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# taz.de -- Selbstgemachte Pasta einer Expertin: Die Knoblauchlektion
> Knoblauch anbraten und auf seinen guten Geschmack hoffen? So einfach ist
> es nicht. Wie es richtig geht, zeigt Sara Lusena in ihrem kleinen Café.
Bild: Vorgeschälter Knoblauch? Für Italienerin Sara Lusena ist das ein No-Go
Berlin taz | Wer Knoblauch anbrät, „muss auf ihn achten wie auf sein
eigenes Kind“. Sara Lusena meint es ernst. Sie sagt es auf Englisch, sie
hat zwölf Jahre in New York gelebt, sagt, „care for“, sagt „mind“. Und…
rätselt sie zusammen mit einer Frau, die schon Stunden in Lusenas kleinem
Café im Berliner Stadtteil Wedding sitzt und auch lange in New York gelebt
hat, wie das auf Deutsch heißen könnte. Sie einigen sich auf: kümmern, „um
Knoblauch muss man sich kümmern“. Ein Auge drauf halten – das ist zu wenig.
„Glauben Sie mir, als Mutter habe ich mich gekümmert, ich war da, ich war
mehr da, als da sein meint“, sagt Lusena. Sie hat zwei Kinder, eine
15-jährige Tochter und einen 19-jährigen Sohn.
Der Kinder wegen ist sie nach Europa zurück. Erst nach Mailand, wo sie
aufgewachsen ist. Weil sie dort nur miese Jobs als Privatlehrerin bekam,
ihr amerikanisches Diplom wurde nicht anerkannt, ist sie nach Berlin. Dort
wohnt auch ihre Schwester. „New York mit kleinen Kindern, alleinerziehend
dazu, das willst du nicht“, sagt sie.
Sie hat in New York Literatur studiert, das Schöne im Wort – und nebenher
gejobbt trotz des Stipendiums. Die Hauptsache für sie: alles mit
Leidenschaft tun. Leidenschaftlich kocht sie auch seit vier Jahren in
Berlin. „Ich koche gerne, aber gut essen ist meine wirkliche Passion.“
Eigentlich wollte Lusena das Café in Berlin mit ihrem Exfreund, einem Koch,
machen. Eine Woche bevor es losging, trennte er sich von ihr. Ihr Glück,
dass der Laden ihrer Mutter gehört und nicht gemietet ist. Das hält ihr den
Rücken frei.
Jetzt, das ist die Idee, soll Lusena zeigen, wie man Knoblauch richtig
zubereitet. Und zwar so, dass am Ende drei Sinne bedient werden: Geruch,
Geschmack und Nachgeschmack. Nicht nur soll sich im Raum dieser herrliche
Duft von angebratenem Knoblauch verbreiten, der Knoblauch soll auch auf der
Zunge ein rauchig-röstig-schwefliges Feuerwerk anzetteln. Und nach dem
Essen soll er auf den Geschmacksknospen hängen bleiben, auch nachdem das
Gericht verspeist ist; es soll nicht geschluckt und vergessen sein.
Sara Lusena ist die Richtige für diese Lektion. Sie steht im blauen Hemd,
ihrer Schürze und der Wollmütze auf dem Kopf in ihrer kleinen Lokalität,
die „Café Rosa“ heißt. Rosa, nach der rosa Farbe, in der sie den Raum
gestrichen hat. „Rosa, [1][weil Rosa glücklich macht].“
Vier Vintage-Tische stehen im Raum und eine höher gelegte Tischplatte als
Tresen. Zu essen gibt es täglich zwei Pastagerichte, für jeden Gast extra
zubereitet, zum Trinken Kaffee, selbstgemachte Limonade und Hibiskustee,
der so stark ist, dass er salzig schmeckt. Auch die Nudeln macht Lusena
selbst. „Mit Knoblauch?“, fragt sie jede und jeden, als wäre es eine
Glaubensfrage.
Bevor die Lektion beginnt, packt Lusena eine halbe Stunde Theorie davor.
