# taz.de -- Sondergipfel in Brüssel: EU beschließt Belarus-Sanktionen | |
> Zypern hat beim Gipfel das Veto aufgehoben und machte damit den Weg für | |
> die Strafmaßnahmen frei. Sie sollen rund 40 Personen aus Belarus | |
> betreffen. | |
Bild: Bei den Massenprotesten in Belarus kommt es immer wieder zu Gewalt gegen … | |
BRÜSSEL dpa | Nach wochenlanger Blockade hat die Europäische Union doch | |
noch Sanktionen gegen die Verantwortlichen für Wahlbetrug und Gewalt in | |
Belarus auf den Weg gebracht. Zypern zog in der Nacht zum Freitag beim | |
EU-Gipfel in [1][Brüssel sein Veto zurück] und erhielt dafür Zugeständnisse | |
mit Blick auf den Rivalen Türkei: Die EU droht weiter mit Sanktionen gegen | |
Ankara. Gleichwohl sucht sie auch den Dialog. Dafür hatte auch | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel geworben. | |
Den Beschlüssen vorausgegangen war beim Gipfel stundenlanger Streit über | |
die Türkei-Politik. Ankara lässt im östlichen Mittelmeer in von | |
Griechenland und Zypern beanspruchten Meeresgebieten Erdgasfelder | |
erforschen. Die EU hatte der Türkei deshalb Ende August ein Ultimatum | |
gesetzt und mit zusätzlichen Sanktionen gedroht. Im Verhältnis zu | |
Griechenland zeichnete sich danach etwas Entspannung ab, nicht aber mit | |
Zypern. Zypern forderte die Strafmaßnahmen nun ein und wollte die | |
Belarus-Sanktionen nur unter dieser Bedingung mittragen. Nach langem Hin | |
und Her lenkte Zypern ein. | |
Merkel begrüßte die Beschlüsse zu Belarus und der Türkei als „großen | |
Fortschritt“. Die Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos seien „ein | |
sehr wichtiges Signal“, sagte die CDU-Politikerin. Zur Türkei-Politik der | |
EU habe es eine „lange, schwierige Diskussion“ mit Zypern und Griechenland | |
gegeben. Man wolle nun trotzdem eine „konstruktive Agenda mit der Türkei | |
aufrufen – vorausgesetzt, dass die Bemühungen um die Abnahme der Spannungen | |
auch vorangehen“. | |
Sie hoffe, dass es nun wieder „Verhandlungsdynamik“ mit der Türkei auch mit | |
Blick auf die Flüchtlingspolitik und die Zollunion mit der EU geben werde, | |
betonte Merkel. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, die Türkei | |
müsse beweisen, dass sie den konstruktiven Weg mitgehen wolle. | |
## Österreichs Kanzler plädierte für härtere Linie mit Türkei | |
Spätestens beim Dezember-Gipfel soll erneut über die Lage im östlichen | |
Mittelmeer gesprochen und entschieden werden, wie es weiter geht. | |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, für den Fall, dass der Dialog | |
nicht fortgesetzt werde, seien dann restriktive Maßnahmen vorgesehen. Der | |
österreichische Kanzler Sebastian Kurz hatte schon jetzt für eine härtere | |
Linie plädiert und Sanktionen sowie den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche | |
mit der Türkei gefordert. | |
Von der Leyen und Ratschef Charles Michel zeigten sich erleichtert, dass | |
die seit Wochen auf Eis liegenden Belarus-Sanktionen nun kommen. Sie sollen | |
nach Michels Worten nach einem schriftlichen Verfahren sofort in Kraft | |
gesetzt werden. Dies sei ein klares Signal der Glaubwürdigkeit der EU, | |
sagte Michel. | |
Mit den Strafmaßnahmen will die EU zusätzlichen Druck auf die Führung in | |
Belarus (Weißrussland) aufbauen und ein Zeichen der [2][Solidarität mit den | |
Menschen] in dem Land setzen. In der ehemaligen Sowjetrepublik gibt es seit | |
der Präsidentenwahl am 9. August Proteste und [3][Streiks gegen | |
Lukaschenko], der bereits 26 Jahre an der Macht ist. | |
Die EU-Sanktionen sollen nach dem derzeitigen Planungsstand 40 Personen | |
treffen, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen oder der gewaltsamen | |
Niederschlagung von friedlichen Protesten vorgeworfen wird. Lukaschenko | |
selbst soll zunächst nicht darunter sein. Denn man will diplomatischen | |
Optionen zur Beilegung des Konflikts offen halten und den Kurs notfalls | |
später noch einmal verschärfen. | |
## EU-Ratschef wollte EU als einige Gemeinschaft präsentieren | |
EU-Ratschef Michel hatte den zweitägigen Sondergipfel einberufen, um die EU | |
als einige Gemeinschaft und als starken Akteur auf der Weltbühne zu | |
präsentieren. Mit der Türkei und Belarus standen auch die Beziehungen zu | |
China auf der Tagesordnung. Der Gipfel verurteilte offiziell die Vergiftung | |
des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny in Russland, insbesondere wegen der | |
Nutzung chemischer Waffen. Darüber hinaus forderten die Staats- und | |
Regierungschef einhellig ein sofortiges Ende der Gewalt in der | |
Konfliktregion Berg-Karabach im Süden des Kaukasus. | |
Am zweiten Tag des Gipfels soll es am Freitag unter anderem um | |
„Strategische Autonomie“ der EU gehen bei wichtigen Gütern wie | |
Medikamenten, aber auch bei digitaler Infrastruktur. Ziel sind zum Beispiel | |
eigene europäische Computer-Clouds sowie ein einheitliches europäisches | |
System zur elektronischen Identifizierung – genannt e-ID. Am Rande soll der | |
Gipfel auch den Stand beim Brexit beraten. | |
2 Oct 2020 | |
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