# taz.de -- Schottlands SNP wählt neues Oberhaupt: Sturgeon hinterlässt ein L… | |
> Am Montag wird das Ergebnis der Urabstimmung bekannt, wer Nicola Sturgeon | |
> an der Spitze von Partei und Regierung nachfolgt. Kein Kandidat kommt ihr | |
> gleich. | |
Bild: Out of here: Nicola Sturgeon, scheidende Premierministerin von Schottland… | |
DUBLINtaz | Die Schottische Nationalpartei (SNP) bekommt am heutigen Montag | |
eine neue Parteiführung – und Schottland damit eine neue Regierungsspitze. | |
Zwei Frauen und ein Mann haben sich beworben, nachdem Partei- und | |
Regierungschefin Nicola Sturgeon vorigen Monat ihren [1][Rücktritt | |
angekündigt hatte]. In den vergangenen zwei Wochen konnten die | |
SNP-Mitglieder ihre Stimme abgeben. | |
„Keine der drei Personen ist sonderlich beeindruckend“, sagt Wahlforscher | |
John Curtice, Professor an der Strathclyde University in Glasgow, zur taz. | |
„Die Partei muss jemanden finden, der dieselbe Überzeugungskraft hat, um | |
den Menschen die Unabhängigkeit schmackhaft zu machen. Sturgeon hatte sie. | |
Die Kandidaten haben sie nicht.“ | |
Noch vorige Woche war fast ein Drittel der befragten Parteimitglieder | |
unentschlossen. Man weiß lediglich, wer es nicht wird: Ash Regan, die im | |
Oktober wegen des neuen Gender-Gesetzes, das es einfacher machen soll, den | |
amtlichen Geschlechtseintrag zu ändern, aus dem schottischen Kabinett | |
austrat, liegt bei Umfragen abgeschlagen auf dem letzten Platz. | |
Schottlands Finanz- und Wirtschaftsministerin [2][Kate Forbes] kommt unter | |
den Parteimitgliedern auf 25 Prozent, Gesundheitsminister Humza Yousaf | |
liegt mit 31 Prozent vorne. Anders sieht es aus, wenn man die | |
Gesamtöffentlichkeit befragt. Die hat Zweifel an Yousafs Kompetenz und | |
bevorzugt Forbes. | |
## Wieviele Menschen sind eigentlich Parteimitglied? | |
„Ihr Problem ist es“, sagt Curtice über Forbes, „dass sie bei denjenigen | |
populär ist, die ihre Partei nie wählen würden.“ Forbes, eine evangelikale | |
Christin, ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, und sie findet es | |
falsch, uneheliche Kinder in die Welt zu setzen. In der vermeintlich linken | |
SNP gibt es einen starken konservativen Flügel. Deutlich mehr Mitglieder | |
der SNP als bei Labour oder Liberaldemokraten wünschen sich härtere Strafen | |
für Kriminelle sowie die Wiedereinführung der Todesstrafe. | |
Vorige Woche kam es im Wahlkampf zum Eklat, weil die SNP-Geschäftsführung | |
nicht herausrücken wollte, wie viele wahlberechtigte Parteimitglieder es | |
überhaupt gibt. Schließlich kam heraus, dass die SNP in den vergangenen | |
zwei Jahren 30.000 Mitglieder verloren hat, fast ein Drittel. Zwar hat sie | |
noch immer mehr Mitglieder als alle anderen schottischen Parteien zusammen, | |
wie Sturgeon betonte, aber SNP-Geschäftsführer Peter Murrell musste dennoch | |
zurücktreten. Er ist Sturgeons Ehemann. | |
Alle Kandidaten sind für die schottische Unabhängigkeit. Mit Sturgeons | |
Rücktritt hat die Unabhängigkeitsbewegung aber ihr größtes Zugpferd | |
verloren, meint der Direktor des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Mori, | |
Keiran Pedley: „Das verschafft dem Unionismus den größten Auftrieb seit | |
2014, als das Unabhängigkeitsreferendum scheiterte.“ | |
Curtice glaubt, dass Sturgeon geht, weil sie die Kontrolle über die | |
Strategie für die Unabhängigkeit verloren habe. Nachdem Großbritanniens | |
Oberstes Gericht im November entschied, dass Schottlands Regionalparlament | |
nicht befugt sei, im Alleingang ein neues Referendum anzuberaumen, wollte | |
Sturgeon die nächsten Unterhauswahlen, die wohl 2024 anstehen, zu einem | |
De-facto-Referendum machen. Das stieß auf Widerstand in ihrer Partei. | |
„Durch meinen Rücktritt mache ich den Weg frei für die SNP, die Strategie | |
zu wählen, die sie für richtig hält, ohne sich über die möglichen Folgen | |
für mich als Parteichefin sorgen zu müssen“, sagte sie. | |
## Gefahr für die SNP: Labours Aufschwung in England | |
Hinzu kommt bei ihr offenbar ein Burn-out. Sturgeon sagt, sie habe seit | |
Ende vorigen Jahres über einen Rücktritt nachgedacht. „Als ich die | |
[3][Rücktrittserklärung der neuseeländischen Premierministerin Jacinda | |
Arder]n im Fernsehen hörte“, sagt sie, „wünschte ich mir, das wäre ich.�… | |
Aber sie hinterlasse ihre Partei in einer starken Position: „Ich oder | |
besser gesagt meine Partei hat acht Wahlen gewonnen in den acht Jahren, in | |
denen ich Parteichefin war.“ | |
Zuletzt ist Labour in Schottland aber wieder erstarkt. Lag die linke | |
Oppositionskraft bei den Wahlen 2019 noch 26 Prozentpunkte hinter der SNP, | |
sind es jetzt nur noch 14. „Die Gefahr für die SNP ist aber nicht der | |
Aufschwung von Labour in Schottland, sondern in England“, analysiert | |
Wahlforscher Curtice unter Verweis darauf, dass in gesamtbritischen | |
Umfragen Labour weit vorne liegt und bei den nächsten Wahlen 2024 mit einem | |
Sieg rechnen kann. „Wenn diese Prognosen zutreffen, wird Labour nicht auf | |
die SNP angewiesen sein, um eine Mehrheit zu bilden, und muss einem | |
Referendum nicht zustimmen.“ | |
Vorigen Donnerstag stand Sturgeon zum letzten Mal im Regionalparlament in | |
Edinburgh Rede und Antwort. Es war ein emotionaler Abschied. Curtice | |
glaubt: „Es wird nicht leicht sein, in ihre Fußstapfen zu treten. Sie ist | |
immer noch die [4][populärste Politikerin im Vereinigten Königreich].“ | |
26 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schottlands-Nummer-eins-will-abtreten/!5912767 | |
[2] https://www.bbc.com/news/uk-scotland-scotland-politics-64886840 | |
[3] /Ruecktritt-von-Nicola-Sturgeon/!5916612 | |
[4] /Ruecktritt-von-Nicola-Sturgeon/!5912749 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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