderten am Donnerstag einen Ausschluss von Orbáns rechtsnationaler
Fidesz-Partei. Ein Regierungssprecher in Budapest sprach daraufhin von
einer „Hexenjagd“.
Die 14 Unterzeichnerstaaten zeigten sich „tief besorgt“ über Risiken für
die Rechtsstaatlichkeit, die durch „bestimmte Notfallmaßnahmen“ entstehen
könnten. Ungarn und Orbán werden in der Erklärung zwar nicht explizit
genannt. Doch ist offenkundig, dass sich die Warnung auf das vom Parlament
am Montag verabschiedete [1][Notstandsgesetz in Ungarn] bezieht.
Dieses erlaubt Orbán, unbegrenzt per Dekret zu regieren. Er kann den wegen
der Pandemie geltenden Notstand ohne Zustimmung des Parlaments beliebig
verlängern. Das Notstandsgesetz sieht auch Haftstrafen von bis zu fünf
Jahren für die Verbreitung falscher Berichte sowohl über die Pandemie als
auch über das Handeln der Regierung vor.
## Nur das „unbedingt Nötige“
Es sei zwar „legitim“, dass Mitgliedstaaten „ungewöhnliche Maßnahmen
ergreifen, um ihre Bürger zu schützen und die Krise zu bewältigen“, hieß …
in der Erklärung von 14 der 27 EU-Länder. Doch warnten die
Unterzeichnerstaaten vor Gefahren, die durch bestimmte Notstandsmaßnahmen
für „die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der
Grundrechte“ entstehen könnten.
Die 14 Staaten forderten, dass alle Notfallmaßnahmen in der Corona-Krise
auf das „unbedingt Nötige“ beschränkt sowie zeitlich befristet bleiben
müssten. Unterzeichnet wurde die Erklärung neben Deutschland von Belgien,
Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg,
den Niederlanden, Portugal, Spanien und Schweden. Am Donnerstag schloss
sich auch Lettland nach Angaben des dortigen Außenministeriums den
Forderungen an.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte ebenfalls
Sorge über die jüngsten Entwicklungen in Ungarn. Ihr sei bewusst, dass die
EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen die Pandemie Notfallmaßnahmen ergreifen
müssten, sagte sie in Brüssel. Sie habe jedoch die Sorge, dass einige
Maßnahmen zu weit gingen. „Und ich bin besonders besorgt über die Situation
in Ungarn“, fügte sie hinzu.
Ein EU-Diplomat sagte, in Brüssel würden die Entwicklungen „völlig
ungläubig beobachtet“. Sie machten noch einmal deutlich, dass die
Auszahlung von EU-Mitteln von der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit abhängig
gemacht werden müsse.
## Tusk will Fidesz rausschmeißen
Der EVP-Vorsitzende Donald Tusk will das Verfahren zum Ausschluss der
Fidesz-Partei aus der EVP neu beleben. 13 Mitgliedsparteien forderten am
Donnerstag in einem Brief an Tusk den Ausschluss der Fidesz. CDU und CSU
waren aber ebenso wenig dabei wie andere große nationale Parteien von über
80 Mitgliedsparteien.
„Wir möchten unsere tiefe Besorgnis über die politischen Entwicklungen in
Ungarn ausdrücken“, hießt es in dem Brief. Das Notstandsgesetz stelle
„einen Verstoß gegen die Gründungsprinzipien liberaler Demokratie und
europäische Werte“ dar. Es sei zu befürchten, dass Orbán seine neu erlangte
Macht dazu nutze, um die Zivilgesellschaft weiter einzuschränken, hieß es.
Unterzeichnet wurde der Aufruf durch die Vertreter von Mitgliedsparteien in
Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Litauen, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Slowakei, Schweden und Tschechien.
Bisher sind drei Versuche gescheitert, die Fidesz auszuschließen – nach
Angaben aus Parteikreisen auch, weil die CDU sich weigerte, dies
mitzutragen.
Orbán steht seit Jahren wegen der Einschränkung von Bürgerrechten, der
Unabhängigkeit der Justiz sowie der Medien- und Meinungsfreiheit in der
Kritik. Von einem Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU und mehreren
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ließ sich der Ministerpräsident aber
nicht beeindrucken.
3 Apr 2020
## LINKS
[1] /Ermaechtigungsgesetz-in-Ungarn/!5675700
## TAGS
Ungarn
Viktor Orbán
Ungarn
Europäische Kommission
Ungarn
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kurs gegenüber Ungarn: Selbstverzwergung der EU
Jetzt rächt sich, dass Europa viele Jahre dem Treiben Viktor Orbáns
zugesehen hat und keine Wege für Sanktionen fand.
Wert und Werte der EU in Krisenzeiten: In der Pathosfalle
Nicht träumen, kümmern: Die EU-Fans müssen zu einem neuen Selbstbild
finden. Gerade Corona zeigt, was ohne sie vermisst würde: Freiheit,
Gemeinschaft.
Sondervollmachten in Ungarn: Orbán braucht EU nicht zu fürchten
Seit Montag kann Ungarns Premier Viktor Orbán per Verordnung regieren.
EU-Abgeordnete wollen ihn davon abbringen – mit einer Petition.
Ermächtigungsgesetz in Ungarn: Orbáns Corona-Coup
Jetzt kann er durchregieren – auf unbestimmte Zeit. Die EU reagiert mit
Appellen und so. Orbán wird's nicht kümmern.
Corona in Ungarn: Orbán will per Dekret regieren
Das Parlament diskutiert ein Gesetz, mit dem es sich selbst entmachten
würde. Außerdem: Wer die Quarantäne bricht, dem droht jahrelange Haft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.