# taz.de -- Seegrenze zwischen Libanon und Israel: Eine Kurzzeitdeeskalation | |
> Für die libanesische Bevölkerung wird das Abkommen über die Seegrenze und | |
> die Gasförderung wenig ändern. Die Früchte erntet die korrupte Führung. | |
Bild: Israelischer Ministerpräsident Lapid unterzeichnet das Abkommen über di… | |
Dass Libanon und Israel ein Abkommen geschlossen haben, das ihre Seegrenze | |
und die Verteilung von Erdgasvorkommen im Mittelmeer regelt, ist | |
historisch. Die beiden Staaten befinden sich offiziell noch im | |
Kriegszustand und unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Doch der | |
Deal ist kein Heilsbringer. Zunächst profitieren zwei scheidende | |
Machthaber: Israels Ministerpräsident Jair Lapid hofft, dass das Abkommen | |
seine [1][Wiederwahl am Dienstag] unterstützt. | |
Der libanesische Präsident Michel Aoun scheidet am Montag aus dem Amt – er | |
verbucht den Abschluss als Erfolg seiner Amtszeit und hat die Sache | |
geschickt seinen Widersachern entzogen, um seinen korrupten Schwiegersohn | |
als Nachfolger zu begünstigen. Im Libanon ist das Abkommen ein Gewinn für | |
die politische Klasse, aber ein Debakel für die Gesellschaft. Damit wird | |
das Ansehen der korrupten Elite auf internationaler Ebene gefestigt; in | |
Washington und Paris gilt Beirut anscheinend als zuverlässiger Akteur. | |
Dabei hat die politische Führung eine der größten nicht nuklearen | |
Explosionen der Geschichte und die [2][drittgrößte Wirtschaftskrise seit | |
150 Jahren] zu verantworten. Der Deal bringt nicht gleich mehr Strom. | |
Abgesehen davon, dass die Ressource nicht endlos ist und es mit Wind oder | |
Solar weitaus nachhaltigere Lösungen gib – wie viele Gasvorkommen wirklich | |
in dem Feld Kana liegen, ist unklar. | |
## Fragen nicht geklärt, sondern verschoben | |
Libanon hat nicht mal angefangen zu bohren, und es wird Jahre dauern, bis | |
das Gas gewonnen wird. Weil der Energiesektor der korrupteste Sektor im | |
Libanon ist, wird das Geld ganz sicher in Scheinfirmen oder Unternehmen von | |
Politikern landen. Hinzu kommt: Die wichtigsten wirtschaftlichen Fragen zur | |
Gewinnbeteiligung sind nicht geklärt, sondern nur verschoben. Hier müssen | |
die Länder weiter verhandeln. | |
Immerhin bedeutet der Deal einen erheblichen Ansehensverlust für die | |
schiitische Partei und Miliz Hisbollah. Libanon unterschreibt über die USA | |
einen Vertrag mit einem Land, das Libanon offiziell nicht anerkennt. Die | |
[3][Hisbollah] wird durch ihre Verbündete im Parlamentsblock, die Partei | |
des Präsidenten Aoun, auf einmal zu einem Wirtschaftspartner mit Israel. | |
Die Organisation dürfte ihre Mobilisierung an der Grenze beenden. Die | |
libanesischen Streitkräfte werden nicht mehr auf einen Krieg vorbereitet. | |
Das Abkommen ist eine Kurzzeitdeeskalation an der Grenze – es ist aber kein | |
Friedensabkommen. Ein solches wäre mit der Hisbollah als Partei im Libanon | |
nicht möglich. Die Miliz speist ihre Existenz daraus, „Widerstandskraft“ | |
gegen Israel zu sein. Die Normalisierung des Feindes würde das | |
De-facto-Ende der Organisation bedeuten. Sie würde sich mit allen Mitteln | |
gegen ein Friedensabkommen wehren. | |
28 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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