# taz.de -- Schlagzeuger Art Blakey: Hard Bop für die Ewigkeit | |
> „If the band is better than the drummer, it’s not a jazz band.“ Der gro… | |
> Schlagzeuger Art Blakey wäre am Freitag 100 geworden. | |
Bild: Holte sich die besten jungen Musiker seines Landes in die Band: Art Blakey | |
BERLIN taz | Sie waren alle gekommen. Wayne Shorter, Benny Golson, Curtis | |
Fuller und Freddie Hubbard. Musiker, die entscheidend dazu beigetragen | |
hatten, dass afroamerikanischer Jazz ab den fünfziger Jahren eine Coolness | |
erlangte, von der Europäer nur träumen konnten. Im Oktober 1989 reisten die | |
US-Heroen allerdings als ältere Herren in schlecht sitzenden Anzügen an, | |
zur Geburtstagsparty ihres ehemaligen Bandleaders in die graue Konzernstadt | |
Leverkusen. | |
Art Blakeys 70. Geburtstag stand bevor, und die Leverkusener Jazztage | |
organisierten aus diesem Anlass einen All-Star-Gig, um den großen | |
Schlagzeuger zu feiern. Man lud ein Dutzend Musiker ein, die einst The Jazz | |
Messengers gewesen waren – Mitglieder jener Band, als deren Chef Blakey für | |
35 Jahre amtete. Als Letzter erschien der Jubilar selbst zu den Proben, | |
denen selbstverständlich auch seine aktuelle Band beiwohnte. | |
The Jazz Messengers Ende der Achtziger: sechs aufstrebende Jazztalente, nur | |
einer älter als 30. Blakey, schlohweißes Haar, noch weißeres Hemd, kam zur | |
Lunchzeit in den Konzertsaal, besah sich die ergraute Garde um Shorter und | |
Hubbard und bemerkte, er werde nur mit seiner Band spielen, auf keinen Fall | |
mit diesen alten Knackern: „They’re yesterday.“ | |
Etliche Legenden wie diese, kolportiert vom Festivalorganistaor Mike | |
Hennessey, ranken sich um Art Blakey, doch dass der Drummer, der am 11. | |
Oktober dieses Jahres seinen 100. Geburtstag feiern würde, je inkonsequent | |
gewesen wäre, wird kaum jemand behaupten wollen. Blakey wechselte die | |
Besetzung seiner Jazz Messengers umso häufiger, je älter er wurde. „I’m | |
gonna stay with the youngsters“, kündigte er schon 1954 an. „Und wenn mir | |
die zu alt werden, hole ich mir eben Jüngere. Das hält den Geist frisch.“ | |
## Seine Drumbreaks leben weiter | |
Blakey hat kaum bedeutsame Kompositionen hinterlassen. Dafür fulminante | |
Drumbreaks, denen Künstler wie Black Eyed Peas, [1][A Tribe Called Quest] | |
und KRS-One in Sampleform neue Anerkennung verschafften. | |
Blakey findet selbst im notorisch unmusikalischen Deutschrap Anerkennung. | |
So ließen die Kölner Rapper Retrogott & Hulk Hodn ihrem Jazzvorbild 2018 in | |
dem Track „Arbeitanderbasis“ per Reim Zuneigung zuteilwerden: „Art Blakey | |
schickt mir laufend Jazzmessages.“ | |
Das größte Verdienst des US-Schlagzeugers war es jedoch, sich die besten | |
jungen Musiker seines Landes jeweils in die Band zu holen und ihnen Raum | |
zur Entfaltung zu geben. Die Jazz Messengers waren nichts anderes als eine | |
Ausbildungsstätte, eine Art Brutkasten für Talente. Auch die Trompeter | |
Donald Byrd, Lee Morgan und Wynton Marsalis sowie der Pianist Keith Jarrett | |
schwitzten als junge Unbekannte in diesem Stall. „Als wir die Messengers | |
formierten, haben alle darauf bestanden, dass ich der Leader sein sollte“, | |
erinnerte sich Blakey im Jahr 1977. „Ich wollte das nie sein – keine Lust | |
auf die Kopfschmerzen. Aber ich schätze, ich war einfach der Erfahrenste.“ | |
Zur Welt kam Art Blakey 1919 in Pittsburgh, Pennsylvania. Die Fabrikschlote | |
der „Steel City“ qualmten 24 Stunden nonstop, die Luft über dem Ohio River | |
bot kaum einmal klare Sicht. Er wuchs in einer Pflegefamilie bei strengen | |
Adventisten auf, die ihm einen christlichen Glauben aufzwangen, den er | |
später abzuschütteln suchte. Der Schlagzeuger neigte in Interviews zum | |
Fabulieren, doch es scheint erwiesen, dass sein Leben kein leichtes war. | |
## Noch so eine Legende | |
Blakey erzählte stets, dass er schon mit 13 Jahren in den Kohlebergwerken | |
von Pittsburgh schuftete und kurz darauf heiratete, seine Frau starb früh | |
