# taz.de -- Russland vor dem Viertelfinalspiel: Mit Ammoniak ins Finale | |
> Das Viertelfinalspiel gegen Kroatien steht an und das russische Team | |
> fühlt sich gerüstet. Helfen soll insbesondere der „Duch“. | |
Bild: Kroatien wartet am Samstagabend: Russlands Spieler fühlen sich bereit | |
NOWOGORSK taz | Eine Mannschaftsbesprechung im Mittelkreis des | |
Trainingsplatzes. Ein paar milde Worte im altväterlichen Ton, die Trainer | |
Stanislav Tschertschessow an die Spieler der russischen Nationalmannschaft | |
richtet. Ein paar Hindernissprints, damit es am Abend ein paar frische | |
Bilder vom Training der Sbornaja vor ihrem Viertelfinale gegen Kroatien | |
gibt. | |
Auf den anderen Seite das Torwarttraining. Dann ist Schluss, die Reporter | |
müssen die Tribüne neben dem Trainingsplatz räumen. Die Mannschaft soll in | |
Ruhe trainieren können. | |
Es ist, wie es immer ist, wenn es heißt, dass die ersten 15 Minuten des | |
Trainings offen seien für Medienverteter. Dem Erfolgsgeheimnis der | |
Mannschaft, die ihren Gegnern vor allem athletisch überlegen war, kann man | |
in dieser Viertelstunde gewiss nicht auf die Spur kommen. Vielleicht gibt | |
es etwas anders zu entdecken in Nowogorsk, jenem vergleichsweise schmucken | |
Ort nordwestlich von Moskau. | |
Moskauer Schweiz nennt sich diese Region, in der die Landschaft ein wenig | |
welliger ist als sonst rund um die Hauptstadt herum. Sie haben es also ganz | |
nett in ihrem Team Base Camp, wie es im schönsten Fifa-Sprech so hässlich | |
heißt. Nobel ist es indes nicht. | |
Die auch in Russland wahrlich nicht schlecht bezahlten Profis sind | |
untergebracht im Wohnkomplex der Sportschule Nowogorsk, zusammen mit | |
anderen russischen Sportlern, die da gerade trainieren. In dieser | |
Einrichtung, die direkt dem russischen Sportministerium unterstellt ist, | |
trainieren etliche der besten russischern Sportler. | |
Es gibt ein Leichtathletikstadion, mehrere Trainingshallen, ein Eisstadion, | |
ein paar Schwimmbecken, eine Fechthalle, Reitanlagen und Schießstände. | |
Nowogorsk ist die zentrale Medaillenschmiede Russlands. Wenn sich die | |
Fußballnationalmannschaft dort einfindet, begibt sie sich unter staatliche | |
Aufsicht. Der Profisport Fußball wird dann zum Staatssport. | |
## Mit Bremsflüssigkeit gedopt? | |
In Nowogorsk sind etliche der Dopingproben genommen worden, die manipuliert | |
worden sind, nachdem man festgestellt hat, dass sich verbotene Substanzen | |
darin nachweisen ließen. Dass auch russische Fußballer in dem zu | |
Berühmtheit gekommenen [1][Doping-Report des kanadischen Anwalts Richard | |
McLaren] auftauchen, kann also nicht verwundern. Ernst genommen hat das | |
indes weder die Fifa, noch die sportinteressierte Öffentlichkeit Russlands. | |
Weil die russische Nationalmannschaft sang-und klanglos in der Vorrunde der | |
WM 2014 ausgeschieden war, machte ein Witz in Russland die Runde. Gedopt? | |
Womit denn? Mit Bremsflüssigkeit? | |
Seit nun aber die Russen ihren Gegnern ein ums andere Mal davonlaufen, | |
läuft der Verdacht wieder mit. Fragen dazu sind unwerwünscht. „Wir | |
benatworten nur Fragen zum Spiel“, raunzte Trainer Tschertschessow einen | |
Reporter an, der es wagte auf der Pressekonferenz das Thema Doping | |
anzusprechen. Er macht sich ohnehin rar und tritt nur bei den offiziellen | |
Fifa-Pflichtterminen auf. | |
Immerhin teilt der russische Verband auf Nachfrage mit, an welcher Subtanz | |
Wladoimir Granta geschnüffelt hat, bevor er in das Achtelfinalspiel gegen | |
Spanien eingewechselt worden ist. Ammoniak sei es gewesen. Gewichtheber und | |
Kraftsportler schätzen es, weil es ihnen einen Kick versetzt, kurztzeitig | |
die Atemwege ferimacht und das Hirn durchpustet. Was früher die drei | |
