# taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Kein Stil und keine Helden | |
> Die Mafia-Serie „Gomorrha“ geht in die dritte Staffel. Aber so gut | |
> gestorben wie in den Mafia-Serien der 80er-Jahre wird dabei nicht. | |
Bild: Die „Gomorrha“-Camorristi sind mit billigen Chinarollern oder adipös… | |
Wie die Mode und das Design kommt auch das Verbrechen in Italien so viel | |
stilvoller daher als anderswo. Kam, müsste man sagen. Denn die neue Staffel | |
der Mafia-Serie „Gomorrha“ macht dem ein Ende. | |
Schon in den 1980er Jahren waren die Killer Heranwachsende auf dem | |
Motorrad. Aber ihre Auftraggeber; das waren kultivierte Rechtsanwälte, | |
Adelige, Industrielle, in Geheimlogen organisierte Politiker oder ein | |
Sammler schöner Dinge, dem alte Uhrwerke soviel und Menschenleben so wenig | |
bedeuteten. Der auratische Kreuzritter, der gegen sie antrat, wurde von | |
Michele Placido gespielt, dem das Graumelierte mindestens so gut stand wie | |
Richard Gere. Sie vergewaltigten seine Tochter und ermordeten seine Frau, | |
und als am Ende der vierten Staffel „Allein gegen die Mafia“ der | |
commissario von 70 Kugeln durchsiebt wurde, da war das einer der | |
bewegendsten Fernsehmomente des Jahrzehnts. | |
„Gomorrha“ geht nun schon in die dritte Staffel – zu sehen auf Sky Ticket, | |
Sky Go und Sky on Demand. Ein Großteil der Handlung besteht aus der | |
Vorbereitung und Ausführung von Mordaufträgen. Aber heroisch stirbt hier | |
niemand. Kein Tod ist bewegend. Es sind so viele. Am Ende der zweiten | |
Staffel war die Tochter Ciro Di Marzios (Marco D’Amore) auf dem Schulweg | |
ermordet worden. Aber Ciro hatte zuvor mit eigenen Händen seine Frau, ihre | |
Mutter, umgebracht; hatte in Staffel eins eine Teenagerin zu Tode gefoltert | |
und verbrannt. Mit ihm will man nicht fühlen. Nicht einmal, wenn er jetzt | |
eine minderjährige Zwangsprostituierte aus den Händen bulgarischer Gangster | |
befreit. Es gibt in „Gomorrha“ keine Identifikationsfiguren, keine Helden, | |
noch nicht einmal Polizisten. Nur camorristi, Mafiosi also, und andere | |
Verbrecher. | |
Am Ende von Staffel zwei hatten sich Ciro, der abtrünnige Soldat des | |
Neapolitaner Savastano-Clans, und Gennaro Savastano (Salvatore Esposito), | |
der Kronprinz, auf den Tod von dessen Vater Don Pietro verständigt. Der | |
hatte zuvor seinem Getreuen Malammore den Mord an Ciros Tochter befohlen. | |
Malammore gehört zu den Altlasten, die nun beseitigt werden müssen. Das | |
Entsorgen von Leichen – sei es durch Zerteilen mit Metzgerwerkzeug oder | |
durch Übergießen mit flüssigem Stahl – ist in der neuen Staffel ein | |
wiederkehrendes Motiv. | |
Ciro hat die Lektion, dass er nicht zum Befehlsempfänger taugt, offenbar | |
noch nicht gelernt. Kaum hat er bei organisierten Verbrechern in Sofia | |
angeheuert, sieht er sich schon wieder veranlasst, seinen neuen Boss zu | |
erschießen. Und kaum ist Gennaro seinen Vater los, hat er Probleme mit dem | |
Schwiegervater. | |
In „Allein gegen die Mafia“ fuhren wohlproportioniert-kantige Autos, wie | |
sie Alfa, Fiat und Lancia in den 1980ern gebaut haben. Die | |
„Gomorrha“-camorristi sind, je nach Status, mit billigen Chinarollern oder | |
adipösen deutschen SUVs in ihren verslumten Vierteln unterwegs. Ihre | |
Flachbildfernseher stecken in pseudobarocken Schnörkelrahmen. Wie Gennaro | |
es fertigbringt, die neu bezogene weiße Villa sofort wieder mit güldenem | |
Tand vollzustopfen, ist schlimmer mit anzusehen als jeder Mord. | |
22 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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