# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Die Verbrechen des Rizzuto-Clans | |
> „Bad Blood“ zeigt die Mafia als das, was die Mafia ist: eine bewaffnete | |
> Bande mit Eliten in Staat, Verwaltung, Polizei, Justiz und Geschäftswelt. | |
Bild: Mafia-Boss Rizzuto (Anthony LaPaglia, 2.v.r.) und sein Angestellter Gardi… | |
Mafiafilme sind Familien-, sind Vaterfilme. Aber wenn die Mafien sich | |
professionalisieren und entprovinzialisieren, kommen andere Elemente hinzu, | |
es geht um globale Firmengeschichten wie um kleinbürgerliche | |
Angestelltenschicksale, Freud und Marx und Kracauer sagen sich bitter | |
hallo. | |
Der mal mehr komische, mal mehr gruslige Verfremdungstrick ist dabei uralt, | |
Herman Munster war ein Monster, aber monströs eben nur als solches und nach | |
außen hin – nicht als liebevoller Familienvater daheim; [1][Toni Soprano | |
war ein krimineller Psychopath] und ein mächtiger Boss, aber doch auch der | |
ewige große Jungen von nebenan, dem es als Kunstfigur fast nie gut bekam, | |
wenn er das heimische New Jersey verließ: Bei allem nach außen drängen, | |
braucht es – und hier könnte man direkt aus den Berichten der italienischen | |
Anti-Mafia-Kommission zitieren – ein definiertes Territorium, das | |
beherrscht wird und das bei der Verfilmung interessante Lokalschatten | |
wirft. | |
Die kanadische Serie „Bad Blood“ spielt in Montreal, die Rocker sprechen | |
demgemäß Englisch mit einem ihnen eigentlich nicht angemessenen süßen | |
französischen Akzent; anderseits sind sie eben doch nur Rocker – | |
unverzichtbar für das Verticken der Droge und manche Brachialitäten, aber | |
letztlich zu dauerbesoffen, um wirkliche Ansagen machen zu können. Das | |
gleiche gilt für die restlichen, ethnisch definierten kriminellen Gruppen, | |
die Cosa-Nostra-Boss Vito Rizzuto – eine reale Figur – Anfang der 2000er | |
Jahre zu einem Syndikat zusammenzwingt. | |
Es ist das inhaltlich größte Verdienst der Serie, dass hier endlich einmal | |
Mafia als das gezeigt ist, was sinnvollerweise allein Mafia genannt werden | |
kann: Rizzuto macht den Gangs klar, dass er es ist, der die Stadtverwaltung | |
(und deren Bauaufträge) sowie die Polizei kontrolliert und dass deswegen er | |
allein der Chef ist: „Mafia“ eben als die Verbindung einer kriminellen, | |
bewaffneten Bande mit Eliten in Staat, Verwaltung, Polizei, Justiz und | |
Geschäftswelt. | |
## Vater- und Sohnkomplex | |
Zentral für die Serie ist allerdings der menschliche Konflikt, der | |
Vaterkomplex, der Sohnkomplex, der einfach nicht auszurottende | |
Angestelltenirrtum, mehr zu sein, als ein Angestellter. Declan Gardiner | |
(großartig: Kim Coates) heißt das irische Findelkind, das | |
Gangster-Mädchen-für-alles, das sich einbildet, Teil der Familie zu sein – | |
und bitter enttäuscht wird. | |
Nicht minder konsequent wird die Figur Rizzuto entwickelt und von Anthony | |
LaPaglia umgesetzt, der so charmante wie gnadenlose Egomane, für den nichts | |
Bedeutung hat außer seinem Ich und dem daraus abgeleiteten Zweit-Ich, | |
seinem unfähigen Sohn Nico. Nicht nur Declan lässt sich an der Nase | |
herumführen, auch die einzige erwähnenswerte Frauenfigur in dieser | |
Männerwelt, Rizzutos Geliebte Michelle (Maxim Roy), schafft es nicht, den | |
eiskalten Charme des Psychopathen zu durchdringen. | |
In der zweiten Staffel, die in Deutschland noch nicht zu sehen ist – die | |
erste gibt es bei Netflix – soll dann die kalabrische Ndrangheta richtig | |
ins Spiel kommen. Wer's nicht erwarten kann: Im Internet findet sich genug | |
Lesestoff zu diesem sehr realen Mafia-Krieg in Kanada. | |
28 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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