kräftigen Ohrfeigen waren, mit denen ein Gewichtheber von seinem Trainer | |
auf die Bühne geschickt wurde, das erledigt heute der Ammoniak. | |
## Ein ganz spezieller Geist | |
Das ist alles ganz legal – natürlich – und reicht als Erklärung für die | |
furiosen Auftritte der Russen bei diesem Turnier genauso wenig aus wie der | |
ständige Verweis auf den „Charakter des Teams“. Wenn nach dem Training | |
Mittelfeldspieler Alexander Golovin sagt, dass er glaube, man könne die | |
Kroaten schlagen, auch wenn man noch nicht wisse wie, dann mag man ihm | |
seine Zuversicht abnehmen, man möchte aber auch wissen, was er einnimmt. | |
„Wir denken schon auch an den Einzug ins Finale“, sagt er dann noch und | |
schaut mit seinem 22 Jahre jungen Bubengesicht so naiv drein, dass man ihm | |
umgehend den WM-Titel wünschen möchte. | |
Dass sie [2][gegen Spanien gar nicht ins Spiel gekommen sind], hat Golowin | |
auch mitbekommen. „Das ist nun mal so, wenn die gegen Spanien spielst.“ | |
Gegen Kroatien werde das wahrscheinlich anders. Was es auf jeden Fall gegen | |
Kroatien wieder geben wird, sind diese langen Bälle nach vorne, die außer | |
den Russen keine Mannschaft mehr schlägt. | |
Es wird wieder diese Sprints geben, die so unglaublich sind, dass man am | |
liebsten mitstoppen würde. Und es wird wieder die Frage aufkommen, wie das | |
alles möglich ist, bei einem Team, auf das nicht einmal der mutigste Zocker | |
vor dem Turnier einen Pfifferling gewettet hätte. Was die Amis im Sport | |
„Spirit“ nennen, heißt bei den Russen „Duch“. Golowin hat ihn gespürt, | |
diesen ganz speziellen Geist. Er hat etwas Gespenstisches. | |
7 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Doping-Vorwuerfe-gegen-russische-Sportler/!5460660 | |
[2] /Achtelfinale-Spanien--Russland/!5517162 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Viertelfinale WM 2018 | |
Frauen-WM 2019 | |
WM-taz 2018: Auf dem Platz | |
Russlands WM-Team | |
Fußball | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-WM 2019 | |
WM-taz 2018: Neben dem Platz | |
Viertelfinale WM 2018 | |
Viertelfinale WM 2018 | |
Frauen-WM 2019 | |
WM 2018 Achtelfinale | |
WM-taz 2018: Auf dem Platz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Doping-Kontrollen bei der WM: Wunderbar! Alles negativ! | |
Das fehlende Interesse rund um den Frauenfußball setzt sich im | |
Anti-Doping-Bereich fort. Es mangelt an Tests und Untersuchungen. | |
Hommage an den Tormann: Die Lust beim Elfmeter | |
Die Keeper sind keine einsamen Helden mehr. Vielmehr sind sie ein Teil der | |
Verteidigungsstrategie und damit aktive Gestalter des Spiels. | |
Doping bei der Fußball-WM?: Super, hier ist alles negativ | |
Bei Dopingkontrollen lässt die Fußball-WM Transparenz vermissen. Das ist im | |
Interesse der Fifa und der Veranstalter. | |
WM-Aus für Russland: Der beste aller Verlierer | |
Russland ist bei der WM ausgeschieden. Doch die gute Stimmung bleibt. „Wir | |
haben das Land auf den Kopf gestellt“, sagt Trainer Tschertschessow. | |
Viertelfinale Russland – Kroatien: Der vierte Halbfinalić | |
Russland geht in Führung, Kroatien gleicht aus. Kroatien legt in der | |
Verlängerung nach. Russland auch. Wieder Elfmeterschießen. | |
Russland nach Achtelfinal-Sieg: Macho-Show in Moskau | |
Ein ganzes Land steht Kopf, in der russischen Hauptstadt herrscht | |
Aunahmezustand. Nur Trainer Stanislaw Tschertschessow gibt die coole Sau. | |
Achtelfinale Spanien – Russland: Ein Held namens Akinfeew | |
Zuerst Flachpassstakkato gegen Abwehrbollwerk. Dann endlich mal | |
Verlängerung! Elfmeterschießen! Und siehe da: Das können die Russen. | |
Russlands Team bei der WM: Misstrauen und Mut | |
Der Auftaktsieg hat Russland viel Ballast von den Schultern genommen. Das | |
Abschneiden ist eine Staatsangelegenheit geworden. |