# taz.de -- Softporno bei der Berlinale: Ohne Sex keine Sextoys | |
> Sam Taylor-Johnson verfilmt den Weltbestseller „Fifty Shades of Grey“. | |
> Sadomaso ist der Film nur auf eine bestimmte Art und Weise | |
Bild: Mehr Piano als Peitschen: Still aus „Fifty Shades of Grey“. | |
Die Welt ist schlechter, als man denkt. Jetzt wird schon ein Kinderfilm als | |
heißer Erotikfilm vermarktet. Was das wohl für den in „Fifty Shades of | |
Grey“ fett vorgefahrenen Sportwagen von Audi bedeutet? Ist er auch nur | |
Behauptung? Welches Genie macht eigentlich das Audi-Marketing? | |
Als Genie purer Behauptung ist auch Sam Taylor-Johnson zu entdecken, die | |
bei der Verfilmung des Weltbestsellers von E. L. James Regie geführt hat. | |
Einst, als sie noch Sam Taylor-Wood hieß und ein Young British Artist war, | |
überzeugte sie mit eleganten Filminstallationen, ironischen Etüden, in | |
denen sie etwa Dustin Hoffman und anderen bekannten Männern dieser Welt | |
beim Weinen zuschaute. | |
Alle Achtung, wie sie es geschafft hat, noch mal „Pretty Woman“ zu | |
inszenieren; nur dass hier nicht die Hure zu Armani, sondern die Studentin | |
in die Privatboutique voll exquisiter Folterwerkzeuge ihres reichen | |
Liebhabers geführt wird. Das ist folgerichtig. Die Prostituierte kennt | |
schließlich den Shop mit den Sextoys. | |
## Über's Ficken reden, aber es nicht tun | |
Deshalb bekommt sie die Edelklamotten, die nun ständig im Bild sind. Anders | |
die Studentin: Entgegen aller Erwartung kommen die tollen Apparate, Ketten, | |
Peitschen und Aufhängevorrichtungen in „Fifty Shades of Grey“ so gut wie | |
nicht zum Einsatz. Ein kleines Paddel darf auf Dakota Johnsons zarte Haut | |
niedergehen, deren schmale Handgelenke dann auch mal in schweres Leder | |
gelegt werden. Das war es, bis zum Schluss der Gürtel von Christian Grey | |
(Jamie Dornan) auf sie niederfährt. | |
Es braucht keine Sextoys, wo es keinen Sex gibt. Christian Grey bekommt | |
nämlich seine Jeans nicht über den Arsch runtergezogen. Und so spricht der | |
smarte, erfolgreiche Jungunternehmer zwar ständig davon, die sexuell | |
unerfahrene Studentin Anastastia Steele ficken zu wollen – einzig: so kann | |
er das nicht. | |
In einem kürzlich gegebenen Interview meinte Sam Taylor-Johnson, die | |
Sexszenen seien statt explizit geschmackvoll gefilmt. Nun ja. Sofern man | |
das von Leerstellen sagen kann. In diesem Interview bekannte sie weiter, | |
ein modernes Märchen inszeniert gewollt zu haben. | |
## Sado-Verträge | |
So muss man „Fifty Shades of Grey“ wohl lesen, nur aufgepeppt durch | |
vertraglich abgesicherten Sadomaso-Sex. Wie oft und wie lange muss die | |
„Sub“ (die submissive, unterwürfige Studentin) dem „Dom“ (dem dominant… | |
Jungindustriellen) zur Verfügung stehen? Wie darf sie ihn ansprechen? Wie | |
muss sie ihren Körper pflegen? Immerhin: Mit dem von ihr so auffällig in | |
Szene gesetzten Vertrag hat die Regisseurin doch noch echten Sadomaso im | |
Film untergebracht. | |
Denn wie sie richtig zeigt, regelt der Vertrag nur am Rand ein sexuelles | |
Spiel, vorrangig geht es ihm um ein politisches. Und das darf man wörtlich | |
nehmen. Da sind wir dann wieder bei Audi, und bei den vom Autobauer | |
unterstützten Ceta-, TTIP- oder Tisa-Abkommen, bei all den smarten, | |
mächtigen Großunternehmen und Monopolisten, die die naiven oder gekauften | |
Politiker aller Länder über den Tisch ziehen. Und dann geht die Peitsche | |
auf uns nieder. Haben wir Spaß? | |
12 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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