an einer Hirnblutung. Laut einer Quelle war er in den dreißiger Jahren | |
zunächst ein gefragter Pianist, andere Quellen berichten, Blakey sei an dem | |
Instrument kläglich gescheitert. Seine Karriere am Flügel beendete ein | |
Clubbesitzer, der ihn mit vorgehaltener Pistole zur Schießbude scheuchte. | |
So weit die Legende. | |
Nachgewiesen ist, dass Blakey erste wichtige Auftritte unter Sänger Billy | |
Eckstine hatte. Nachdem sich dessen Bigband aufgelöst hatte, so erzählte | |
Art Blakey 1973, ging der Schlagzeuger für zwei Jahre nach Westafrika und | |
konvertierte dort zum Islam. Eine Zeit lang nannte er sich Abdullah Ibn | |
Buhaina. In den fünfziger Jahren war „Bu“, wie ihn Freunde fortan riefen, | |
Trommler von Bandleadern wie Miles Davis und Thelonious Monk, ehe er eine | |
eigene Band gründete. | |
Noch so eine Legende: Im neuen Quintett waren Blakey und Pianist Horace | |
Silver gleichermaßen tonangebend. Vor einem wichtigen Konzert im Club | |
Birdland soll Blakey dem dortigen MC, Pee Wee Marquette (der Ansager beim | |
Hit „Cantaloop“) ein paar Dollarscheine zugesteckt haben, damit der die | |
neue Band als die von Blakey ankündigte. Was folgte, ist Geschichte: „How | |
about a big hand now!“ – die Geburtsstunde der Jazz Messengers. | |
Blakey wusste, was zählt: „If the band is better than the drummer, it’s not | |
a jazz band.“ Keine Jazzband sei besser als ihr Schlagzeuger. Sein | |
kraftvolles Spiel und seine polyrhythmischen Soli trugen wesentlich zur | |
Entwicklung des Modern Jazz bei. „Als würden Bomben mit der Grazie einer | |
Ballettperformance explodieren“, schwärmte ein Kritiker. Blakeys | |
Markenzeichen: die mächtigen Hi-Hats auf der Zwei und der Vier. | |
## Geradeaus-Jazz | |
„Anyone that plays anything modern comes from Blakey“, sagte sein | |
Drumkollege Elvin Jones einmal. Dabei war der so Gelobte wertkonservativ: | |
Bis kurz vor seinem Tod am 16. Oktober 1990 bereiste Art Blakey die Welt, | |
um ihr den Hard Bop nahezubringen und nichts anderes. Art Blakeys Jazz | |
Messengers spielten in den 36 Jahren ihres Bestehens weder Funk noch Fusion | |
noch Free Jazz. Als einziges Zugeständnis an den Zeitgeist hatte der | |
Bandleader zwischenzeitlich einen Pianisten in der Band, der zuweilen | |
elektrisch verstärkt zu Werke ging. Doch sonst: Schlagzeug, Flügel, | |
Kontrabass, drei Bläser. Akustischer Hard Bop. | |
Blakey verkörperte diese scharfe, am Gospel geschulte Spielweise mit jeder | |
zischenden Hi-Hat und seiner donnernden Bassdrum. „Hard Bop – das war wie | |
Bebop mit Muskeln“, schrieb NDR-Jazzredakteur Michael Naura. „Das war der | |
fettarme Geradeaus-Jazz der Schwarzen. Er stank nach Schweiß und Blues aus | |
allen Poren.“ | |
Dabei klang Blakeys Musik nie mühevoll. Wer sich noch einmal das großartige | |
Call-and-Response-Motiv von „Moanin“ (1958), eingeleitet vom Pianisten | |
Bobby Timmons, dem Komponisten des Songs, zu Gemüte führt, wird diese | |
Melodie so schnell nicht vergessen. Porentief im Gospel, zutiefst funky – | |
so wurde „Moanin'“ zum Inbegriff des Blue-Note-Sounds. Mit dem graduellen | |
Auslaufen der Produktion des stilprägenden New Yorker Labels ging auch Art | |
Blakeys beste Zeit zu Ende. Zwischen 1965 und 1972 nahm er kaum Platten | |
auf, auch in den Siebzigern war er wenig produktiv. | |
In den Achtzigern wechselte Blakey häufig die Besetzung, kurzzeitig war | |
Wynton Marsalis der musikalische Leiter der Messengers, darauf folgten | |
weitere künftige Stars wie Terence Blanchard und Kenny Garrett. Art | |
Blakey tourte, solange es ging: Noch vier Monate vor seinem Krebstod stand | |
er auf der Bühne. Von ihm bleiben die ikonischen Fotos von Francis Wolff, | |
mit vor Euphorie offenem Mund. Und erst die Tonaufnahmen! Hard Bop für die | |
Ewigkeit: verschwitzt, mächtig, und ewig jung. | |
11 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
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