Theorie, das sind Geschichten über Knoblauch. Dass sie nur zwei Menschen
kenne, die Knoblauch nicht vertragen. Eine davon ist die Frau, die schon
Stunden im Lokal sitzt, weil sie auf jemanden wartet. Dann, dass, ganz
wichtig, niemals vorgeschälter Knoblauch benutzt wird. Dass, ebenso
wichtig, die Zehe niemals mit Metall in Berührung kommen darf. „Man sagt,
Metall nimmt dem Knoblauch das Aroma.“ Und dass fast alle Italiener und
Italienerinnen, die bei ihr reinschneien, zwar wollen, dass mit Knoblauch
gekocht wird, ihn dann aber nicht essen. Dagegen essen fast alle Deutschen
den Knoblauch. „Geht, wenn es um kulturelle Identität geht, in die Küche
und guckt da“, sagt sie.
Auch von ihrem Vater erzählt sie. Sie verehrt ihn, liebt ihn, er half ihr
mit den Kindern, als sie wieder in Italien lebte. „Er hat wahnsinnig gerne
gegessen, auch Knoblauch, war immer dick.“ Und sie erzählt, dass er ihr
seine sephardische Kultur nicht weitergegeben hat, zu viel historisches
Unglück sei damit verknüpft. In der Küche vom Café hängt ein Foto von ihm.
Er ist vor ein paar Monaten an Corona gestorben.
Und dann erzählt sie noch diese Geschichte von Hanne und Hans,
österreichische Freunde, die oft bei ihrer Mutter zu Besuch waren. Bekochte
die Mutter sie, durfte kein Knoblauch ans Essen, denn Hans wollte nicht,
dass Hanne, die Knoblauch sehr mochte, danach roch, wenn er sie küsste.
Hanne hat für ihn verzichtet. „Aber wozu?“ Hans sei ein Frauenheld gewesen
und irgendwann mit einer anderen über alle Berge. „Ach Hanne, hättest du
doch Knoblauch gegessen.“ Jetzt kommt Lusena richtig in Fahrt. Denn
Beziehungen seien wie Knoblauch: „Wenn er nicht durch ist, ist er nicht
gut, und ist er verkocht, schmeckt er auch nicht.“
Dann endlich stellt sie sich in die Küche, nimmt eine Knoblauchzehe und
drückt sie mit dem Handballen flach. Das ist der erste wichtige Trick, denn
jetzt lässt sich die Knoblauchzehe ganz leicht schälen. Wer es nicht
schafft, mit schierer Handkraft die Zehe platt zu drücken wie sie, kann
auch den hölzernen Griff eines Messers zu Hilfe nehmen. Dann rupft sie die
Knoblauchzehe längs auseinander und pult den Stielansatz heraus, „ich weiß
nicht, warum ich ihn rausnehme. Ich mache es eben so.“
Sie gießt Olivenöl in die Pfanne, pflückt die länglichen Stücke klein, gibt
sie ins Öl. In heißes? „Nein, nein, der Knoblauch soll sich langsam
entfalten, nicht geschockt werden.“ Sobald das Öl heiß ist, bleibt sie in
der Nähe. „Ein paar Sekunden abgelenkt, und alles kann vorbei sein.“ Auch
sie hätte schon Knoblauch verbrannt und sich geärgert.
Als der Knoblauch gelb ist, nimmt sie die Pfanne vom Feuer, stellt sie
schräg und lässt die Knoblauchstückchen unter Beobachtung im heißen Öl
weiterbrutzeln. Werden sie nicht so golden, wie sie es für gut befindet,
stellt sie die Pfanne zurück auf die Flamme und wiederholt das Prozedere.
Als die Knoblauchstückchen die leichte goldene Ockerfarbe haben, nimmt sie
sie heraus und brät im Fett Chili und Rosmarin an. Knoblauch, grüner Chili,
schwarzer Pfeffer, Sardellenpaste, Pinienkerne, Rosmarin, Parmesan. Auf
Maronennudeln. Ihre Variation eines toskanischen Rezeptes.
Sie serviert die Pasta auf Vintage-Tellern. Sie ist eine Müllvermeiderin.
Wer die Pasta mitnehmen will, bekommt sie in einem Teller, über den sie
einen zweiten Teller legt. Das schlägt sie in ein Tuch ein. „Du kannst mir
die Sachen später wiederbringen“, sagt sie.
13 Feb 2022
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## AUTOREN
Waltraud Schwab
## TAGS
Kochen
Gastronomie
Genuss
italienisches Essen
Prophylaxe
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Buch
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