Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- WM-Aus für Russland: Der beste aller Verlierer
> Russland ist bei der WM ausgeschieden. Doch die gute Stimmung bleibt.
> „Wir haben das Land auf den Kopf gestellt“, sagt Trainer Tschertschessow.
Bild: „Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen w…
Sotschi taz | Er war noch nicht ganz wach geworden. Den Traum vom
Halbfinale schien Stanislaw Tschertschessow noch nicht ganz zu Ende
geträumt zu haben. Die erste Frage auf der Pressekonferenz erreichte ihn
einfach nicht. Mit Applaus hatten ihn die einheimischen Reporter empfangen,
ehe er auf dem Podium Platz nahm. War das wirklich nur der Abschiedsapplaus
gewesen? War jetzt wirklich alles zu Ende? Der russische Trainer
entschuldigte sich: „Ich bin etwas gedankenverloren. Können Sie bitte die
Frage noch einmal wiederholen?“
Natürlich tat man ihm den Gefallen. Und jede weitere Frage nach diesem
tragisch knappen [1][Ausscheiden gegen Kroatien im Elfmeterschießen], nach
der Rolle Russlands in diesem Turnier und im Weltfußball überhaupt verhalf
ihm wieder Stück für Stück, in der Realität anzukommen. Eine, die nicht so
rosig aussah wie der Traum vom Halbfinale, aber immer noch rosiger, als man
sich das vor ein paar Wochen nicht hätte erträumen können.
Schon die Zuschauer [2][im Olympiastadion von Sotschi] hatten trotz aller
Enttäuschung ihr Team mit großem Beifall und Sprechchören verabschiedet.
Wieder einmal hatte dieses Team, dem keiner etwas zutrauen wollte, das
Märchen vom Hasen und dem Igel nachgespielt. Wo immer die Kroaten auch
hinrannten, die Russen waren schon da. Ob da jetzt List oder gar Tücke im
Spiel war, das war den entrückten Fans dieser Mannschaft reichlich egal.
Zu schön war dieses Märchen in den letzten Wochen anzuschauen. „Wir haben
das Land auf den Kopf gestellt, das freut uns natürlich wahnsinnig“, so zog
Tschertschessow seine erste Turnierbilanz. Aber Vergleiche aus der Tier-
und Märchenwelt sind seine Sache nicht. Lieber erklärt der erste Mann des
russischen Fußball die Sachlage in der Sprache der Militärs: „Wir fühlen
uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden.“
## Geführt und ausgekontert
[3][Acht Kilometer war seine Truppe im Teamvergleich wieder einmal mehr
gerannt], dieses Mal aber mit einer teilweise veränderten Richtungsvorgabe.
Es ging vor allem in der ersten Hälfte auch nach vorne. Erstmals hatten die
Russen bei dieser WM ein wenig Mut gezeigt. Und die mit dem Führungstreffer
von Denis Scheryschew dann aufkommende Euphorie mussten sie gleich bitter
bezahlen. Denn erstmals in diesem Turnier wurden sie beim Ausgleichstreffer
von Andrej Kramaric ausgekontert. Das hätte mittlerweile auch kaum noch
jemand für möglich gehalten.
Selbst als dann diese fantastische Geschichte mit dem kroatischen Treffer
in der Verlängerung ein vorzeitiges böses Ende zu nehmen schien und
Tschertschessow bereits resignierend die zuvor so erregten Arme fallen
ließ, kam seine Elf noch einmal zurück.
Russland ist der beste Verlierer unter den letzten acht Fußballteams dieser
Welt gewesen. So knapp ist kein Team im Viertelfinale gescheitert. Darüber
wird man in Russland noch in vielen Jahren sprechen.
## Feiern bis in die tiefe Nacht
Schön haben sie wahrlich nicht gespielt. Das Spiel der Russen war bei
dieser WM darauf angelegt, mit ihrer Allgegenwärtigkeit auf dem Feld
Schönheit zu unterbinden. Wille und Kraft waren mehr gefragt als Talent.
Symbolisch dafür war die Abschlussszene von Sotschi. Als alle den Rasen
verlassen hatten, saß nur noch Fedor Smolow, einer der Begabtesten im
russischen Team, enttäuscht im Mittelfeldkreis am Boden. Zur Überraschung
aller musste der Stürmer sich im Turnier mit der Rolle des
Einwechselspielers begnügen. Und dann hatte er auch noch beim
Elfmeterschießen mit dem ersten Fehlschuss das WM-Aus eingeleitet.
Irgendwann spät wurde er noch von einem Betreuer abgeholt und in die
Katakomben begleitet. Und vielleicht hat er Smolow noch davon überzeugen
können, dass selbst er zu den Gewinnern zählt. Sein Name wird mit der
Mannschaft in Verbindung bleiben, die in Russland für so viele Freunde
gesorgt hat.
In diesem Land wird keiner auf die Idee kommen, aus Enttäuschung über das
verpasste Halbfinale von einem Hochhaus zu springen wie das bis in der
jüngsten Vergangenheit in Südamerika der Fall war. An der Strandpromenade
von Sotschi, direkt neben dem Olympiastadion, drehten die Bars weit nach
Mitternacht die Musik voll auf. Und viele russischen Fans tanzten wieder
völlig entrückt mit der Nationalfahne um die Schultern dazu. Andere indes
kauften sich noch einen WM-Pokal, der von den Händlern nun vermutlich etwas
günstiger angeboten wurde, und gingen damit letztlich doch glücklich nach
Hause.
8 Jul 2018
## LINKS
[1] /Viertelfinale-Russland--Kroatien/!5519393
[2] /WM-Spielort-Sotschi/!5511485
[3] /Russland-vor-dem-Viertelfinalspiel/!5519292
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Viertelfinale WM 2018
Frauen-WM 2019
WM-taz 2018: Auf dem Platz
Fußball
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
Viertelfinale WM 2018
Viertelfinale WM 2018
Viertelfinale WM 2018
Viertelfinale WM 2018
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hommage an den Tormann: Die Lust beim Elfmeter
Die Keeper sind keine einsamen Helden mehr. Vielmehr sind sie ein Teil der
Verteidigungsstrategie und damit aktive Gestalter des Spiels.
Kolumne Russia Today: Russland ist im Paradies angekommen
Nur der Ferienmythos Sotschi konnte der Ort sein, an dem das russische Team
diese WM beendet. Die Realität vor Ort ist wenig glamourös.
Russische Reaktionen auf WM-Aus: Zum Teufel oder gleich nach Tibet
Russische Medien geben ihrer Nationalmannschaft gemischte Noten. In der
Kritik: Stürmer Fjodor Smolow, der am Ende seinen Elfmeter vergab.
WM-Aus der Defensivteams: Mögen die Spiele beginnen
Die Fußballverhinderer sind im WM-Viertelfinale ausgeschieden. Von nun an
können die Gestalter ihr Werk verrichten!
Viertelfinale Russland – Kroatien: Der vierte Halbfinalić
Russland geht in Führung, Kroatien gleicht aus. Kroatien legt in der
Verlängerung nach. Russland auch. Wieder Elfmeterschießen.
Kroatien trifft auf Russland: Diesmal also kleinkariert
Bei der Mannschaft um die Stars Rakitić und Modrić ist einiges anders als
in den Jahren zuvor. Aber manchmal tauchen alte Probleme wieder auf.
Russland vor dem Viertelfinalspiel: Mit Ammoniak ins Finale
Das Viertelfinalspiel gegen Kroatien steht an und das russische Team fühlt
sich gerüstet. Helfen soll insbesondere der „Duch“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.