# taz.de -- Russlands Team bei der WM: Misstrauen und Mut | |
> Der Auftaktsieg hat Russland viel Ballast von den Schultern genommen. Das | |
> Abschneiden ist eine Staatsangelegenheit geworden. | |
Bild: „Vorwärts Russland“: Russische Fans feiern am vergangenen Donnerstag… | |
Moskau taz | Das Misstrauen sitzt tief. Lob für die Sbornaja, das russische | |
Fußballteam, mag auf den Straßen Moskaus keiner so recht hören, auch nach | |
diesem berauschenden 5:0-Einstand gegen Saudi-Arabien nicht. Es wird | |
schnell abgewunken, wenn man zum erfolgreichen Auftaktspiel der Russen | |
gratuliert. | |
Die rauschhafte Atmosphäre, die sich vergangenen Donnerstag weit über das | |
Luschniki-Stadion hinaus verbreitete, ist schnell wieder Nüchternheit | |
gewichen. Es war ja nur Saudi-Arabien, heißt es. Und schließlich wartet in | |
St. Petersburg mit Ägypten am Dienstag (20 Uhr/ZDF) ein größerer Gegner auf | |
die Russen. | |
Dass viele insgeheim gebangt haben, ob man Saudi-Arabien überhaupt schlagen | |
kann, ist vergessen. Dass der auffälligste Mann der Partie, | |
Mittelfeldspieler Aleksandr Golovin, in diesen Tagen mit Juventus Turin, AC | |
Mailand und Arsenal London in Verbindung gebracht wird, scheint ebenso | |
wenig ein ausreichender Quell für Zuversicht zu sein wie dieser effiziente | |
Denis Tscheryschew, der von der Ersatzbank kommend zweimal traf. Den in | |
Spanien aufgewachsenen Mann kennt kaum einer so richtig in Russland. Zumal | |
er sich dauernd mit Verletzungen herumgeplagt hat und lediglich ein gutes | |
Dutzend Länderspiele bestritt. | |
Die demütigenden Niederlagen der vergangenen Jahre sitzen zu tief in der | |
Erinnerung der russischen Fußballfans. Auch beim scheinbar so überzeugenden | |
Auftakt gegen Saudi-Arabien konnten die genaueren Beobachter sehen, wie | |
viel doch auch schief ging und wie wenig von einer ausgefeilten Spielidee, | |
von Automatismen zu sehen war. | |
Vornehmlich wurde das Feld mit weiten Bällen überbrückt und zweite Bälle | |
wurden aufgrund der körperlichen Überlegenheit gewonnen. Ein schlichtes und | |
sehr berechenbares Konzept. | |
## Gebranntes Kind | |
Die Zweifel, ob das gegen Ägypten und Uruguay reichen wird, sind durchaus | |
nachvollziehbar. Auch Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow ist ein | |
gebranntes Kind. Er erinnerte an den Auftaktsieg gegen Neuseeland beim | |
Confed Cup im vergangenen Jahr, der nach den darauf folgenden Niederlagen | |
letztlich nichts wert war. Von einem „Crescendo“ der Aufgaben hat | |
Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow mit Blick auf die weiteren | |
WM-Gruppengegner gesprochen. | |
Im Falle von Ägypten verkörpert vor allem deren Ausnahmespieler Mohamed | |
Salah den erwartet höheren Schwierigkeitsgrad. Im ersten Spiel gegen | |
Uruguay wurde er noch geschont, da er sich jüngst erst im Dienste des FC | |
Liverpool eine schwere Schulterverletzung zuzog. Er sei aber, so | |
versicherte der ägyptische Fußballverband, wieder voll einsatzfähig. | |
Russland dagegen muss auf Alan Dzagoev verzichten, der sich beim Auftakt am | |
Oberschenkel verletzte. Dessen hervorragender Vertreter Tscheryschew hat | |
sich bereits zuversichtlich geäußert, wie das russische Team im Duell mit | |
Salah und seinen Gehilfen bestehen kann. Bei Liverpool, erklärte | |
Tscheryschew, werde Salah gut eingesetzt. Bei Ägypten aber würde man ihm | |
nur den Ball und die Verantwortung überlassen. | |
Etwas Mut habe die Russen doch geschöpft. Der erste Erfolg hat dem | |
russischen Team viel Ballast von den Schultern genommen. In den | |
Schlussminuten gegen Saudi-Arabien wurde der Ball mit ungekannter | |
Leichtigkeit nach vorn kombiniert. Mit einem Erfolg gegen Ägypten könnte | |
man das vom Sportminister Pawel Kolobkow ausgerufene Minimalziel dieser WM, | |
das Achtelfinale, bereits vorzeitig erreichen. | |
Ja, das Abschneiden der Sbornaja ist zu einer Staatsangelegenheit geworden. | |
Das zeigte sich auch, als bei Trainer Tschertschessow auf der | |
Pressekonferenz das Mobiltelefon klingelte und Staatspräsident Wladimir | |
Putin seine Glückwünsche loswerden wollte. Bei der Partie in St. Petersburg | |
wird er nicht dabei sein können. Putin hat ein Heimspiel beim | |
weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Minsk. Ein | |
Kreml-Sprecher aber beruhigte: „Die wichtigsten Spielszenen schaut er sich | |
dann in den Nachrichten an.“ | |
Die Ausgangslage ist an diesem Dienstag für den Gastgeber vorteilhaft. | |
Während Ägypten nach der Auftaktniederlage gegen Uruguay unbedingt einen | |
Sieg benötigt, können die Russen die Partie abwartender angehen. Der große | |
Druck liegt auf der anderen Seite. | |
19 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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